Verwirken Rabeneltern den Anspruch auf Elternunterhalt ?

Erwachsene Kinder sind ihren Eltern gegenüber im Falle der Bedürftigkeit grundsätzlich zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Die Unterhaltspflicht kann aber entfallen, wenn die Inanspruchnahme als insgesamt grob unbillig erscheint, weil die Elternschaft wenig ruhmreich verlief.

Dies hat das OLG Oldenburg in einem Fall entschieden, in dem ein Vater von seiner Tochter Unterhalt forderte, nachdem er selbst über viele Jahre seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Tochter in grober Weise verletzt hatte.

Grundsatz der gegenseitigen Unterhaltsverpflichtung

Gemäß §§ 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie einander zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Es gilt das Prinzip der Gegenseitigkeit. Ausgeschlossen ist diese Unterhaltsverpflichtung nur ganz ausnahmsweise gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten aufgrund besonderer Umstände grob unbillig wäre. Der BGH hat die Anforderungen an den Begriff der groben Unbilligkeit sehr hoch gesteckt. Im Falle einer dreißigjährigen Kontaktstille zwischen Mutter und Tochter hatte der BGH der Mutter dennoch einen Unterhaltsanspruch gegenüber der Tochter zuerkannt, da die Kontaktverweigerung seitens der Mutter von dieser nicht verschuldet war, sondern auf einer psychischen Erkrankung beruhte (BGH, Urteil v. 15.9.2010,  XII ZR 148/09). Die Voraussetzungen für einen Unterhaltsausschluss hat das OLG Oldenburg im anhängigen Fall trotz dieser restriktiven Rechtsprechung als gegeben angesehen.

Vater wollte mit der Tochter nichts mehr zu tun haben

Über einen Zeitraum von 6 Jahren, in dem die Tochter bedürftig war, hatte der Vater jegliche Unterhaltszahlung verweigert. Obwohl er arbeitsfähig war, vermied der Vater bewusst jegliche Aufnahme einer ihm möglichen Erwerbstätigkeit. Nach seiner Trennung von der Mutter hatte er dieser per Einschreiben mitgeteilt, dass er mit seiner bisherigen Familie nichts mehr zu tun haben wolle. In den Zorn auf die Kindesmutter band er die Tochter ausdrücklich mit ein.

Nur 2 Treffen zwischen Vater und Tochter in vielen Jahren

Die Tochter litt sehr darunter, dass der Vater nicht nur den geschuldeten Unterhalt verweigerte, sondern auch sonst jeglichen Kontakt mit ihr ablehnte. In den folgenden Jahren gab es von dieser Haltung des Vaters nur zwei Ausnahmen:

  • Als der Vater eine neue Frau heiratete, lud er seine Tochter zur Hochzeitsfeier ein.
  • Anlässlich eines Krankenhausaufenthalts des Vaters duldete dieser einen Besuch seiner Tochter am Krankenbett.

Multiple Pflichtverletzungen des Vaters

Als der Vater später wegen eingetretener Bedürftigkeit von seiner Tochter Unterhalt verlangte, hatte er mit diesem Begehren in zweiter Instanz beim OLG Oldenburg keinen Erfolg. Das OLG bewertete das bisherige Verhalten des Vaters gegenüber seiner Tochter als grob rücksichtslos und schloss damit einen möglichen Unterhaltsanspruch wegen grober Unbilligkeit aus. Das OLG hielt dem Vater vor,

  • er habe gegenüber seiner Tochter seine väterliche Pflicht zum Beistand und zur Rücksichtnahme grob verletzt;
  • den Kontakt zu seiner Tochter habe er nach der Trennung von der Mutter aus eigener Initiative nachhaltig abgebrochen;
  • die zwei Ausnahmenkontakte anlässlich der Hochzeit und des Krankenhausaufenthalts änderten nach Auffassung der OLG-Richter an der grundsätzlichen Verweigerungshaltung des Vaters nichts;
  • der Vater habe gegenüber seiner Tochter eine große emotionale Kälte gezeigt;
  • er habe sein Kind nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional alleingelassen;
  • obwohl er in der Lage gewesen sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und seiner bedürftigen Tochter Unterhalt zu leisten, habe er dies in rücksichtsloser Art und Weise und unter Hintanstellung jeglicher väterlichen Verantwortung über einen Zeitraum von ca. sechs Jahren unterlassen.

Insgesamt stellt das Verhalten des Vaters sich nach Auffassung des Senats als grobe Verfehlung im Hinblick auf seine väterlichen Pflichten dar.

Eine Unterhaltsverpflichtung der Tochter wäre grob unbillig

Das Verhalten des Vaters führte nach Auffassung der OLG-Richter zu einem Ausschluss jeglichen Unterhaltsanspruchs, weil sich die Anerkennung einer Zahlungspflicht unter Berücksichtigung des väterlichen Verhaltens in der Gesamtschau als grob unbillig erweisen würde.

(OLG Oldenburg, Beschluss v. 4.1.2017, 4 UF 166/15)

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Hintergrund-Infos:

Häufiges Problem: Kosten des Pflegeheims

Albtraum vieler Eltern und Kinder: Qualität und Kosten des Pflegeheims. Auch die Kosten des Pflegeheims orientieren sich an der Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten. Lebt dieser beispielsweise von der Grundsicherung, so ist nur die Unterbringung in einem einfachen und kostengünstigen Pflegeheim geschuldet, wobei die Unterbringung allerdings zumutbar sein muss (BGH, Urteil v. 21.11.2012, XII ZR 150/10).

Neben den Kosten für das Heim schuldet der Unterhaltsverpflichtete einen Barbetrag für den täglichen Bedarf (BGH, Urteil vom 25. 06. 2003, XII ZR 63/00).

Wichtig: Hält der Unterhaltsverpflichtete die konkrete Heimunterbringung für zu teuer, so muss er die Notwendigkeit der Unterbringung in diesem Heim substantiiert bestreiten. Sinnvoll ist es in diesem Fall, kostengünstigere Vergleichseinrichtungen zu präsentieren, wobei der BGH eine Differenz von knapp 100 EUR monatliche Unterbringungskosten als wesentlich angesehen hat (BGH, Urteil v. 21.11.2012, XII ZR 150/10).


Schlagworte zum Thema:  Elternunterhalt, Verwirkung, Unterhalt