Deckungszusage blockiert Haftung des Anwalts gegenüber der Rechtsschutzversicherung nicht
Ein Rechtsschutzversicherer verlangte von den beklagten Rechtsanwälten aus eigenem und übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer Erstattung von in 85 Verfahren von ihr gezahlter Gerichts- und Rechtsanwaltskosten.
Vorwurf gegen Anwälte: Nur aus Gebühreninteresse Masse von Mandanten akquiriert
Die klagende Versicherung vertrat die Auffassung, dass die Rechtsanwälte einzig aus Gebühreninteresse massenhaft Mandanten angeworben hätten. Daher greife aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung eine Haftung auf Schadenersatz. Daneben hätten sie - da sie fehlerhafte Güteanträge gestellt hätten, so dass spätere Klagen von vorneherein aussichtslos gewesen seien – ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Das Landgericht Köln hat in erster Instanz die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte teilweise Erfolg.
Anwalt schuldet nur dem Mandanten Aufklärung über Prozessrisiko
Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichtes haben die Beklagten gegen ihre anwaltlichen Pflichten verstoßen, da sie den Versicherungsnehmern, also ihren Mandanten, nicht vor einer weiteren Verfolgung ihrer Ansprüche abgeraten hatten.
Der Rechtsanwalt müsse im Rahmen des erteilten Auftrags die rechtlichen Interessen des Mandanten in jeder Richtung umfassend wahrnehmen, wobei er sein Verhalten so einrichten müsse, dass er Schädigungen des Mandanten, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, tunlichst vermeide.
Eine Aufklärung über das Prozessrisiko schulde er aber ausschließlich seinem Mandanten, jedoch nicht gegenüber dem Rechtsschutzversicherer. Im vorliegenden Fall hätten die Rechtsanwälte, nachdem sie von dem Beschluss des BGH (v. 28.01.2016, III ZR 116/15), Kenntnis erlangt haben, dass ihre gestellten Güteanträge nicht den Anforderungen genügen, von der Einlegung weitere Rechtsmittel abraten müssen.
Deckungszusage der Versicherung bewirkt keine Entlastung des Anwalts
Der Zahlungsanspruch war auch auf die klagende Rechtschutzversicherung übergegangen. Dem stand auch die erteilte Deckungszusage der Klägerin nicht entgegen, so die Richter des OLG Köln. Im Regelfall entfalte die Kostendeckungszusage lediglich Schutzwirkung gegenüber dem Versicherungsnehmer, nicht aber gegenüber seinem Rechtsanwalt:
- Der Versicherungsnehmer soll mit der Regulierungszusage vor dem Risiko, bei der Erfolglosigkeit einer Rechtsverfolgung mit erheblichen Kosten belastet zu werden, geschützt werden.
- Der Rechtsanwalt hingegen könne hieraus nichts zu seinen Gunsten herleiten.
Rechtsschutzversicherung ist keine Schadensversicherung für den Anwalt
Eine andere Betrachtungsweise hätte nach Ansicht des Oberlandesgerichtes die Folge, dass die Rechtsschutzversicherung im Ergebnis auch eine Schadensversicherung des Rechtsanwaltes wäre, welcher im Falle einer Pflichtverletzung gegenüber dem Mandanten nur noch teilweise oder ggf. überhaupt nicht mehr für einen Schaden einzustehen hätte.
Dies würde in der weiteren Konsequenz eine „Entlastung“ des Rechtsanwaltes von der bei der anwaltlichen Beratung zu beachtenden Sorgfaltspflichten bedeuten. Eine andere Sichtweise verkenne, dass zwischen dem Verhältnis Anwalt/Mandant und Mandant/Rechtsschutzversicherung zu unterscheiden sei, obwohl diese Unterscheidung in der Praxis durch die Kommunikation Anwalt/Rechtsschutzversicherung häufig verwischt sei.
- Der Rechtsschutzversicherer sei jedoch weder Erfüllungsgehilfe noch Vertreter des Mandanten.
- Deshalb verbiete es sich auch, die Deckungszusage mit dem Einverständnis des Mandanten mit dem Prozess gleichzusetzen.
(OLG Köln, Urteil v. 23.05.2019, 24 U 124/18)
Praxishinweis:
Über einen anderen Fall hatte das OLG Celle (Beschluss v. 5.07.2010, 3 U 83/10) zu entscheiden: Hier wurde der Rechtsschutzversicherer über die mangelnden Erfolgsaussichten unterrichtet und hätte daher den Deckungsschutz verweigern können, was dieser jedoch nicht getan hatte. Durch die Deckungszusage sei somit auch gegenüber dem Rechtsanwalt ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, so dass dieser davon ausgehen konnte, dass der Versicherer die entstehenden Kosten übernehmen werde, entschied hier das Gericht.
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