Unfall beim Abschleppen – wann muss die Versicherung zahlen?
Ein Mann bleibt mit seinem Oldtimer-Ferrari (Erstzulassung 1978) wegen eines technischen Defekts auf einer Landstraße liegen. Er lässt sich von seinem erst 18 Jahre alten Sohn abschleppen.
Auf eigener Spur entgegenkommender Motorradfahrer
Nach Angaben des gegen die Kfz-Versicherung klagenden Ferrari-Fahrers musste sein Sohn wegen eines auf der eigenen Spur entgegenkommenden Motorradfahrers stark abbremsen. Folge: Der im Schlepp befindliche Oldtimer-Besitzer fuhr mit seinem Ferrari auf den Audi seines Sohnes auf. Kurz darauf sei der Sohn angefahren und habe nochmals stark abgebremst, wodurch es zu einer weiteren Kollision gekommen sei.
Ferrari-Fahrer forderte Versicherungsschutz für Totalschaden
Der Ferrari erlitt einen Totalschaden. Von seiner Kfz-Versicherung verlangte der Mann den Ersatz des Schadens in Höhe von 35.000 Euro (Wiederbeschaffungswert 42.000 Euro minus Restwert in Höhe von 7.000 Euro).
Versicherung verweist auf Ausschlussklausel in Bedingungen
Die beklagte Versicherung weigerte sich, den Schaden zu ersetzen. Der Unfallhergang sei nicht nachvollziehbar. Zudem müsse sie nicht für den Schaden aufkommen, weil gemäß A.2.3.2 der vereinbarten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung gelte:
- es sind nur Unfallschäden versichert
- bei Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug handelt es sich nicht um Unfallschäden
OLG: Schaden von Versicherungsbedingungen nicht gedeckt
Das LG München hatte schon die Klage des Ferrari-Fahrers abgewiesen. Und auch das OLG München kam zu der Einschätzung, dass der Schaden von den Versicherungsbedingungen nicht gedeckt ist. Konkret begründete das Gericht seine Entscheidung so:
- zwar falle gemäß Versicherungsbedingungen nicht per se jeder Schaden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug unter den Ausschlusstatbestand, sondern nur ein solcher „ohne Einwirkung von außen“
- die Beklagte als Versicherung müsse auch die Voraussetzungen dieser Ausschlussklausel beweisen
- der Senat konnte sich aber nicht davon überzeugen, dass der Schaden durch eine derartige Einwirkung von außen mitverursacht wurde
- denn den Kläger treffe die sekundäre Darlegungslast für eine derartige Einwirkung von außen und dieser sei er nicht nachgekommen
Nach Einschätzung des Gerichts reicht es nicht aus, dass ein Versicherungsnehmer pauschal behauptet, er habe wegen eines auf der eigenen Fahrspur entgegenkommenden Fahrzeugs eine Vollbremsung hinlegen müssen.
Objektive Anhaltspunkte für Einwirkung von außen nötig
Der Geschädigte müsse objektive Anhaltspunkte liefern – beispielsweise Lack-, Schleuder-, Fahr- oder andere Spuren, die darauf schließen lassen, dass ein anderes Fahrzeug beteiligt war. Es sei denn, die Darstellung des Geschädigten ist derart zwingend, dass das Gericht zu der Überzeugung kommt, dass es gar nicht anders gewesen sein kann. Andernfalls sei der Missbrauch vorprogrammiert.
Denn ein Haftungsausschluss zwischen den beiden Parteien, so wie in den Versicherungsbedingungen formuliert, würde ins Leere laufen, wenn es ausreiche, dass der Versicherungsnehmer pauschal und ohne genauere Umstände die Beteiligung eines anderen Fahrzeugs behaupten dürfe.
Der Versicherung würde dann jede Verteidigungsmöglichkeit genommen, nachzuweisen, dass der behauptete Einfluss von außen nicht kausal für das unfallauslösende Verhalten eines der beiden Fahrzeuglenker war.
(OLG München, Urteil v. 24.03.2017, 10 U 3749/16).
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Hintergrund
Von der Vollversicherung sind durch Kfz-Versicherungsbedingungen regelmäßig solche Schäden erfasst, die durch einen Unfall, d.h.
„durch ein unvorhergesehenes, unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis“
verursacht werden.
„Betriebsschäden“ werden von dem Versicherungsschutz ausgenommen.
Darüber hinaus gilt regelmäßig:
„nicht versichert sind insbesondere gegenseitige Schäden zwischen ziehenden und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen ...“.
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