Sind die Regelungen zur Vermögensabschöpfung verfassungswidrig?

Bei Gesetzesverstößen droht Unternehmen neben Bußgeldern auch die (betragsmäßig nicht begrenzte) Abschöpfung der im Zuge der Gesetzesverletzung erzielten Erträge. Der BGH äußerte nun verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Juli 2017 reformierten Regelungen zur Vermögensabschöpfung bei verjährten Taten.

Hintergrund

Am 1.Juli 2017 ist das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in Kraft getreten. Durch die Änderung wurde unter anderem geregelt, dass selbst bei verjährten Straftaten die mit ihnen erlangten Erträge eingezogen werden können.

Im anhängigen Fall beim BGH ging es um die unerlaubte Beschäftigung Hunderter bulgarischer Arbeiter in einem Geflügelbetrieb. Das LG Oldenburg hatte die beiden Angeklagten 2017 wegen Verjährung freigesprochen, jedoch die Einziehung des aus der illegalen Beschäftigung erwirtschafteten Ertrages von mehr als zehn Millionen Euro verfügt. Gegen diese Entscheidung wandte sich das Unternehmen mit der Revision beim BGH.

Der Beschluss des BGH vom 07.03.2019, Az. 3 StR 192/18

In dem Rechtsstreit moniert der BGH die nach neuer Rechtslage mögliche Einziehung von Taterträgen, deren zugrundeliegende Taten wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden können. Eine solche Ausdehnung der Einziehung lasse an der Konformität mit dem Rechtsstaatsprinzip und den in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes Zweifel aufkommen. Insbesondere sei problematisch, dass die Neuregelung auch für Altfälle gelten soll, die vor Inkrafttreten der Neuregelung begangen wurden. Über die rechtliche Zulässigkeit muss nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Anmerkung

Verstößt jemand gegen das Gesetz, droht zunächst die persönliche Haftung. In den letzten Jahren ist aber auch die Haftung des Unternehmens in den Fokus geraten, zu deren Gunsten oder in deren Namen die Gesetzesverstöße begangen wurden (Compliance). Jüngstes Beispiel hierfür ist der VW-Abgasskandal. Dem Unternehmen drohen in Deutschland derzeit Bußgelder (bis 10 Mio. EUR, §§ 30 Abs.1, 2, 130 Abs.1 OWiG) und die Einziehung des im Zuge der Gesetzesverletzung erzielten Erträge (§§ 73 ff. StGB, sog. Einziehung / früher Verfall). Im Rahmen der Einziehung sollen Aufwendungen größtenteils nicht mehr abgezogen werden, so dass nicht der Gewinn, sondern im Prinzip der ganze Umsatz der Einziehung unterliegt. Die Einziehung ist daher die einschneidendere Sanktion, so dass die rückwirkende Geltung rechtlich (nicht politisch) in der Tat sehr kritisch zu sehen ist.

Insgesamt sind die Sanktionen bei Compliance-Verstößen stark im Fluss. In Kürze soll allerdings ein Unternehmensstrafgesetzbuch verabschiedet werden, das die (Geld-)Strafen für Unternehmen neu regelt und verschärft. Momentan sieht der Entwurf (wie im Kartellrecht) Strafen bis zu 10 % des Umsatzes vor – zusätzlich zur Einziehung.

Vermeiden lassen sich die Strafen (schon jetzt) durch entsprechende Vorbeugung, unter anderem Schulungen, interne Anweisungen und Prüfungen der Vertragspartner. Neben der Vermeidung von Haftungsrisiken für die Gesellschaft hat ein funktionierendes Compliance-System aber auch den positiven Effekt der Sicherung und Förderung der Reputation des Unternehmens, zum Beispiel gegenüber Geschäftspartnern oder Investoren. Mindern lassen sich die Strafen durch konsequentes Verfolgen und Abstellen von Taten. Ein bestehendes Compliance-System sollte fortlaufend auf seine Effizienz und Angemessenheit überprüft und angepasst werden.

Rechtsanwalt Dr. Jan Henning Martens, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg