Supercrash der Kundinnen im Supermarkt
Was zunächst harmlos klingt, führte zu einer erbitterten gerichtlichen Auseinandersetzung. Eine Kundin bewegte sich in einem Supermarkt in Dortmund zwischen den Regalen, als ihr eine Mitarbeiterin des Supermarkts mit einer Fahrvorrichtung (so genannte „Ameise“) entgegenkam, mit der diese eine Palette durch einen nicht allzu breiten Gang bewegte. Die Kundin wollte ihr ausweichen und machte zu diesem Zweck einen Schritt rückwärts, allerdings ohne zuvor den Blick nach hinten zu wenden. Unglücklicherweise kam aus dem Seitengang just zu diesem Zeitpunkt eine zweite Kundin, mit der die rückwärtsgehende Kundin zusammenprallte.
Crash mit schweren Verletzungsfolgen
Die Kundin aus dem Seitengang kam hierdurch zu Fall und erlitt einen Bruch des Ellenbogens, der einen operativen Eingriff erforderlich machte. Gegenüber der Rückwärtsgeherin verlangte sie aufgrund des Vorfalls Schmerzensgeld und Schadenersatz. Deren Haftpflichtversicherung zahlte an die Anspruchstellerin einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.800 Euro. Dies war der Antragstellerin nicht genug, sie verlangte weiteren Schadensersatz sowie ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 9.700 Euro und machte diesen Anspruch gerichtlich anhängig. Daneben beantragte sie die Feststellung, dass die Schadensverursacherin verpflichtet sei, ihr auch durch den Unfall zukünftig noch entstehende Spätschäden zu ersetzen.
Besondere Sorgfaltspflichten in den Gängen eines Supermarktes
Das LG und das in zweiter Instanz zuständige OLG hatten sich somit mit der Frage zu befassen, welche Sorgfaltspflichten Kunden beim Begehen eines Supermarktes zu beachten haben und wer an einem solchen Zusammenprall von Personen Schuld ist.
Das OLG beschäftigte sich zunächst mit dem Verhalten der Rückwärtsgeherin und bewertete den Rückwärtsschritt ohne vorherige Vergewisserung, ob der Gang hinter ihr frei war, als nicht sozialadäquates Verhalten. In einem Supermarkt bestehe wegen des dort geschäftigen Treibens immer die Kollisionsgefahr mit anderen Kunden oder mit von diesen benutzten Einkaufswagen.
Erst der Blick nach hinten, dann der Rückwärtsgang
Ein verständiger Kunde dürfe sich daher nicht rückwärts bewegen, ohne sich vorher durch einen rückwärtigen Blick - ähnlich dem Blick eines Autofahrers in den Rückspiegel - darüber zu vergewissern, dass die Rückwärtsbewegung gefahrlos möglich ist. Wer dennoch ohne diese Vorsichtsmaßnahme einen Schritt nach hinten mache und die Möglichkeit von Hindernissen nicht in Betracht ziehe, der handle sorgfaltswidrig und damit schuldhaft. Dies bedeutete nach Auffassung des OLG aber nicht, dass die Rückwärtsgeherin damit das alleinige Verschulden traf.
Auch wer vorwärts geht muss aufpassen
Nach Auffassung des Senats hatte auch die Klägerin ihre Sorgfaltspflichten verletzt. Sie habe sich der anderen Kundin unangemessen auf eine zu geringe Distanz genähert, denn nur durch die Außerachtlassung des gebotenen Individualabstandes habe es dazu kommen können, dass bereits ein Schritt zurück zu dem Zusammenprall der Personen habe führen können. Auch wer vorwärts geht, müsse damit rechnen, dass andere Kunden Bewegungen machten, die zu einer Verringerung der Distanz zwischen den Personen führe. Auch die Klägerin habe also beim Vorwärtslaufen nicht die von einem umsichtigen Supermarkt-Kunden zu erwartende Sorgfalt beachtet.
An dem Crash hatten beide Kundinnen Schuld
Die wechselseitigen Sorgfaltspflichtverstöße bewertete das OLG mit einem Verschuldensanteil von jeweils 50 %. Unter Berücksichtigung des hälftigen Verschuldens stand der Klägerin nach Auffassung des Senats ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 Euro sowie der Ersatz eines Haushaltsführungsschadens in Höhe von 500 Euro zu. Da die Klägerin vorgerichtlich bereits 2.800 Euro erhalten hatte, war ihr Anspruch bereits überzahlt. Ihre weitergehende Zahlungsklage wies das Gericht daher ab. Allerdings gab das Gericht dem Feststellungsantrag hinsichtlich möglicherweise zukünftig noch eintretender Schäden auf der Grundlage des hälftigen Mitverschuldens teilweise statt.
Fazit: Augen auf im Supermarkt! Rückwärtsgehen, seitlich abbiegen, im Gang wenden - das alles ist auch im Supermarkt mit Gefahren verbunden. Wenn auch im Geschäftsinneren - anders als meist draußen auf dem Parkplatz - nicht die StVO gilt, so bestehen doch wechselseitige Sorgfaltspflichten, die jeder Kunde im eigenen und gegenseitigen Interesse beachten sollte.
(OLG Hamm, Urteil v. 6.6.2016, 6 U 203/15)
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