BGH zu fehlerhaft dargestellter, aber richtig verstandener Widerrufsbelehrung
Laut BGH ist bei einer fehlerhafte Widerrufsbelehrung bei Präsenzgeschäften das richtiges Verständnis des Darlehensnehmers unerheblich.
Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen
Die Parteien schlossen im Jahr 2006 zur Finanzierung einer Immobilie einen Verbraucherdarlehensvertrag über 106.000 EUR mit einer Laufzeit von 10 Jahren.
Der Vertrag wurde im Rahmen eines sog. Präsenzgeschäftes, also in Anwesenheit eines Mitarbeiters der Bank sowie der Kläger, gemeinsam unterschrieben.
Ihm war folgende Widerrufsbelehrung beigefügt: „Der Lauf der Frist beginnt einen Tag, nachdem Ihnen
- eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung und
- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags
zur Verfügung gestellt wurden.“
Aufhebungsvertrag und Vorfälligkeitsentschädigungszahlung unter Vorbehalt
Nachdem die Kläger die Immobilie im Jahr 2014 verkaufen und das Darlehen vorzeitig ablösen wollten, sollten sie eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von knapp 4.600 EUR entrichten.
- Diese zahlten sie vorbehaltlich einer Überprüfung des Darlehensvertrags
- einschließlich der Widerrufsbelehrung,
- widerriefen jedoch kurz darauf ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.
Vorinstanz muss noch Verstoß gegen Treu und Glauben prüfen
Nach Auffassung des BGH war die Widerrufsbelehrung in Textform unzureichend deutlich formuliert, da sie so verstanden werden könne, dass die Widerrufsfrist unabhängig von der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu laufen beginne.
- Hierbei komme es auch nicht darauf an, dass der Verbraucher die Belehrung stillschweigend richtig verstanden habe.
- Der Verbraucher war hier zwingend in Textform über den Fristenlauf zu belehren, so dass grundsätzlich auch nach Jahren noch ein Widerruf möglich ist.
Die Karlsruher Richter haben die Sache an das Landgericht zurückverwiesen, welches nun unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH noch zu prüfen hat, ob die Kläger mit der Ausübung des Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben verstoßen haben.
(BGH, Urteil v. 21.02.2017, XI ZR 381/16).
Weitere News zum Thema Widerruf:
BGH zur Dauer des Rechts auf Darlehenswiderruf
Der Widerrufsjoker ist wieder im Spiel
Wirksamkeit eines Widerrufs eines Immobiliendarlehen
Hintergrund: In der Vergangenheit hat der BGH mehrere Widerrufsbelehrungen aus inhaltlichen Gründen für ungültig erklärt. Inzwischen haben die Verbraucher den Widerruf bei ganz „normalen“ Immobilienfinanzierungen als Mittel entdeckt, die Finanzierungskosten mithilfe eines Kreditwiderrufs und einer Neufinanzierung zu den jetzt wesentlich günstigeren Kreditmarktbedingungen deutlich zu senken.
Für zahlreiche Darlehensverträge aus den Jahren 2002 bis 2010 hat dies zur Folge, dass den Darlehensnehmern ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht zustand. Das „ewige Widerrufsrecht“ für diese Altverträge endete allerdings am 21.6.2016.
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.172
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7342
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.635
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.613
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.471
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.400
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.368
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.305
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.136
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0461
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024
-
Handelsregistervollmachten – Anforderungen und Umgang bei Rückfragen des Handelsregisters
12.11.2024
-
Datenschutzbehörden müssen nicht zwingend Sanktionen verhängen
07.11.2024
-
Typisch stille Beteiligung an Kapitalgesellschaften – Unterschiede zwischen GmbH und AG
06.11.2024
-
Bundesnetzagentur wird nationale Marktüberwachungsbehörde bei der KI-Aufsicht
05.11.2024
-
Neue Bundesverordnung zur „Cookie-Einwilligung“
31.10.2024
-
Zahl der Datenschutz-Bußgeldverfahren steigt
24.10.2024
-
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich
23.10.2024
-
Fernmeldegeheimnis gilt nicht für private E-Mails und Telefonate am Arbeitsplatz
17.10.2024
-
Wirecard: Geschädigte Aktionäre sind keine nachrangigen Gläubiger!
16.10.2024