Verdeckte Sacheinlage unabhängig von Zahlungsreihenfolge
Hintergrund
Der beklagte Gesellschafter-Geschäftsführer hatte seiner GmbH zum Ausgleich eines Fehlbetrags 100.000 EUR mit dem Verwendungszweck „Einlage“ überwiesen. Ein Kapitalerhöhungsbeschluss lag zu dieser Zeit allerdings nicht vor. Deswegen wurde der Betrag bei der Gesellschaft „bis zur endgültigen Klärung“ zunächst vom Kapitalkonto auf das Darlehenskonto gebucht. In der Folge wurde eine Kapitalerhöhung beschlossen, bei welcher der Beklagte einen Geschäftsanteil in Höhe von 100.000 EUR übernahm. Wenige Tage nachdem die Gesellschaft dem Beklagten 100.000 EUR zurücküberwiesen hatte, überwies dieser wiederum 100.000 EUR mit dem Verwendungszweck „Kapitaleinlage“ an die Gesellschaft. Nachdem das Insolvenzverfahren über die Gesellschaft eröffnet wurde, verlangte der Insolvenzverwalter erneut die Zahlung von 100.000 EUR von dem Beklagten. Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben, u.a. weil dem Beklagten kein fälliger, liquider und vollwertiger Anspruch auf Rückzahlung seines „Darlehens“ zugestanden habe.
BGH, Urteil v. 19.1.2016, II ZR 61/15
Dem ist der BGH entgegengetreten. Zwar komme der ursprünglichen Überweisung als sog. Voreinzahlung keine Tilgungswirkung zu, weil der Betrag zur Zeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht mehr zweifelsfrei im Gesellschaftsvermögen vorhanden war. Jedoch komme entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts insoweit ein Rückzahlungsanspruch des Beklagten in Betracht. Zwar sei der Betrag auf dem Darlehenskonto verbucht worden. Daraus folge jedoch keine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass es sich bei der Zahlung tatsächlich um eine Darlehensgewährung gehandelt habe. Ebenso gut komme insoweit ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch des Beklagten in Betracht. Dann aber hätte die Gesellschaft durch das Hin-und-Herzahlen nach dem Kapitalerhöhungsbeschluss wenigstens insoweit die Befreiung von der Forderung des Gesellschafters erlangt, der insoweit eine verdeckte Sacheinlage erbracht hätte.
Anmerkung
Die Entscheidung des BGH bleibt im Konjunktiv: Da das Berufungsgericht nicht ausreichend Beweis darüber erhoben hatte, ob dem Beklagten eine solche bereicherungsrechtliche Forderung zugestanden hatte, verwies der BGH die Sache zu erneuter Verhandlung zurück. Deutlich betont das Gericht jedoch, dass es für die Anwendung der Regeln über die verdeckte Sacheinlage unerheblich ist, ob zunächst die geschuldete Bareinlage eingezahlt und sodann zur Tilgung einer Gesellschafterforderung zurückgezahlt wird, oder ob – wie vorliegend – die Reihenfolge umgekehrt ist. Entscheidend ist der wirtschaftliche Erfolg der als zusammengehörig zu wertenden Vorgänge, dass nämlich der Gesellschaft im Ergebnis keine neue Liquidität zugeführt wurde.
Für den Gesellschafter hat diese Klarstellung des BGH zur Folge, dass wenigstens der Wert seiner Forderung gegen die Gesellschaft auf seine Einlagepflicht angerechnet wird. Gerade in der Krise der Gesellschaft kann die Forderung allerdings deutlich geringer zu bewerten sein als ihr Nennwert.
Die Unklarheit, wie die ursprüngliche Überweisung des Gesellschafters rechtlich einzuordnen sei, rührte daher, dass die Instanzgerichte sich insoweit auf den Buchungsvorgang verlassen hatten. Dass der Beklagte als Geschäftsführer gerade auch für die Ordnungsmäßigkeit der Buchungsvorgänge verantwortlich war, hatte das Berufungsgericht dazu bewogen, unwiderleglich zu seinen Lasten zu vermuten, es habe sich aufgrund der gesellschaftsinternen Buchung auf das Darlehenskonto tatsächlich um ein Gesellschafterdarlehen gehandelt, dessen Rückzahlung zur Zeit der Rücküberweisung durch die Gesellschaft noch nicht fällig geworden war. Hier wird das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung nun erneut in die Beweisaufnahme eintreten müssen.
Für die Praxis ist die Entscheidung des BGH doppelt relevant. Zum einen hat das Gericht klargestellt, dass die Reihenfolge des Hin- und Herzahlens für die verdeckte Sacheinlage unerheblich ist. Zum anderen zeigt die Entscheidung, dass Ungenauigkeiten bei der Buchführung noch Jahre später verhängnisvolle Folgen haben können. Gerade in der Krise und bei drohender Insolvenz ist daher große Vorsicht geboten. Die Umwidmung einer darlehensweise gewährten Kapitalspritze in eine Einlage kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass der Gesellschafter doppelt zahlt: Zum einen, weil er seinen Rückzahlungsanspruch in der Insolvenz verliert bzw. eine Rückzahlung angefochten wird, und zum anderen, weil der Insolvenzverwalter die übernommene Bareinlage fordert.
Rechtsanwalt Dr. Stefan Lammel und Rechtsassessor Jan Barth, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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