Beurkundung von Hauptversammlungsprotokollen

Werden in einer einheitlichen Hauptversammlung mehrere Beschlüsse gefasst, von denen nur einzelne Beschlüsse notariell protokolliert werden müssen, ist keine notarielle Protokollierung der gesamten Hauptversammlung erforderlich. Bei den übrigen Beschlüssen genügt eine Niederschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Hintergrund

Die Beklagte ist eine nichtbörsennotierte Aktiengesellschaft. Im August 2008 fand eine Hauptversammlung statt, in deren Rahmen über insgesamt acht Tagesordnungspunkte entschieden wurde. Bis zur Beschlussfassung des Tagesordnungspunktes 4 (Satzungsänderung) war ein Notar anwesend. Dieser fertigte eine Niederschrift über die bis dahin gefassten Beschlüsse. Zugleich wurde ein Protokoll über die gesamte Hauptversammlung vom Aufsichtsratsvorsitzenden gefertigt und unterzeichnet.

Die klagende Aktionärin machte unter anderem geltend, die Aufteilung der Hauptversammlung in einen beurkundeten und einen nicht beurkundeten Teil verstoße gegen die Beurkundungspflicht. Das Aktiengesetz erlaube nur ein einheitliches Protokoll, mehrere Protokolle führten zu Auslegungsschwierigkeiten. Das LG Mühlhausen gab der Klage statt, die Berufung der Beklagten wurde vom Thüringer OLG zurückgewiesen. Der BGH hatte nun über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des OLG zu entscheiden.

BGH, Urteil v. 19.5.2015, II ZR 176/14

Die Revision der Beklagten hatte in diesen Punkten Erfolg. Der BGH hat entscheiden, dass eine einheitliche Beurkundung nicht nötig sei. Die Auslegung des Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers, vor allem die nicht börsennotierte AG für Mittelständler attraktiv zu machen, ergebe eine solche Zulässigkeit. Unklarheiten und Widersprüche, die bei zwei getrennten Niederschriften auftreten könnten, seien auch bei – unstreitig zulässigen – Beurkundungen durch mehrere Notare auftreten. Solche Unklarheiten resultierten nicht aus der Tatsache unterschiedlicher Urkunden, sondern vielmehr aus einer mangelhaften Protokollierung.

Anmerkung

Der BGH folgt hiermit nicht der herrschenden Meinung, sondern gibt gute Gründe für seine Entscheidung an. Das Urteil des BGH führt vor allem zu Kosteneinsparungen bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften. Denn nach § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG ist für börsennotierte Aktiengesellschaften ohnehin die notarielle Beurkundung der Hauptversammlung vorgeschrieben.

Der Anwesenheit eines Notars bei Hauptversammlungen nichtbörsennotierter Aktiengesellschaften bedarf es künftig nur noch für solche Beschlüsse, für die das Gesetz eine Beurkundung vorschreibt. Dies betrifft nach § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG alle Beschlüsse, die mindestens mit einer Dreiviertelmehrheit zu fassen sind, insbesondere  Beschlüsse über Satzungsänderungen und Kapitalmaßnahmen, Zustimmungen zu Unternehmensverträgen, Zustimmungen zu (Teil-)Verkäufen des Unternehmens, Umwandlungen und die Auflösung. Der Beschluss über die Entlastung von Vorständen und Aufsichtsräten kann – ebenso wie der Gewinnverwendungsbeschluss - separat ohne Notar gefasst werden; dadurch reduzieren sich – abhängig vom Wert der Beschlüsse - die Notarkosten.

Praxistipp

Insoweit nähert sich die Beurkundungspflicht der Hauptversammlungen nicht börsennotierter AGs der Rechtslage bei der GmbH an. Der wesentliche Unterschied der AG gegenüber der GmbH bleibt aber, dass Aktien ohne notarielle Beurkundung übertragen werden können und der Vorstand einer AG eine sehr viel stärkere Position hat als der Geschäftsführer einer GmbH.

Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer, Dr. Jan Henning Martens, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg


Schlagworte zum Thema:  Notar, Notarielle Beurkundung, Aktiengesellschaft