Sind Abschleppkosten auch bei falsch gestaltetem Halteverbotsschild zu zahlen?
Die Klägerin hatte ihr Auto am 29. Januar 2018 um 7.45 Uhr auf einem Park and Ride-Parkplatz am Bahnhof Limburg abgestellt. Und das, obwohl dort drei mobile Halteverbotsschilder standen. Die waren fünf Tage vorher, am 24. Januar 2018, auf Anordnung der Gemeinde aufgestellt worden, da am 29. Januar ab 8.00 Uhr mit Baumschnittarbeiten begonnen werden sollte.
Parkende erhielt Rechnung über 255,60 € für das Umsetzen ihres Fahrzeugs
Das Auto der Klägerin und dreizehn weitere Fahrzeuge wurden zwischen 9.25 und 10.55 von einem Abschleppunternehmen auf die andere Seite des Parkplatzes umgesetzt und der Klägerin wurde ein Abschleppkostenbescheid von 255,60 Euro zugestellt. Darin enthalten 200 Euro als Kosten des Abschleppunternehmens die folgendermaßen untergliedert waren:
- 126,05 Euro für das Umsetzen des Fahrzeugs
- 42,02 Euro für den „Bereich Limburgerhof Zuschlag“, womit das Abschleppunternehmen seine Anfahrtskosten von Speyer nach Limburgerhof abrechnete
- 31,93 Euro Mehrwertsteuer
Ist ein laienhaft gestaltetes Halteverbotsschild nichtig?
Die Klägerin erhob nach erfolgloser Durchführung eines Vorverfahrens Klage gegen den Bescheid. Das Halteverbotsschild sei nichtig, weil das verwendete Zusatzzeichen nicht den Anforderungen entsprochen habe, die die Straßenverkehrsordnung (StVO) vorgebe.
- Es weise einen provisorischen und laienhaften Charakter auf
- und wirke für einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer nicht wie eine amtliche, allgemein verbindliche Verkehrsregelung.
War das Abschleppen auch zu teuer?
- Zudem sei die Höhe der geforderten Kosten nicht nachvollziehbar. Da 14 Fahrzeuge umgesetzt worden waren,
- hätten die Anfahrtskosten in Höhe von 42,02 Euro nur einmal
- und nicht vierzehn Mal angesetzt werden dürfen.
Das VG Neustadt hat entschieden, dass der Kostenbescheid rechtswidrig ist, das Umsetzen des Autos allerdings rechtmäßig war.
Warum das Umsetzen des Fahrzeugs rechtmäßig war:
- Zum Zeitpunkt der Beauftragung des Abschleppunternehmens durch die Beklagten am 29.01.2018 um 9.00 Uhr sei der Bereich, in dem das Fahrzeug der Klägerin gestanden habe, durch die Halteverbotszeichen 283 nach der StVO ordnungsgemäß, ausreichend und hinreichend bestimmt markiert worden.
- Die Schilder waren auch rechtzeitig vor dem Geltungszeitpunkt, nämlich mehr als 72 Stunden davor, aufgestellt worden.
- Den Zusatzzeichen fehle zwar der vorgeschriebene schwarze Rand;
- zudem entsprächen Schriftart und Schriftgröße nicht den Vorgaben der StVO VwV.
- Die Aufschrift Parkverbot sowie die beiden grafischen Darstellungen von Halteverbotszeichen auf Zusatzzeichen seien nicht vorgesehen.
- Die Abweichungen seien aber nicht so eklatant, dass davon auszugehen sei, dass von keinem verständigen Verkehrsteilnehmer erwartet werden könne, die Regelung als verbindlich anzuerkennen.
Amtliche Regelungswille war erkennbar
Fazit des Gerichts zum Abschleppen: Die Beschilderung war eindeutig und der Regelungswille der Beklagten erkennbar. Für die Klägerin wäre es möglich gewesen, trotz der rechtswidrigen Ausgestaltung der Zusatzzeichen zu erkennen, was von ihr verlangt werde. Das Abschleppen war deshalb rechtmäßig.
Warum der Kostenbescheid rechtswidrig war
Rechtswidrig sei dagegen der Kostenbescheid gewesen. Da das Abschleppunternehmen nur einen Anfahrtsweg hatte, um die 14 Autos auf dem Parkplatz umzusetzen, könne der Zuschlag von jedem der 14 Betroffenen nur anteilsmäßig verlangt werden.
Beklagte Gemeinde hat durch einen Ermessensausfall ermessensfehlerhaft gehandelt
Die Beklagte habe ermessensfehlerhaft gehandelt, was zur Rechtswidrigkeit der Kostenforderung insgesamt führe. Die Beklagte habe weder im Kostenbescheid noch im Widerspruchs- oder im gerichtlichen Verfahren zu der Problematik der Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Zusatzschildes und die Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Kostenbescheides Ermessenserwägungen angestellt, obwohl sie die Besonderheit des Falles hätte erkennen können und müssen. Deshalb lag ein Ermessensausfall vor. und der gesamte Kostenbescheid war hinfällig
(VG Neustadt, Urteil v. 26.02.2019, 5 K 814/18.NW).
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Hintergrund:
„Ermessensausfall“ - als eine Fallgruppe der Ernessensfehler besagt, dass ein Ermessen nicht ausgeübt wurde, zum Beispiel weil die Behörde sich irrig für gebunden hielt. Man spricht auch von „Ermessensunterschreitung“ oder „Ermessensnichtgebrauch“ . Bei einem Ermessensfehler ist die betreffende Entscheidung der Behörde rechtswidrig.
Falls die Widerspruchsbehörde kein Ermessen ausübt, ist ein VA insgesamt (Widerspruchsbescheid und Ausgangsbescheid) wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidrig, selbst wenn die Ausgangsbehörde fehlerfreie Ermessenserwägungen angestellt hatte (LSG BW, Urteil v. 10.7.2007, 10 U 2777/07).
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