BGH zur rechtlichen Einheit zwischen Anteilsübertragung und Treuhandvertrag
Hintergrund
Dem BGH lag ein recht komplizierter Sachverhalt zur Entscheidung vor: Die Klägerin, eine GmbH, war durch einen Treuhänder errichtet worden, der den Geschäftsanteil für einen Treugeber hielt, der wiederum auch Geschäftsführer der GmbH war. In der Folge übertrug der Treugeber drei Grundstücke auf die GmbH. Als der Treuhänder in gesundheitliche Schwierigkeiten geriet, bat der Treugeber seinen Steuerberater, den Geschäftsanteil von dem bisherigen Treuhänder zu übernehmen und diesen fürderhin treuhänderisch für ihn, seinen Mandanten als Treugeber, zu halten.
Bei der notariellen Beurkundung der Übertragung des Geschäftsanteils auf den Steuerberater war der Treugeber auch zugegen. Der beklagte Notar wies darauf hin, dass der Treuhandvertrag zwischen dem Treugeber und dem Steuerberater ebenfalls beurkundet werden müsse. Der Treugeber betonte jedoch, auch der Vertrag mit dem bisherigen Treuhänder sei nicht beurkundet gewesen. Aufgrund der jahrelangen Zusammenarbeit vertraue er seinem Steuerberater, man verzichte daher auf die Beurkundung.
Kurz nach der Übertragung des Geschäftsanteils auf ihn bestellte sich der Steuerberater zum Geschäftsführer der Klägerin und übertrug die drei Grundstücke an seine Ehefrau. Daraufhin fochten der Treugeber, die Klägerin und der alte Treuhänder sowohl die Übertragung der Grundstücke an die Ehefrau als auch die Übertragung des Geschäftsanteils auf den Steuerberater wegen arglistiger Täuschung an. Die Klägerin verlangt nun von dem Urkundsnotar die Kosten, die ihr durch die Rechtsverfolgung gegen den Steuerberater und seine Ehefrau entstanden sind. Sie ist der Auffassung, der Notar habe auf der Beurkundung der Treuhandabrede bestehen oder sich weigern müssen, die Anteilsübertragung zu beurkunden.
Urteil des BGH v. 22.9.2016 – III ZR 427/15
Der BGH hat sich der Einschätzung des Berufungsgerichts angeschlossen und eine Amtshaftung des beklagten Notars verneint. Eine Amtspflicht habe dieser nämlich nicht verletzt. Zwar dürfe ein Notar nicht sehenden Auges ein nichtiges Geschäft beurkunden; die Übertragung des Geschäftsanteils sei jedoch nicht nichtig. Die Treuhandabrede zwischen dem Treugeber und seinem Steuerberater sei zwar formnichtig, da sie nicht ebenfalls beurkundet wurde. Dies lasse die Wirksamkeit der Anteilsübertragung jedoch unberührt, da die beiden Geschäfte – Anteilsübertragung und Treuhandabrede – wohl eine wirtschaftliche, nicht aber eine rechtliche Einheit bildeten. Eine solche sei nur anzunehmen, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt sei, die äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte also miteinander stehen und fallen sollen. Das Berufungsgericht habe eine solche rechtliche Einheit widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze nicht angenommen. Trotz des Hinweises des Beklagten hätten die Parteien auf eine Beurkundung der Treuhandabrede verzichtet. Das rechtfertige den Schluss, dass sie eine rechtliche Einheit nicht beabsichtigten.
Anmerkung
Die Ausführungen des BGH zur (fehlenden) rechtlichen Einheit der beiden Verträge überzeugen. Viele Verträge werden mit Blick auf einen anderen Vertrag geschlossen. Die beiden Verträge bilden dann eine wirtschaftliche Einheit. Wird z.B. eine Kücheneinrichtung in Erwartung des Abschlusses eines Wohnungsmietvertrags vom Vormieter gekauft und scheitert dann die Vermietung am Unwillen des Vermieters, ist damit nicht automatisch der Kaufvertrag hinsichtlich der Küche hinfällig. Sofern die Vertragsparteien jedoch das Schicksal der Verträge voneinander abhängig machen wollen, können zwei rechtlich an sich selbständige Geschäfte zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft verbunden werden. Eine ausdrückliche Regelung ist dafür nicht erforderlich, es genügt, wenn die Vertragsparteien mit sog. Einheitlichkeitswillen handeln. Das kann bei mehreren Verträgen zwischen denselben Vertragsparteien ebenso wie bei Verträgen einer Partei mit jeweils unterschiedlichen Vertragspartnern der Fall sein. Ergibt die Auslegung, dass mehrere Verträge ein einheitliches Rechtsgeschäft bilden, so führt die Nichtigkeit des einen auch zur Nichtigkeit des anderen Vertrags. Im entschiedenen Fall konnten die Gerichte aufgrund der eindeutigen Äußerungen des Treugebers allerdings davon ausgehen, dass eine derartige Einheitlichkeit zwischen der beurkundeten Anteilsübertragung und der formnichtigen Treuhandabrede tatsächlich nicht gewollt war.
Die Frage nach der rechtlichen Einheit der beiden Verträge war jedoch in die Frage eingebettet, ob der beurkundende Notar eine Amtspflicht verletzt hat. Das hat der BGH verneint, was jedoch nur „die halbe Wahrheit“ ist. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Notar nur darüber belehrt, dass auch der Treuhandvertrag hätte beurkundet werden müsse. Der Notar hätte jedoch auch darüber aufklären müssen, dass die Formnichtigkeit des Treuhandvertrags Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Übertragung haben könnte, wenn die beiden Verträge nach dem Willen der Parteien eine Einheit bilden. Hätte das Gericht eben das nämlich später festgestellt, wäre die Anteilsübertragung trotz notarieller Beurkundung nichtig gewesen. Ohne eine vollständige Aufklärung über die rechtliche Tragweite des beurkundeten Geschäfts kann der Notar jedoch auch nicht den „wahren“ Willen der beteiligten erforschen – wie es seine gesetzliche Pflicht ist. Mit anderen Worten: Es ist nicht auszuschließen, dass die Beteiligten sich für eine Beurkundung auch des Treuhandvertrags entschieden hätten, wenn der Notar sie über die Möglichkeit bzw. die Gefahr einer rechtlichen Einheit mit dem Anteilsübertragungsvertrag belehrt hätte.
Der gesamte Rechtsstreit hätte vermutlich vermieden werden können, wenn der Notar in der Urkunde zur Anteilsübertragung vermerkt hätte, dass die Übertragung nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien keine rechtliche Einheit mit einer etwaigen sonstigen Abrede des Steuerberaters als Übertragungsempfängers bilden sollte. Dies generell bei der Formulierung von Verträgen zu beachten, die einer notariellen Beurkundung bedürfen und nur wirtschaftlich aber nicht rechtlich mit anderen Verträge verbunden ein sollen, ist ratsam, wenn nicht die Wirksamkeit des Vertrages allein von der tatrichterlichen Einschätzung der Umstände des Einzelfalls abhängen soll.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Jan Barth, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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