Entschärfung der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe

Der BGH hat in einem erst kürzlich veröffentlichten Hinweisbeschluss klargestellt, dass die sogenannte Existenzvernichtungshaftung nicht immer automatisch eingreift, wenn gegen die Eigenkapitalersatzvorschriften verstoßen wird. Dennoch reduziert sich das Haftungsrisiko der Geschäftsführer und Gesellschafter durch diese Entscheidung nicht. 

Hintergrund

Vereinfacht dargestellt, klagte ein Insolvenzverwalter gegen einen vor ihm tätigen Insolvenzverwalter (Beklagter zu 1) auf Rückzahlung von Pachtzahlungen an die Verpächterin (Beklagte zu 2). Der Beklagte zu 1 war von der an sich einschlägigen Haftung nach den §§ 30, 31 GmbHG zwar als Insolvenzverwalter befreit, da nur die §§ 60, 61 InsO gelten. Der Beklagte zu 1 hafte aber – so die Klage -  auch nach § 826 BGB wegen existenzvernichtenden Eingriffs und die Verpächterin (Beklagte zu 2) als Teilnehmerin der Existenzvernichtungshaftung nach § 830 Abs. 2 BGB.

BGH, Beschluss v. 15.9.2014, II ZR 442/13

Der BGH weist darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs streng zu handhaben sind. Aus dem grundlegenden Urteil „Trihotel“ ergäben sich folgende Fallgruppen:

Zum einen greife die Existenzvernichtungshaftung dann ein, wenn das Schutzsystem der §§ 30, 31 GmbHG versage. Zum anderen sei die Existenzvernichtungshaftung einschlägig, um eine sittenwidrige (da insolvenzverursachende oder -vertiefende) Selbstbedienung des Gesellschafters zu verhindern. Außerdem bedürfe es immer der Prüfung der Sittenwidrigkeit.     

Anmerkung

Es ist zu begrüßen, dass der BGH die schwierige Rechtsfigur der Existenzvernichtung durch seinen Hinweisbeschluss einschränkt. Für die Gesellschafter hat dies zwar keine Bedeutung, weil sie entweder nach den §§ 30, 31 GmbHG oder eben nach den Grundsätzen der Existenzvernichtung für Zahlungen in der Krise oder in der Insolvenz der Gesellschaft haften, sofern die Sittenwidrigkeit nachgewiesen werden kann. Bedeutsam ist es die Entscheidung aber für außenstehende Dritte, die im Falle der Existenzvernichtung als Teilnehmer nach § 830 BGB mithaften würden, nicht aber nach den §§ 30, 31 GmbHG.

Praxistipp

Gläubigern von in der Krise befindlichen Gesellschaften und deren Gesellschaftern ist zu raten, die Motive für das Zahlungsverlangen zu dokumentieren. Bei Austauschverträgen kann – jedenfalls außerhalb der insolvenzrechtlichen Anfechtungsfristen oder bei Erfüllung der Voraussetzungen eines Bargeschäfts – regelmäßig eine Rückzahlungspflicht der Dritten vermieden werden.

Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Jan Henning Martens, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg