Zeitpunkt der Inbetriebnahme von Fotovoltaikmodulen und -anlagen
Hintergrund
In dem Fall des OLG Naumburg hatten drei Kläger Fotovoltaikmodule im Netzgebiet der Beklagten errichtet. Die Errichter der Anlagen hatten jeweils nach der Lieferung der Fotovoltaikmodule November und Dezember 2010 einen sog. „Glühlampentest“ (dabei wird zur Dokumentation der erstmaligen Erzeugung elektrischer Energie aus solarer Strahlung mit den zu installierenden Modulen eine Glühlampe zum Leuchten gebracht) durchgeführt und der Beklagten im Rahmen einer Fertigmeldung (noch vor dem 31.12.2010) die „kaufmännische Inbetriebnahme“ angezeigt. Im Anschluss wurden die Module zunächst wieder gelagert und erst im Laufe des ersten Halbjahres 2011 installiert und zur Einspeisung an das Netz der Beklagten angeschlossen. Diese teilte den Klägern jeweils mit, die Fotovoltaikanlagen als in 2011 in Betrieb genommen zu betrachten und vergütete die eingespeiste Energie nach den zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Vorschriften. Die Kläger waren der Ansicht, für den Strom aus ihren Anlagen Anspruch auf die bis zum 31.12.2010 einschlägige höhere Einspeisevergütung zu haben und verlangten für die Vergangenheit Zahlung der Differenz und für die Zukunft die Feststellung, dass ihnen die höhere Vergütung für die gesamte Förderungsdauer von 20 Jahren zusteht.
OLG Naumburg, Urteil v. 24.7.2014, 2 U 96/13
Wie die Vorinstanz hat das OLG Naumburg die Klagen abgewiesen. Auch wenn die Definition des Begriffs der „Inbetriebnahme“ in der Fassung des EEG 2009, die bis zum 31.12.2011 gültig war, noch nicht (wie zwischenzeitlich § 3 Nr. 5 EEG 2012 und aktuell § 3 Nr. 21 EEG 2014) ausdrücklich klarstellte, dass die technische Betriebsbereitschaft eine feste Verbindung mit dem für den dauerhaften Betrieb vor der gesehenen Ort und den Anschluss eines Wechselrichters voraussetze, geht das OLG nach einer systematischen Einordnung des Begriffs der Inbetriebnahme auch bezüglich der Definition des EEG 2009 von diesem Begriffsverständnis aus. Dies stützt das Gericht insbesondere auf die Gesetzesbegründung zum EEG 2012, die in der Konkretisierung des Begriffs nur eine Klarstellung sehe. Bereits unter Geltung des EEG 2009 sei danach eine technische Betriebsbereitschaft erst nach der ortsfesten Installation der Anlage gegeben. Derselben Ansicht war auch das OLG Nürnberg in einer (noch) nicht veröffentlichten Entscheidung vom 19.8.2014 (1 U 440/14), gegen die ein Revisionsverfahren beim BGH anhängig ist.
Anmerkung
Der Inbetriebnahmezeitpunkt einer Fotovoltaikanlage hat entscheidenden Einfluss auf die Höhe der Einspeisevergütung, die dann zu den bei Inbetriebnahme geltenden Konditionen fix für 20 Jahre vereinnahmt werden kann. Auf einzelne konkrete Vergütungssätze kann hier nicht eingegangen werden, diese variieren bereits innerhalb einer Erzeugungsart (z.B. für Fotovoltaikanlagen unterschieden nach Größe, Art und Ort der Installation). Für alle gilt jedoch im Grundsatz, dass die Einspeisevergütung (nicht erst seit der jüngsten Novelle zum EEG 2014) vor dem Fernziel der Marktintegration stetig abgesenkt wurde und wird. Im Streit um einen möglichst frühen Inbetriebnahmezeitpunkt für den Betreiber sprichwörtlich jeder Tag bares Geld wert sein kann.
Die Clearingstelle EEG hatte in einem Hinweisverfahren im Jahre 2010 die zu der OLG-Rechtsprechung gegenteilige Rechtsauffassung vertreten, die Inbetriebnahme im Sinne des § 3 Nr. 5 EEG 2009 setze keine ortsfeste Installation der Fotovoltaikanlagen voraus (Hinweis vom 25.06.2010; 2010/I). Es dürfte daher eine nicht zu unterschätzende Anzahl von Anlagen geben, die entsprechend dieser Rechtsauffassung aufgrund der Durchführung eines Glühlampentests durch die Netzbetreiber als in Betrieb genommen anerkannt wurde. Die Entscheidungen der Clearingstelle sind aber - wie das OLG Naumburg zu Recht für sich in Anspruch nimmt - für die Rechtsprechung nicht bindend. Sollte der BGH die Rechtsauffassung des OLG Naumburg und des OLG Nürnberg bestätigen, könnte dies für Anlagen, die mit einer höheren Vergütung als in Betrieb genommen anerkannt wurden, als der, die zur Zeit ihrer ortsfesten Installation galt, die Kürzung ihrer Einspeisevergütung für die gesamte verbleibende Einspeisedauer bedeuten. Im Einzelfall könnten sogar Rückzahlungsansprüche der Netzbetreiber denkbar sein.
Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel, Dr. Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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