VVG § 81
Verursacht der Repräsentant des Versicherungsnehmers mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,29 ‰ grob fahrlässig einen Unfallschaden, darf der Versicherer eine Entschädigung vollständig versagen.
LG Tübingen, Urt. v. 26.4.2010 – 4 O 326/09
Der Kläger begehrt von der Beklagten Versicherungsleistungen aus der Vollkaskoversicherung.
Am frühen Morgen des 6.6.2009 verursachte sein Sohn S als Fahrer und Repräsentant einen Unfall, bei dem er auf ein, aus seiner Fahrtrichtung gesehen, am linken Fahrbahnrand der Kirchstraße in Schömberg-Bieselsberg ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug stieß, wodurch dies gegen ein weiteres dort geparktes Fahrzeug aufgeschoben wurde. Eine bei S etwa eine Stunde nach dem Unfall entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholwert von 1,29 ‰.
Aus den Gründen:
… 2. Dieser hat den Unfall zumindest grob fahrlässig i.S.d. § 81 Abs. 2 VVG herbeigeführt. Das Führen eines Kraftfahrzeuges in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand wird objektiv durchweg als gröblicher Verstoß gegen die Grundsätze der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt angesehen (vgl. BGH VersR 1989, 469). Es gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt. Daraus folgt, auch wenn insoweit nicht der Beweis des ersten Anscheins gegeben ist, dass in der Regel auch das für die Annahme grober Fahrlässigkeit gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit erforderliche gesteigerte Verschulden gegeben ist. Dass man unter starker Alkoholeinwirkung nicht mehr am Straßenverkehr als Fahrzeuglenker teilnehmen darf, weil man dabei sich und andere erheblich gefährdet, ist nicht nur Allgemeingut, sondern war nach dem Vorbringen des Klägers auch seinem Sohn bewusst. Denn dieser, so der Vortrag des Klägers, wollte ursprünglich nicht mit dem Fahrzeug zurückfahren, gerade weil er damit rechnete, so viel Alkohol zu konsumieren, dass seine Fahrtauglichkeit aufgehoben sein konnte. Dass er sich dann dennoch entschloss, sein ursprünglich vernünftiges Vorhaben aufzugeben, mag durchaus einer auch alkoholbedingten spontanen Laune entsprechen. Dies ist jedoch nicht einem ‘Augenblicksversagen’, bei welchem die grobe Fahrlässigkeit ausscheidet (vgl. Halm/EngelbrechtfKrahe, Versicherungsrecht, Rn 100), gleichzustellen. Damit ist lediglich eine unbewusst fahrlässige Handlung gemeint, die auch einem ansonsten pflichtbewussten und sorgfältigem Versicherungsnehmer unterlaufen kann, also insbesondere Fehler bei zu Routine gewordenen Dauerhandlungen oder im Zusammenhang mit Ausnahmesituationen, in der eine vernünftige Abwägung der Vor- und Nachteile der Handlung den Fahrer überfordert (Hinwendung zum schreienden Kind). Demgegenüber ist es heute, auch nach Herabsetzung der Grenze zur absoluten Fahruntauglichkeit, so sehr Aligemeingut, dass unter (erheblicher) Alkoholwirkung nicht gefahren werden darf, dass auch bei einem absolut fahruntauglichen Kraftfahrer davon ausgegangen werden kann, dass die Hemmschwelle dies gleichwohl zu tun, weit heraufgesetzt ist. Wie der BGH in der oben zitierten Entscheidung ausführt, muss sich deshalb ein Fahrer, der sich darüber aus – wenn auch nur momentan gegebener – mangelnder Einsicht hinwegsetzt, diese mangelnde Einsicht als grobes Verschulden anrechnen lassen. Daher sind auch die subjektiven Voraussetzungen für ein gesteigertes, grobes Verschulden hier gegeben.
3. Auch die Kausalität des Alkohols für den konkreten Schadensfall ist anzunehmen. So spricht unter Berücksichtigung des unstreitigen Vorliegens der absoluten Fahruntüchtigkeit bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der streitgegenständliche Unfall bei einer Verkehrslage und unter Umständen geschehen ist die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (BGH VersR 1987; 1006; OLG Naumburg r+s 2005, 54–55). Der Anscheinsbeweis kann zwar entkräftet werden, wenn der Versicherungsnehmer und Kläger Umstände nachweist, aus denen sich die ernsthafte, nicht nur theoretische, Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ergibt … Dafür reicht der Hinweis auf die bestehende Engstelle nicht. Diese war nicht so eng, dass man daran ohne Beschädigung der parkenden Fahrzeuge nicht vorbeikommen konnte. Allenfalls war es erforderlich, dabei umsichtig und entsprechend langsam zu fahren, um sich des ausreichenden Abstandes zu vergewissern. Dieses Verhalten entspricht auch dem eines nüchternen Fahrers, nicht unbedingt jedoch eines, der unter Alkoholwirkung steht. Andere Umstände, die eine auch von nüchternen Fahrern schwer zu meisternde Situation beschreiben, sind nicht vorgetragen.
4. Die Beklagte war i.R.d. § 81 Abs. 2 VVG bei der hier dem Fahrer vorzuwerfenden groben Fahrlässigkeit auch berechtigt, die Versicherungsleistung um 100 % zu kürzen. Zwar liegt zu der Frage der quotalen Kürzung bei alkoholbedingter Fahruntauglichkeit bisher eine höchstrichterliche Rspr. nicht vor. In der Literatur wird indes überwiegend vertreten, dass bei absoluter Fahruntauglichkeit in der Regel auch eine Kürzung um 100 % berechtigt ist (vgl. dazu Halm/Engelbrecht/Krahe, a.a.O., Rn 107 m.w.N.; Schimikowski, ...