Handelsvertreter: Ausgleich oder Unternehmens-Altersvorsorge?

Eine Vereinbarung, wonach der Anspruch des Handelsvertreters auf eine unternehmensfinanzierte Altersversorge entfällt, sobald er seinen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB geltend macht, ist wirksam. Dies gilt auch dann, wenn es sich um vorformulierte Klauseln (AGB) handelt.

Hintergrund: Vertragliche Vereinbarung über Wegfall des Treuegeldanspruchs bei Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs

Der Kläger war für die Beklagte in Deutschland als Handelsvertreter tätig. Die Parteien hatten zu Gunsten des Handelsvertreters neben der Provision eine unternehmerfinanzierte Altersvorsorge („Treuegeld“) vereinbart. Nach dem Vertrag entfällt jedoch der Anspruch auf das Treuegeld, sofern der Handelsvertreter seinen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB geltend macht. Nach Beendigung seiner Tätigkeit forderte der Kläger von der Beklagten die Zahlung des Ausgleichs und hielt dabei seinen Anspruch auf das Treuegeld aufrecht. Denn nach Ansicht des Klägers sei der Ausschluss des Treuegeldes unwirksam. Die Beklagte leistete keine Zahlung. Mit der Klage machte der Kläger nur den Anspruch auf das Treuegeld gegenüber der Beklagten geltend.

Der Klage wurde zunächst stattgegeben. Hiergegen richtete sich die Revision der Beklagten.

Urteil des BGH v 15.12.2016, Az. VII ZR 221/15: Rechtsposition des Handelsvertreters verschlechtert sich bei Wahlrecht nicht

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die vorliegende Klausel sei nach ständiger Rechtsprechung wirksam. Dies gelte auch dann, wenn es sich um einen Vertrag mit vorformulierten Klauseln für mehrfachen Einsatz (AGB) handelt. Die Rechtsposition des Handelsvertreters verschlechtere sich nicht, wenn er bei Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs das Treuegeld des Unternehmens als freiwillig gezahlte Leistung nicht erhält.

Denn die Altersversorgung müsse an sich der Handelsvertreter aus seinem laufenden Einkommen (der – hier auch in üblicher Höhe vereinbarten – Provision) bestreiten. Dies gelte auch dann, sofern der Ausgleichanspruch ins Leere laufe oder aus anderen Gründen nicht durchgesetzt werden könne. Die Berechnung und Durchsetzung des Ausgleichsanspruchs falle grundsätzlich in den Risikobereich des Handelsvertreters. Der Handelsvertreter könne sich innerhalb der Jahresfrist des § 89b Abs. 4 S. 2 HGB entscheiden, welchen der beiden Ansprüche er geltend machen möchte. Dabei müsse der Handelsvertreter klar zum Ausdruck bringen, ob er den Ausgleichsanspruch oder den Anspruch auf das Treuegeld verfolgt. Im vorliegenden Fall habe eine entsprechend eindeutige Erklärung gefehlt.

Anmerkung: Strenge Voraussetzungen für die Verrechnung des Ausgleichsanspruchs  

Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters kann nach deutschem Recht weder abbedungen noch begrenzt werden. Auch eine Umgehung ist unzulässig, allerdings kann eine Verrechnung mit gestundeten Ablösezahlungen für bestehende Kunden oder mit einer (echten) Vorauszahlung auf den Ausgleichsanspruch zulässig sein. Hieran werden aber strenge Anforderungen gestellt. Insbesondere ist eine Verrechnung nur mit solchen Leistungen zulässig, die zusätzlich zu der Provision gezahlt werden, wenn die Provision auch ohne Vereinbarung einer Verrechnung in derselben Höhe vereinbart worden wäre.

Der BGH stellt auf Basis dieser Grundsätze klar, dass die Vereinbarung einer Wahlmöglichkeit zwischen freiwilliger Altersvorsorge und Ausgleichsanspruch wirksam ist. Etwas anderes dürfte jedoch gelten, wenn die Provisionsansprüche des Handelsvertreters unter dem üblichen Satz liegen und die Differenz allein durch eine unternehmensfinanzierte Altersversorgung ausgeglichen wird. In diesem Fall stellt die Altersversorgung keine zusätzliche, freiwillige Leistung des Unternehmens (sondern vielmehr nur eine Umgehung des zwingenden Ausgleichsanspruches) dar und führt erst zu einer angemessenen Vergütung des Handelsvertreters.

Da dem Ausgleichsanspruch die europäische Handelsvertreterrichtlinie zu Grunde liegt, ist er auch nach dem Recht anderer Mitgliedsstaaten der EU nicht einschränkbar. Das heißt: Liegt der Tätigkeitsschwerpunkt des Handelsvertreter im Europäischen Wirtschaftsraum, bleibt der Ausgleichsanspruch bestehen. Auch viele außereuropäische Rechtsordnungen sehen einen solchen Anspruch vor. Unternehmen sollten daher vor Vertragsschluss ermitteln, welche Folgen bei Vertragsbeendigung eintreten können und ob eine Verrechnung mit anderen Leistungen für sie vorteilhaft ist.

 

Rechtsanwalt Dr. Hendrik Thies, Rechtsanwältin Meike Kapp-Schwoerer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

 

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