Einlageleistung bei Kapitalgesellschaften
Hintergrund
In Gesellschaftsverträgen von Kapitalgesellschaften wird häufig vereinbart, dass eine Bareinlage sofort und in voller Höhe an die Gesellschaft zu leisten ist. Das geht über die gesetzlichen Mindesteinlageverpflichtungen hinaus, die
- bei der GmbH (§ 7 GmbHG) vorsehen, dass (i) Sacheinlagen sofort und vollständig und (ii) Bareinlagen zur Hälfte des Mindeststammkapitals von 25.000 EUR erbracht werden müssen, wobei auf jeden Geschäftsanteil mindestens ein Viertel des Nennbetrages entfallen muss;
- bei der AG (§ 36a AktG) vorsehen, dass (i) Sacheinlagen sofort und in vollständig, (ii) Bareinlagen zu einem Viertel des geringsten Ausgabebetrags und (iii) ein Agio in voller Höhe eingebracht werden müssen.
Der Beschluss des OLG Stuttgart vom 13.07.2011 (8 W 252/11)
Der Geschäftsführer hatte im Fall des OLG Stuttgart in der Handelsregisteranmeldung der Gesellschaft lediglich versichert, die Hälfte der Einlage sei erbracht worden, obwohl laut Gesellschaftsvertrag die Bareinlage sofort in voller Höhe zu erbringen war. Das Handelsregister verweigerte die Eintragung unter Hinweis darauf, der Gesellschaftsvertrag müsse auf die Erbringung der Hälfte der Einlage korrigiert werden.
In Übereinstimmung mit der Literatur entschied das OLG Stuttgart, dass das Registergericht gemäß §§ 9c Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 2 GmbHG nur zu prüfen habe, ob die gesetzlich bei Gründung vorgeschriebene Mindesteinlage erbracht sei. Daher komme es nicht darauf an, welche darüber hinausgehenden Zahlungspflichten im Gesellschaftsvertrag vereinbart seien. Dies gilt bei der GmbH nicht nur für ein Agio, sondern auch (bei der AG nur) für über die gesetzliche Mindesteinlageleistung hinausgehende Einzahlungen auf das Stammkapital (bei der AG, das Grundkapital).
Anmerkung
Der Fall ist eher ungewöhnlich, stimmen doch regelmäßig die Regelungen im Gesellschaftsvertrag und die Erklärungen der Handelsregisteranmeldung überein. Dies sollte (allein zur Vermeidung ggf. langwieriger Zwischenverfügungen durch das Handelsregister) auch stets so sein.
Zutreffend beschränkt das OLG Stuttgart die Prüfungsbefugnis der Handelsregister auf den gesetzlichen Zweck, die Erfüllung der gläubigerschützenden, gesetzlichen Mindesteinlageverpflichtungen sicherzustellen. Und dazu gehört bei der GmbH die Aufbringung des Agios nicht.
Darüber hinaus gibt die Entscheidung Anlass darauf hinzuweisen, dass bei der Vereinbarung von Einlageverpflichtungen bei Kapitalgesellschaften Verschiedenes zu beachten ist:
- Das „echte“ (korporative) Agio ist bei der AG einem sehr viel höheren Schutz unterworfen, als bei der GmbH. Nicht nur muss es bei der AG zwingend sofort und in voller Höhe vor Eintragung der Gründung / Kapitalerhöhung eingezahlt werden (§ 36a AktG), sondern es darf auch nicht mehr an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Es kann vielmehr nur zur Verrechnung mit Verlusten / Verlustvorträgen oder Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln verwandt werden (§ 150 AktG). Bei der GmbH hingegen schützen §§ 30, 31 GmbHG nur das Stammkapital, so dass ein bei Gründung / Kapitalgesellschaft eingezahltes Agio wieder an die Gesellschafter ausgeschüttet werden kann.
- Durch Vereinbarung eines „unechten“ (schuldrechtlichen) Agios, das eine Einzahlung in die sonstigen Rücklagen gemäß § 272, Abs. 2 Nr. 4 HGB darstellt, ist es nach zutreffender Auffassung auch bei der AG möglich, Eigenkapital zu schaffen, das an die Aktionäre wieder ausgeschüttet werden kann. Auch bei der GmbH hat das schuldrechtliche Agio Vorteile, z.B. die Vermeidung der Angabe in der beim Handelsregister einzureichenden Übernahmeerklärung.
- Die Regelungen zur verdeckten Sacheinlage gelten nur die Einzahlungen auf das Stamm- / Grundkapital, nicht jedoch für das schuldrechtliche Agio (BGH v. 15.10.2007, II ZR 249/06).
- Für die Einforderung noch offener Einlagen (egal ob auf Stamm- / Grundkapital) ist bei der AG der Vorstand zuständig (§ 63 AktG) und bei der GmbH die Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 2 GmbHG). In der Insolvenz geht das Einforderungsrecht jedoch auf den Insolvenzverwalter über, ohne dass es eines Gesellschafterbeschlusses bedarf BGH v. 15.10.2007, II ZR 216/06).
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel und Jan Henning Martens, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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