Grenzen der AGB-Kontrolle – Preisanpassungsklauseln im Energierecht
Hintergrund
Das Vorliegen von AGB hat derjenige zu beweisen, der sich auf die Unwirksamkeit einer Klausel beruft. Die bloße Absicht, ein Vertragsmuster mehrfach zu verwenden reicht für das Vorliegen von AGB nicht aus. Zwischen den Parteien bestand ein sog. Contracting-Vertrag, der die Beklagte u.a. zur Lieferung von Fernwärme verpflichtete und in den die Klägerin, eine Wohnungsbaugesellschaft, anstelle der ursprünglichen Vertragspartnerin eingetreten war. Der Vertrag enthielt eine Preisanpassungsklausel, deren Unwirksamkeit die Klägerin wegen Verstoßes gegen energierechtliche Sondervorschriften zur Inhaltskontrolle derartiger Klauseln (§ 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV) geltend machte. Wie allgemein im AGB-Recht (§ 305 BGB), ist eine Inhaltskontrolle auch nach § 1 AVBFernwärmeV nur eröffnet, wenn die betreffende Klausel wirklich AGB, d.h. für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung ist, die der Verwender der anderen Partei einseitig stellt. Dies war vorliegend nach Ansicht des OLG nicht der Fall.
OLG Düsseldorf, Urteil v. 6.11.2013, I-3 U 51/12
Das OLG hielt die vertragliche Regelung zur Preisanpassung als Individualvereinbarung für wirksam. Zunächst stellte das Gericht fest, dass es in Fällen der Übernahme von Verträgen durch Dritte auf den ursprünglichen Vertragsschluss und nicht auf die Übernahme ankommt. Dass der übernehmende Vertragspartner also nicht selbst (erneut) mit dem anderen Teil über die Regelungen des Vertrags verhandelt, führt nicht zum Vorliegen von AGB. Hierzu sei es der Klägerin nicht gelungen, darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagte gegenüber der ursprünglichen Vertragspartnerin einseitig Bedingungen gestellt habe, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert waren. Obwohl die Niederlegung des Vertragstextes einen Anschein für das Vorliegen von AGB gesetzt hatte, war der Beklagten dessen Erschütterung durch die Vorlage der Korrespondenz vor Vertragsschluss (insbesondere mit Randnotizen versehene Entwürfe) gelungen. Dass den Verhandlungen ein Vertragsmusters der Beklagten zugrunde gelegen habe, sei daher unschädlich, und zwar auch dann, wenn diese die Absicht gehabt habe, das vorformulierte Vertragsmuster in einer Vielzahl von Fällen zu verwenden.
Anmerkung
Das Urteil zeigt deutlich, dass es für die Abgrenzung zwischen AGB und Individualvereinbarungen auf das Aushandeln ankommt. Selbst die mehrfache Verwendung eines Vertragsmusters kann einmal nicht schaden, wenn und soweit die enthaltenen Regelungen ernsthaft inhaltlich zur Disposition gestellt wurde. Um in einem möglichen Rechtsstreit beweisen zu können, dass die Vereinbarung individuell ausgehandelt wurde, sollten die Verhandlungsschritte möglichst genau dokumentiert werden.
Dies gilt umso mehr im Bereich der Energielieferung, wo nach der Rechtsprechung des EuGH und des BGH Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen, die auf die Grundversorgungsverordnungen Bezug nehmen, intransparent und unzulässig sind. Gerade im unternehmerischen Bereich dürfte sich daher die individuelle Verhandlung (zumindest der Preisanpassungsregeln) als echte Alternative zur Gestaltung von allgemeinen Preisanpassungsklauseln darstellen, die angesichts der neueren Rechtsprechung kaum mehr rechtssicher möglich sein dürfte, ohne die gesamte Kalkulation offen zu legen.
Praxishinweis
Der Klauselinhalt muss aber eindeutig zur Disposition gestellt werden. Beharrt der Verwender auf einer Klausel oder gar einer bestimmten Formulierung, kann ihm dies leicht als „Nicht-Aushandeln“ ausgelegt werden, was einer Individualvereinbarung entgegensteht (siehe nur BGH, Urteil v. 22.11.2012, VII ZR 222/12).
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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