Gesetzliche Vertretung einer AG gegenüber der GmbH eines ehemaligen Vorstands

Eine GmbH klagte gegen eine AG auf Zahlung von Beratungshonoraren. Gerichtet war die Klage gegen die AG, vertreten durch ihren namentlich benannten Vorstandsvorsitzenden, an den die Klage auch zugestellt worden war. Einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der klagenden GmbH war ein ehemaliger Vorstand der GmbH.
Das Landgericht beschäftigte sich vor allem mit der Frage, ob der Beratungsvertrag wirksam zustande gekommen war, den der Geschäftsführer der Klägerin mit einem anderen Vorstandsmitglied der AG zu einem Zeitpunkt abgeschlossen hatte, als er selbst noch Vorstandsmitglied der AG war. Die Beklagte AG war der Ansicht, dass die Vereinbarung ein unzulässiges In-sich-Geschäft darstelle, weil sie in entsprechender Anwendung von § 112 AktG nicht von einem anderen Vorstandsmitglied, sondern von ihrem Aufsichtsrat hätte vertreten werden müssen. Diese Auffassung teilte das Landgericht in seiner mit der Berufung der Klägerin angegriffenen Entscheidung.
Das Urteil des OLG Saarbrücken vom 11.10.2012, Az. 8 U 22/11-6
Das OLG Saarbrücken wendet sich in seiner Urteilsbegründung derselben – höchst- und obergerichterlich bisher nicht entschiedenen – Frage aus einem anderen Blickwinkel zu: War die AG überhaupt im Prozess wirksam vertreten? Das OLG Saarbrücken verneinte dies und wies aufgrund dieses (von Amts wegen zu prüfenden) Vertretungsmangels die Klage als unzulässig zurück.
Ausdrücklich knüpft das Gericht dabei an die zumindest in der neueren Literatur einhellig vertretene Auffassung an, dass nach § 112 AktG der Aufsichtsrat (und nicht der Vorstand) die AG gerichtlich oder außergerichtlich gegenüber der Ein-Personen-Gesellschaft eines amtierenden oder ehemaligen Vorstandsmitglieds vertritt. Denn zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter/Geschäftsführer bestehe eine wirtschaftliche Identität.
Anmerkung
Der Auffassung des OLG Saarbrücken ist beizupflichten: § 112 AktG (gemäß dem der Aufsichtsrat die AG gegenüber ihren Vorständen vertritt) will der Interessenkollisionslage vorbeugen, in der sich ein Vorstandsmitglied seinen Vorstandskollegen gegenüber möglicherweise befindet. Weil es bei Betrachtung der wirtschaftlichen Interessen keinen Unterschied macht, ob es um Kontakt der AG zum Gesellschafter oder zu seiner Ein-Mann-GmbH geht, muss dem Schutzzweck der Norm auch Rechnung getragen werden, wenn es um die Vertretung der AG gegenüber der Ein-Mann-GmbH eines ihrer (ehemaligen) Vorstandsmitglieder geht.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Nils Wurch, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7302
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.286
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.206
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.174
-
Patronatserklärungen: Wirkung, Varianten und praktische Bedeutung
1.149
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.146
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.140
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.091
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
9051
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
828
-
Das elektronische Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen mit Verbrauchern
17.03.2025
-
Ständige Teilnahme eines Ehrenmitglieds an Aufsichtsratssitzungen unzulässig
13.03.2025
-
Erweiterte steuerliche Berichtigungspflicht (§ 153 Abs. 4 AO)
11.03.2025
-
EU-Kommission stellt den Action Plan for Affordable Energy als Teil des Clean Industrial Deals vor
05.03.2025
-
Verstoß gegen Informationspflichten: Banken können Anspruch auf Zinsen und Kosten verlieren
28.02.2025
-
Unverschlüsselte Rechnungen per E-Mail sind riskant
25.02.2025
-
Die Vereinbarung über die Steuerung von Verbrauchseinrichtungen gemäß § 14 EnWG
19.02.2025
-
D&O-Versicherung: Kein sofortiges Vertragsende bei Insolvenz
18.02.2025
-
D&O-Versicherung: Keine Deckung für Strohmann-Geschäftsführer
18.02.2025
-
Bundestag verabschiedet vor den Neuwahlen zahlreiche Gesetze im Energiewirtschaftsrecht
14.02.2025