Wasserpreise in Mainz mehrfach zu hoch - Schadensersatzansprüche?
Das Kartellrecht bekämpft den Missbrauch von Marktmacht: Das Bundeskartellamt (BKartA) hatte die Mainzer Wasserversorger schon länger im Visier. Bereits im Jahr 2003 überprüfte es die angesetzten Preise auf eine missbräuchliche Überhöhung.
Trinkwasser in Mainz war bereits 2003 zu teuer
Das Unternehmen, das zu dieser Zeit für die Wasserversorgung verantwortlich war,
- senkte in der Folge ihren Wassergrundpreis und
- verpflichtete sich gegenüber dem BKartA,
- diesen Preis bis zum Ende des Jahres 2009 stabil zu halten.
So kam es aus dem Kartellrechtsverfahren heraus. Die Preise wurden auch nach 2009 nicht erhöht. Seit dem 1. November 2011 ist ein anderes Unternehmen für die Wasserversorgung im Versorgungsbereich der Stadt Mainz zuständig.
Weitere Preissenkung 2013 als Folge eines weiteren Untersuchungsverfahrens
Ende des Jahres 2011 folgte ein weiteres Verfahren des Bundeskartellamtes wegen missbräuchlich überhöhter Wasserpreise. Auslöser war ein anderes Wasserpreisverfahren gegen die Berliner Wasserbetriebe.
- Im Rahmen der Ermittlungen in jenem Verfahren wurden die Preis-Daten zu den 38 größten deutschen Städten mit über 200.000 Einwohnern erhoben.
- Die Wasserkosten von Mainz wurden dabei zwar nicht untersucht, da die Stadt größenmäßig erst an 39. Stelle rangiert.
- Die Recherche gab dem BKartA dennoch mehr als genug Anlass, die hohen Beträge, die die Kunden für Wasser zahlen mussten zu kritisieren.
Sie lagen im Vergleich zu den Preisen in den sondierten Städten deutlich über dem Durchschnitt, nämlich rund 24 %. Der Mainzer Ausbrecher nach oben wurde noch auffälliger bei Betrachtung nur der westdeutschen Städte (Berlin ausgenommen). Resultat dieser Untersuchung war wiederum eine Einigung zwischen BKartA und dem Wasserversorger von Mainz. Dieses Mal verpflichtete sich der Trinkwasserzulieferer
- seine Preise um 15 % zu senken, und zwar
- verbindlich und fest für den Zeitraum von sieben Jahren, 2013 bis 2019.
Im Gegenzug stellte das BKartA auch dieses Mal das Verfahren ein.
Schadensersatzklage bezogen auf die Jahre 2011 und 2012
Ein Rechtsanwalt, der mit seiner Familie in Mainz lebt, hatte all diese Vorgänge verfolgt und zog schließlich vor Gericht. Die aus seiner Sicht in der Vergangenheit zu viel gezahlten Gelder für das bezogene Trinkwasser forderte er als Schadensersatz zurück. Insgesamt verlangte er
- für die Kalenderjahre 2011 und 2012 127,76 EUR als Mindestbetrag.
- Außerdem strebte er Schadensersatz für die sechs davorliegenden Jahre an.
- Da er aber die Rechnungen nicht mehr fand, klagte er insoweit erst mal auf Auskunft.
Mainzer Wasserversorger nutzten marktbeherrschende Stellung aus
Das Landgericht Mainz sah eine missbräuchliche Preisgestaltung nicht bzw. fand sie nicht hinreichend vom Kläger dargelegt. Vor dem OLG Koblenz sah die Sache dann etwas anders aus. Die entscheidenden Richter sprachen dem Rechtsanwalt für 2 Jahre knapp 100 EUR zu (Schadensersatz gem. §§ 33 Abs. 3 S.1, Abs.1 S.1, 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F.). Sie warfen den Wasserversorgungsbetrieben vor,
- ihre marktbeherrschende Stellung ausgenutzt zu haben.
- In einer Wettbewerbssituation mit Konkurrenzunternehmen hätten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit niedrigere Preise ergeben.
- Dies zeigten die auffälligen Ausreißer nach oben im Vergleich zu den 38 größeren Städten.
Bei der Berechnung des dem Rechtsanwalt zugesprochenen Schadens legte das OLG Koblenz die 15%ige Preissenkung ab 2013 zu Grunde und nahmen einen weiteren Sicherheitsabschlag von 15 % vor. Den Auskunftsanspruch bejahte das Gericht nur für das Jahr 2010. Hierfür kann sich somit ein weiterer Rückzahlungsbetrag ergeben. Hinsichtlich der weitergehenden Klage hat der Senat die Berufung jedoch zurückgewiesen.
(OLG Koblenz, Urteil v. 23.8.2018, U 311/17 Kart).
Hintergrund:
Das Problem ist kein Einzelfall. Die Kartellbehörden sehen sich allerdings nicht in der Lage, der gesamten Wasserbranche auf die Finger zu schauen: Viele öffentliche Versorger verlangen von ihren Kunden keine Preise mehr, sondern Gebühren. Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2013 darf das Kartellamt aber keine Missbrauchsaufsicht mehr über Gebühren vornehmen. Dafür ist die Kommunalaufsicht der Länder zuständig.
- Der BGH stellte in einem Verfahren klar, dass die Schwelle zum Einschreiten für die Kartellwächter schon bei einer 3%-igen Überhöhung der Preise 7,5 % liegt.
- Außerdem wies der BGH darauf hin, dass die Kostenkontrolle durch die Kartellbehörde anhand der Preisbildungsfaktoren aufgrund der einschlägigen und gegebenenfalls auch weiter zu entwickelnden ökonomischen allgemeinen Theorien erfolgen könne (BGH, Beschluss vom 14.7.2015, KVR 77/13).
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