Zu Umfang und Form der Untersuchungs-und Rügeobliegenheit
Hintergrund
Die Klägerin und die Beklagte sind im Holzhandel tätig. Die Klägerin belieferte die Beklagte im Juli 2011 mit Buche-Multiplexplatten. Mit Schreiben von Mitte August 2011 und Mitte September 2011 beanstandete die Beklagte gegenüber der Klägerin diverse Mängel. Bereits zuvor rügte sie mündlich gegenüber der Klägerin, dass Nut und Feder des Holzes einen zu großen Spielraum hätten. Insgesamt seien 30% der Platten fehlerhaft. Die Rechnungen wurden von der Beklagten nur teilweise beglichen.
Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung des Restkaufpreises von der Beklagten. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage, da bestimmte Platten verdeckte Mängel aufgewiesen hätten. Sie habe die Platten bei Anlieferung visuell stichprobenartig begutachtet, die Mängel hätten sich jedoch erst bei Verlegung der Platten Mitte August gezeigt. Ihre Rüge sei daher rechtzeitig. Die Klägerin führt an, dass die Beklagte etwaige Mängel nicht rechtzeitig gerügt hätte, sodass die Ware als genehmigt anzusehen sei (§ 377 HGB). Zudem seien neben § 377 HGB die Tegernseer Gebräuche einschlägig.
OLG München, Urteil v. 24.9.2015, 23 U 417/15
Das OLG München gab der Klage statt. Die Klägerin habe sich zu Recht auf die Genehmigungswirkung des § 377 HGB berufen. Nach § 377 HGB hat der Käufer die Ware unverzüglich zu untersuchen und etwaige Mängel unverzüglich anzuzeigen. Zudem seien vorliegend die Tegernseer Gebräuche (Holzhandel) einschlägig, wonach Mängel unverzüglich nach gegebener Möglichkeit zur Prüfung des Holzes, spätestens aber innerhalb von 14 Kalendertagen von der Ablieferung an schriftlich zu rügen seien. Die Rüge der Beklagte sei verspätet, da sie die Mängel erst drei Wochen nach Ablieferung gegenüber der Klägerin schriftlich gerügt habe. Insbesondere könne sich die Beklagte hierbei nicht auf verdeckte Mängel berufen. Zwar liege ein verdeckter Mangel nach § 377 Abs. 3 HGB auch dann vor, wenn – obwohl geboten – keine Stichproben genommen wurden, aber selbst bei Entnahme von Stichproben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Mangel nicht entdeckt worden wäre. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Bei einer Fehlerquote von 30%, wie von der Beklagten vorgetragen, hätte eine gebotene stichprobenweise Verlegung und Begehung der Platten die Mängel kenntlich gemacht. Die Warenuntersuchung durch die Beklagte beschränkte sich indes allein auf eine visuelle Prüfung. Diese genüge den Anforderungen an § 377 HGB jedoch nicht.
Rüge verpätet
Soweit der Senat bzgl. Nut und Feder von verdeckten Mängeln ausgeht, sei auch insoweit die Rüge verspätet. Nach § 377 Abs. 3 HGB sind verdeckte Mängel unverzüglich nach der Entdeckung zu rügen. Nach Angaben der Beklagten seien diese Mängel auch sofort nach der Entdeckung mündlich gerügt worden. Unabhängig davon, fordert § 12 Ziff. 2 der Tegernseer Gebräuche allerdings eine schriftliche Mängelrüge, welche erst Mitte September erfolgte und somit nicht mehr unverzüglich war. Die Ware gilt daher als genehmigt.
Anmerkung
§ 377 Abs. 1 HGB statuiert, dass der Käufer die eingegangene Ware zu untersuchen und etwaige Mängel zu rügen hat. In welchem Umfang die Untersuchung zu erfolgen hat und welcher Zeitraum hierfür zur Verfügung wird in § 377 HGB jedoch nicht näher definiert. Insoweit kommt es auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (Komplexität der Ware, Menge etc.). Bei technisch komplizierten Mitteln hat die Rechtsprechung etwa eine Untersuchungsfrist von zwei Wochen angenommen, bei leicht verderblichen Lebensmitteln ist die Frist hingegen erheblich kürzer (Stunden- bis Tagesfrist). Hat der Käufer einen Mangel entdeckt, steht ihm eine Rügefrist von etwa 1-2 Tagen zur Verfügung, bei leicht verderblichen Lebensmitteln nur wenige Stunden. Gerade weil die Anforderungen an den Käufer letztlich von den Umständen des Einzelfalles abhängen, können sich vertragliche Regelungen anbieten, in denen etwa der Untersuchungs- und/oder Rügezeitraum festgelegt wird. Auch kann der Umfang der Untersuchung zwischen den Parteien näher bestimmt werden.
Ferner können auch Handelsbräuche die Anforderungen an die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit beeinflussen und diese sogar verschärfen. Eine Einbeziehung der Handelsbräuche in das Vertragsverhältnis ist dabei nicht notwendig. Sie gelten vielmehr kraft gesetzlicher Verweisung (§ 346 HGB) und unabhängig von der Kenntnis der Parteien.
Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies; Meike Kapp-Schwoerer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg
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