Anforderungen an die gerichtliche Bestellung eines Liquidators
Hintergrund
Unmittelbar nach Veräußerung einer 50%-Beteiligung an einer GmbH kam es zwischen Verkäuferin und Erwerberin, beide ebenfalls Gesellschaften, zum Streit. Daraufhin fasste die Verkäuferin ohne Beteiligung der Erwerberin einen „Gesellschafterbeschluss“ über die Liquidation der GmbH. Zum alleinigen Liquidator „bestellte“ sie ihren Gesellschafter-Geschäftsführer, der sodann als Teil der Liquidationsmaßnahmen das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen der GmbH an eine Gesellschaft veräußerte, deren Alleingesellschafterin und -geschäftsführerin seine Ehefrau war.
In der Folge beschloss die Erwerberin in einer weiteren Gesellschafterversammlung die Abberufung des Liquidators. Ihren hiergegen eingelegten Widerspruch nahm die Verkäuferin später zurück und forderte die Erwerberin auf, als Liquidator geeignete Personen vorzuschlagen. Die daraufhin von der Erwerberin vorgeschlagene Bestellung ihres Gesellschafter-Geschäftsführers lehnte die Verkäuferin ab und bat erneut um Vorschläge. Die Erwerberin beantragte jedoch die gerichtliche Bestellung eines Liquidators mit der Begründung, das Verhalten der Verkäuferin sei grob pflichtwidrig und stelle einen wichtigen Grund für die gerichtliche Bestellung dar; außerdem kenne sie keine andere Person als ihren Gesellschafter, die die Aufgabe als Liquidator übernehmen würde. Dem trat die Verkäuferin entgegen, sie verschließe sich nicht einer neutralen Person, lediglich der Gesellschafter-Geschäftsführer der Erwerberin sei aufgrund der bestehenden Streitigkeiten nicht geeignet.
Obwohl trotz Einschaltung der örtlichen IHK keine geeignete Person als Liquidator gefunden werden konnte, wies das Registergericht den Antrag zurück. Dagegen legte die Erwerberin Beschwerde ein, die dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt wurde.
Der Beschluss des OLG Düsseldorfs vom 22.02.2019, Az. 3 Wx 167/18
Auch die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg, denn nach Ansicht des OLG Düsseldorf fehlte es an einem wichtigen Grund für die gerichtliche Bestellung. Für die außerordentliche Liquidatorenbestellung durch das Gericht sei erst dann Raum, wenn eine ordentliche Liquidatorenbestimmung nach § 66 Abs.1 GmbHG nicht gelinge und eine wirksame Bestellung durch die Gesellschafterversammlung nicht zu erwarten sei. Nach § 66 Abs. 1 GmbHG erfolgt die Liquidation durch die Geschäftsführer, wenn sie nicht durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss einer anderen Person übertragen wird. Vorliegend könne nicht festgestellt werden, dass die Bestimmung durch die Gesellschafter nicht gelungen und auch nicht zu erwarten sei. Bislang seien lediglich die vorgeschlagenen Geschäftsführer der jeweils anderen Gesellschafterin abgelehnt worden, was allein noch kein Scheitern der Bestellung durch die Gesellschafter begründe und angesichts der Streitigkeiten auch nicht rechtsmissbräuchlich sei.
Die Erwerberin könne sich nicht darauf berufen, keine weiteren für die Übernahme des Liquidatorenamtes geeigneten Personen zu kennen. Sie müsse vielmehr aktiv konkrete Personen ansprechen und z.B. ihre Mitgesellschafterin zur Nennung solcher Personen auffordern. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Verkäuferin die Bestellung eines neutralen Liquidators torpedieren werde. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die von den Gesellschaftern zu ergreifenden Maßnahmen erfolglos bleiben, nur weil die vom Registergericht von Amts wegen beteiligte IHK keine Person nennen konnte. Es sei nicht auszuschließen, dass die Gesellschafter über andere Kontakte verfügten als die auf ihren Bezirk beschränkte IHK.
Anmerkung
Der Beschluss des OLG Düsseldorf macht deutlich, dass die Gesellschafter vor einem Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Liquidators zunächst alle Möglichkeiten der ordentlichen Bestimmung ausschöpfen müssen. Dafür reicht es nicht, wenn einzelne Vorschläge abgelehnt wurden oder dem Antragsteller keine zur Übernahme des Amtes bereite Person bekannt ist, selbst im Fall eines wie hier bereits eskalierten Gesellschafterstreits. Stattdessen muss er aktiv konkrete Personen ansprechen und bei der Antragstellung darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine Person für das Liquidatorenamt zu finden.
Diese hohen Anforderungen tragen dem Sinn und Zweck des gerichtlichen Verfahrens Rechnung. Die außerordentliche Liquidatorenbestellung durch ein Gericht dient der ordnungsgemäßen Abwicklung der Gesellschaft und ist ein gesetzliches Minderheitenrecht für Gesellschafter, die mindestens 10 % des Stammkapitals vertreten. Der für eine gerichtliche Bestellung erforderliche wichtige Grund liegt vor, wenn ohne die Bestellung eines Liquidators durch das Gericht eine ordnungsgemäße Abwicklung der Gesellschaft im Interesse der Beteiligten, insbesondere der Minderheitsgesellschafter, nicht gewährleistet ist. Dies ist z.B. bei in der Person eines amtierenden Liquidators liegenden Gründen der Fall, etwa wenn ihm die fachlichen Fähigkeiten fehlen oder er Interessenskonflikten unterliegt und die Vertrauensbasis zwischen ihm und den übrigen Liquidatoren oder Gesellschaftern zerstört ist. Unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten zwischen den Liquidatoren und/oder zwischen diesen und den Gesellschaftern können ebenfalls einen wichtigen Grund darstellen. Und auch wenn die Gesellschafter dauerhaft untätig bleiben oder unfähig sind, sich auf einen Liquidator zu einigen, kann schließlich ein wichtiger Grund gegeben sein – allerdings erst als ultima ratio. Das außerordentliche Liquidationsverfahren entbindet nicht von der primären Zuständigkeit der Gesellschafter, auch im Streitfall selbst als Liquidator geeignete Personen zu suchen und zu bestellen.
Rechtsanwälte Dr. Albert Schröder und Stephanie von Riegen, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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