Die App „mytaxi“ darf keine ortsfremden Taxis vermitteln
Die Parteien des in zweiter Instanz vom OLG Frankfurt entschiedenen Falls stritten über die Beachtung beförderungsrechtlicher Vorschriften bei der Vermittlung von Taxifahrten. Der Vermittler erhält vom Fahrpreis der vermittelten Fahrten eine anteilige Beteiligung vom jeweiligen Taxiunternehmer.
App vermittelt Taxifahrten an den nächstgelegenen Fahrer
Die Beklagte vermittelt unter der Bezeichnung „mytaxi“ die Beförderung von Personen über die von ihr betriebene „mytaxi-app“. Auf einer eingeblendeten Karte kann der User sich über die App in seiner näheren Umgebung befindliche Taxis anzeigen lassen. Das System sucht nach Betätigung des Bestellbuttons das für den Kunden nächstgelegene Taxi heraus. Angeschlossenen Fahrern, die den Modus „frei“ betätigt haben und die sich im jeweiligen Umkreis befinden, wird automatisch die angefragte Taxifahrt angeboten. Der Fahrer, der zuerst den Annahme-Button betätigt, erhält den Zuschlag.
Frankfurter Taxiunternehmer rügt wettbewerbswidriges Verhalten
Im März 2018 befand sich ein Taxi eines Unternehmens mit Betriebssitz in Wiesbaden in Frankfurt am Main, schaltete die App auf den Modus „frei“ und nahm den Auftrag zu einer Fahrt im Stadtgebiet von Frankfurt an. Ein Taxiunternehmer aus Frankfurt sah darin eine rechtswidrige Personenbeförderung, da ortsfremde Taxifahrer im Frankfurter Stadtgebiet keine Beförderungsaufträge annehmen dürften. Der Frankfurter Taxiunternehmer verklagte die Betreiberin der App wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens auf Unterlassung und bekam sowohl erst- als zweitinstanzlich recht.
Wettbewerbsverhältnis erfordert keine völlige Kongruenz der Dienstleistungen
Nach der Bewertung des zweitinstanzlich mit der Sache befassten OLG besteht zwischen dem Kläger und der Beklagten das für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes erforderliche Wettbewerbsverhältnis. Zwar seien die von dem Kläger als Taxiunternehmen erbrachten Dienstleistungen in Form von Beförderungen von Personen den von der Beklagten erbrachten Vermittlungsdiensten nicht völlig gleich, für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis reiche es aber aus, dass Unternehmen, die auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen agieren, sich im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden (OLG Frankfurt, Urteil v. 6.4.2017, 6 U 36/16). Dies sei vorliegend der Fall, da sowohl der Kläger als auch die Beklagte auf dem Gebiet der Personenbeförderung tätig seien.
Prüf- und Kontrollpflicht des App-Betreibers
Als Betreiberin einer App trifft die Beklagte nach Auffassung des OLG - ähnlich den Betreibern von Internet-Handelsplattformen - eine Prüf-, Kontroll- und Überwachungspflicht hinsichtlich möglicher wettbewerbswidriger Inhalte seines Angebots. Dies gelte insbesondere dann, wenn das Geschäftsmodell des Anbieters risikoerhöhend wirke. Die von der Beklagten betriebene App bietet nach Einschätzung des OLG auch für ortsfremde Fahrer einen hohen Anreiz, sich unauffällig im näheren Umkreis von Orten mit erhöhtem Fahrtenaufkommen aufzuhalten und im Fall einer Onlinebuchung über die App den Auftrag unmittelbar anzunehmen.
Beihilfe zu rechtswidriger Personenbeförderung durch die App
Mit der Annahme eines solchen Auftrags verstoße der ortsfremde Fahrer gegen das in § 47 Abs. 2 Satz 1 PBefG enthaltene Verbot der Auftragsannahme durch ortsfremde Fahrer. Dieser Rechtsverstoß werde zwar nicht unmittelbar von dem Beklagten, sondern durch das den Auftrag annehmenden Taxiunternehmen begangen, jedoch beteilige sich der Beklagte als Vermittler an diesem Gesetzesverstoß. Er fördere die Verletzungshandlung durch seine Vermittlung und sei damit Teilnehmer am Rechtsverstoß. Dies folge unmittelbar aus dem Geschäftsmodell der App, die Beförderungsaufträge an angeschlossene Taxifahrer weiterleite, ohne danach zu unterscheiden, ob das Taxi ortsfremd ist oder nicht. Damit leiste die Beklagte zumindest Beihilfe zu Wettbewerbsverstößen durch die jeweiligen Taxifahrer.
Bedingter Vorsatz der App- Betreiberin
Die Beklagte handelt nach der Bewertung des Senats auch vorsätzlich. Der Vorsatz zeige sich u.a. daran, dass die Beklagte auch nach Abmahnung durch den Kläger keinerlei Schritte unternommen hat, um die von ihr verwendete App umzuprogrammieren und an die Gesetzeslage anzupassen. Sie habe jederzeit davon ausgehen müssen, dass eingehende Fahraufträge von einem an der konkreten Örtlichkeit nicht konzessionierten Taxi übernommen werden könnten. Daran ändere auch die sehr allgemein gehaltene AGB-Regelung der Beklagten nichts, die von den teilnehmenden Taxifahrern rechtstreues Verhalten fordert.
Rechtsverstoß wäre durch „Zoning“ vermeidbar gewesen
Schließlich stellte das OLG fest, dass mit dem sogenannten „Zoning“ eine relativ leicht zu installierende Software zur Vermeidung der Zuweisung unrechtmäßiger Fahraufträge zur Verfügung steht. Die Unterlassungsklage des Frankfurter Taxiunternehmers war daher in vollem Umfang erfolgreich. Die Entscheidung des OLG ist rechtskräftig.
(OLG Frankfurt, Urteil v. 25.6.2020, 6 U 64/19)
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