Ärztestreik: Protest bei den Ärzten: Praxishelferinnen sollen dah

Noch hat sich keine Streikfront in Weiß formiert. Doch bald soll es bei den niedergelassenen Ärzten losgehen - in der Politik mehren sich die kritischen Stimmen.

Mit teilweise verwaisten Praxen wollen Fachärzte in ganz Deutschland einen Vorgeschmack auf massive Proteste für mehr Honorar geben. Zum Wochenstart blieben die Patienten zunächst weitgehend verschont. Mehr als 30 ärztliche Verbände riefen ihre rund 100.000 Mitglieder am 10.9.2012 aber zur Beteiligung an Protesten auf. «Ab sofort machen die Ärzte Dienst nach Vorschrift», sagte der Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dirk Heinrich. Am 12.9.2012 würden die Ärzte für einen Tag die Praxishelferinnen abziehen.

Zunächst noch ruhig

Zunächst gab es keine Proteste in größerem Stil. Vertreter des NAV-Virchow-Bunds und weiterer Ärzteverbände sagten, Meldungen zu Protesten seien noch nicht eingegangen. Ob Ärzte bereits mitmachten, könne zunächst nur lokal geprüft werden, sagte eine Vertreterin des Verbands der Deutschen Urologen. Beim Verband der Niedergelassenen Chirurgen hieß es, die Mediziner seien über die Pläne informiert worden. Dem Verband der Frauenärzte lagen zunächst keine Angaben über Proteste vor. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) will sich erst in den kommenden Tagen einen Überblick verschaffen, wie ein Sprecher sagte.
Nun wollen die Mediziner zeigen, wie es ist, wenn nur der Arzt ohne Helfer in der Praxis ist. Auch kleinere Aktionen sollen starten. Kassen-Anfragen sollen eingeschränkt beantwortet, Bonushefte zu Bonusprogrammen einzelner Krankenkassen nicht ausgefüllt werden.

Krankenkassen werden unbürokratisch reagieren

Fraglich ist noch die Durchschlagskraft. Beim Branchenführer Barmer GEK etwa nehmen rund 500.000 Versicherte am Bonusprogramm «aktiv pluspunkten» teil, bei dem es auch Punkte etwa für die Teilnahme an Raucherentwöhnungs-, Ernährungskursen oder der Mitgliedschaft im Fitnessstudio gibt. «Längst nicht alle Angebote müssen also beim Arzt wahrgenommen werden», sagte ein Sprecher der dpa. Sollte ein Arzt eine Untersuchung nicht abstempeln, werde die Kasse unbürokratisch im Sinne des Versicherten handeln.

Treffen wird es die Patienten

Am 13.9.2012 wollen der NAV-Virchow-Bund und die KBV die Ergebnisse einer Urabstimmung zu möglichen Praxisschließungen bekanntgeben. Die Proteste beträfen die Kassen und nicht die Patienten, so Heinrich. Der Sprecher des Kassen-Verbands, Florian Lanz, entgegnete: «Wer, wenn nicht die Patienten, leidet darunter, wenn die Ärzte ihre Praxishelferinnen nicht arbeiten lassen?»

Nächster Verhandlungstermin: 15.9.2012

Die Ärzte richten sich dagegen, dass sie im kommenden Jahr nur gut 270 Millionen Euro mehr Honorar bekommen sollen. Gefordert hatten sie 3,5 Milliarden Euro mehr. Die letzte Verhandlungsrunde von KBV, Kassen-Verband und unabhängigen Schlichtern hatte die KBV vorübergehend platzen lassen. Dabei sollte eine Anrechnung steigender Krankheitslasten der Bevölkerung den Ärzten weitere Hunderte Millionen Euro zusätzlich bringen.
Der NAV-Virchow-Bund forderte Neuverhandlungen. Der nächste Termin der laufenden Verhandlungsrunde der KBV und des Spitzenverbands der Krankenkassen an diesem Samstag wurde von den Beteiligten bislang aber nicht infrage gestellt.
Das Nettoeinkommen der Praxisärzte allein aus dem Topf der gesetzlichen Kassen beträgt im Schnitt 5442 Euro pro Monat.

Bahr: Armutszeugnis der Selbstverwaltung

Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) rief zur Besonnenheit auf. Ärzte und Kassen sollten den Honorarstreit beilegen: «Es wäre ein Armutszeugnis der Selbstverwaltung, wenn Ärzte und Krankenkassen hier nicht beweisen, dass sie gemeinsam die Vergütung für Ärzte regeln können.» Die Linke-Gesundheitsexpertin Martina Bunge kritisierte: «Niedergelassene Ärzte zählen zu den Spitzenverdienern unter den Freiberuflern.» Die Verteilung sei aber ungerecht. Kritik kam auch von der Berliner Patientenbeauftragten Karin Stötzner: Viele Patienten äußerten Unverständnis oder Wut darüber, dass Ärzte ihre Interessen auf dem Rücken von Patienten durchsetzen wollten.

dpa

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