Personen gleichen Geschlechts können seit Sonntag dem 1.10. die Ehe eingehen
Mit einer fast beiläufigen Äußerung der Kanzlerin in einem Interview mit der Zeitschrift „Brigitte“ hat die Kanzlerin den Dammbruch für die "Ehe für Alle"ausgelöst . Nun darf geheiratet werden: Das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts wurde am 28.7. im Bundesgesetzblatt verkündet und § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB heißt es seit dem 1.10.2018:
„Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“
Auf die Standesämter wird nun einiges zukommen. Bayern prüft derweil noch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die dortige Landesregierung hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Experten sitzen darüber, die möglichen Chancen für eine Klage zu eruieren.
Abgeordneten durfte ohne Fraktionsdisziplin abstimmen
Es war wohl als wohlüberlegtes Kalkül von Frau Merkel, die Entscheidung über diese Frage der Gewissensfreiheit der Abgeordneten zu überstellen und sie Frage vom – ohnehin nicht rechtsverbindlichen - Fraktionszwang auszunehmen.
Blick auf den Kolitionsvertrag
Die Merkel-Äußerung gegenüber der "Brigitte" erfolgte offensichtlich im Hinblick auf mögliche Koalitionen mit SPD oder Grünen für die Zeit nach der Bundestagswahl.
Beide Parteien hatten die „Ehe für Alle“ als conditio sine qua non für ihre Unterzeichnung unter einen möglichen Koalitionsvertrag dargestellt. Dieser Hürde wollte die Kanzlerin möglichst frühzeitig die Grundlage entziehen.
Die Profilierungschance wollte keiner verpassen
Dass es so schnell gehen würde, hatte die Kanzlerin aber möglicherweise nicht im Kalkül. Die Opposition erinnerte sich nach der Äußerung von Frau Merkel nämlich sofort an den entsprechenden Gesetzesentwurf des Bundesrates aus dem Jahr 2015. Damit lag die Gesetzesreform komplett ausformuliert in der Schublade und bedurfte lediglich noch eines entsprechenden Beschlusses des Bundestags.
Ob die Kanzlerin auch dies bei ihrer Äußerung bedacht hat, mag dahinstehen. Diese Vorlage konnten die Oppositionsparteien und auch die SPD jedenfalls nicht ungenutzt liegen lassen und peitschten so die Reform in einem Blitzverfahren noch vor der Sommerpause am vergangenen Freitag durch das Parlament.
Wahlrecht für bestehende Lebenspartnerschafte
Ergänzend zur Änderung im BGB erfolgten einige Änderungen im Lebenspartnerschaftsgesetz, das Lebenspartnern gemäß neu formuliertem § 20a nunmehr die Möglichkeit einräumt, gemeinsam vor dem Standesamt die Lebenspartnerschaft durch eine entsprechende Erklärung in eine Ehe umzuwandeln. Die Höhe der für die Umwandlung anfallenden Gebühr steht noch nicht fest, sie soll aber unter der für die Anmeldung der Ehe geltende von 44 Euro-Gebühr liegen.
Ab dem 1.10.2017 ist für #gleichgeschlechtliche #Paare, die Eingehung einer #Lebenspartnerschaft nicht mehr möglich.
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Verfassungsrechtliche Bedenken
Nicht völlig ausgeräumt sind Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung. Schon einige Parlamentarier äußern Bedenken an der und verweisen darauf, dass die Verfasser des Grundgesetzes unter dem Begriff Ehe ausschließlich die Ehe zwischen Mann und Frau verstanden hatten. Dieses grundsätzliche Eheverständnis sei durch eine einfachgesetzliche Änderung des BGB nicht mit einem Federstrich weg zu wischen. Voraussetzung für die Änderung des BGB sei daher eine Änderung des Grundgesetzes. Der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, ist deshalb sicher, dass die Reform ganz schnell beim Verfassungsgericht landen wird.
Befürworter halten die Bedenken für unbegründet
Die Befürworter des Gesetzes argumentieren, die Begrifflichkeit der Verfassung sei nicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt. Nicht wenige verfassungsrechtliche Begriffe hätten im Laufe der Zeit Änderungen und neue Ausdeutungen erfahren, wie zum Beispiel das gesamte Verständnis des Begriffes der Familie.
Christoph Degenhart, Professor für Öffentliches Recht der Universität Leipzig, ist der Auffassung, dass das BVerfG ggf. eine pragmatische Lösung suchen und die Reform halten wird. Andere Verfassungsrechtler verweisen darauf, dass der Begriff der Ehe im Grundgesetz an keiner Stelle definiert würde und dem Gesetzgeber insoweit ein Gestaltungsspielraum zusteht.
Geschlechtsverschiedenheit für die Ehe nicht prägend
Tatsächlich hat das BVerfG mehrfach den Wandel von Begriffsinhalten innerhalb der Verfassung vollzogen. In einem Beschluss aus dem Jahr 1993 haben die Verfassungsrichter auf das Verständnis der Homosexualität zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfassung hingewiesen.
- Bei der Verabschiedung des Grundgesetzes habe Homosexualität noch als sittenwidrig gegolten und sei gemäß § 175 StGB strafrechtlich sanktioniert worden (BVerfG, Beschluss v. 4.10.1993, 1 BvR640/93).
- Nach dem damaligen Diktum des Gerichts hat sich im Verständnis der Ehe ein grundlegender Wandel vollzogen.
- Die Geschlechtsverschiedenheit habe keine prägende Bedeutung für das Institut der Ehe mehr.
In dieser Entscheidung betonten die Verfassungsrichter allerdings, dass die Verfassung den Gesetzgeber auch nicht dazu zwinge, die Ehe für homosexuelle Paare zu öffnen.
Schlechterstellung der Lebenspartnerschaft bei Adoptionen
In weiteren Entscheidungen hat das höchste deutsche Gericht die Ungleichbehandlung von Lebenspartnern und Ehegatten hinsichtlich des einkommensteuerrechtlichen Ehegattensplittings gerügt (BVerfG, Urteil v. 7.5.2013, 2 BvR 909/06 und 288/07) und schließlich die sukzessive Adoption für eingetragene Lebenspartner zugelassen (19.2.2013, 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09). Die verbleibende Ungleichbehandlung bei der Adoption ist in der Praxis bis heute der wesentliche verbliebene rechtliche Unterschied zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft.
Große Parlamentsmehrheit für die Reform
Von insgesamt 630 Parlamentariern waren 623 bei der Abstimmung anwesend, 393 stimmten mit Ja (darunter 75 Abgeordnete der Union), 226 mit Nein, vier Abgeordnete enthielten sich.
Deutschland hinkt hinterher
Deutschland ist hinsichtlich der Öffnung der Ehe weltweit eher Nachzügler. Die Republik Irland, Belgien, Niederlande, Frankreich, Luxemburg, Finnland, Kanada, Südafrika, Spanien, Norwegen, Schweden, Portugal, Island, Dänemark, Argentinien, Brasilien, Uruguay Neuseeland, Schottland, England, in 41 Bundesstaaten der USA und in Israel werden gleichgeschlechtliche Ehen anerkannt.
Aussichten einer Verfassungklage
Auch die AfD hat inzwischen angekündigt, die Chancen einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu prüfen. Innenminister Thomas de Maizière räumt einer Verfassungsklage grundsätzlich Chancen ein. Die AfD als Partei dürfte allerdings nicht antragsberechtigt sein, allenfalls könnten einzelne Mitglieder darzulegen versuchen, dass sie persönlich durch die Gesetzesänderung in ihren Grundrechten verletzt würden.
Das näherliegende Instrument einer abstrakte Normenkontrolle wäre nur durch die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestag möglich. Der Vizepräsident des Bundestages Johannes Singhammer (CSU) hat sich dafür ausgesprochen, dass das Land Bayern Verfassungsklage einreichen soll. Der bayerische Ministerpräsident Seehofer scheint sich im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl vor einem solchen Schritt aber eher zu scheuen.
Prof. Christopher Schmidt macht die Frage der Verfassungswidrigkeit in der NJW 2017 S. 2227 daran fest, welche Strukturprinzipien in Art. 6 GG mit dem Ehebegriff verknüpft sind. Da Mann und Frau dabei eine entscheidende Rolle spielen, kommt er zu dem Ergebnis, dass es für die Rechtsänderung an einem notwendigen verfassungsändernden Gesetz fehlt.
Praxisfragen
Gleichgeschlechtliche Paare können nunmehr wörtlich heiraten, sich auch verloben, und natürlich auch geschieden werden und sind durch den Begriff „Lebenspartnerschaft“ auf Formularen auch nicht, etwa in Bewerbungsunterlagen, sogleich ihrer sexuellen Orientierung zuordenbar.
Zum Standesamt
Nachdem feststeht, ab wann die ersten Trauungen möglich sind, nehmen Standesämter erste Terminanfragen und Anträge entgegen. Die Standesämter werden sich jetzt umstellen müssen, auch in ihren Formulierungen.
Hintergrund
Schon vor vier Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht befunden, die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern erforderliche Rechtfertigung unterliege hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen, weil die sexuelle Identität betroffen sei. Die eingetragene Lebenspartnerschaft sei in gleicher Weise wie die Ehe auf Dauer angelegt und wie die Ehe von einer hohen gegenseitigen, persönlichen wie materiellen Verantwortung geprägt (BVerfG, Urteil v. 19.02.2013, 1 BvR 3247/09; 1 BvL 1/11).
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