Jede 6. neue Arznei bringt deutlich mehr
Patienten in Deutschland bekommen auch nach dem Start strenger Arzneiprüfungen noch reihenweise Zugang zu neuen Medikamenten gegen schwere Krankheiten - aber nicht alle Mittel werden gut benotet. Eine erste Bilanz zeigt: Nur 4 von 25 geprüften Präparate bringen den Patienten im Vergleich zu bisherigen Therapien beträchtlich mehr. In 64 % der Fälle wurde insgesamt ein Zusatznutzen anerkannt - so das für die Bewertung zuständige höchste Gremium im Gesundheitswesen, der Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
Vielfach ist Zusatznutzen erkennbar
"In fast 2 Dritteln der Fälle hat der G-BA insgesamt einen Zusatznutzen anerkannt", sagte der Vorsitzende Josef Hecken. In dem Gremium entscheiden Vertreter der Ärzte, Krankenkassen und Kliniken auf wissenschaftlicher Basis unter anderem über den Nutzen neuer Therapien etwa gegen Herzleiden oder Krebs. Die Medikamente wurden von Pharmafirmen in der Regel nach jahrelanger Entwicklung mit immensen Umsatzhoffnungen auf den Markt gebracht.
Echte Innovationen werden nicht verhindert
Die Bestnote eines erheblichen Zusatznutzens sei bisher aber nicht vergeben worden. Beträchtlich mehr bringen demnach 4 neue Arzneimittel, geringfügig mehr 9. Kein Zusatznutzen sei bei 3 Mitteln festgestellt worden. "Die Zahlen widerlegen auch das Argument, mit den Prüfungen werde einseitig zu Lasten der Patienten Sparpolitik betrieben und Innovationen würden kaputtgeprüft", sagte Hecken. Pro Jahr gebe es nach internationalen Erfahrungen bei neuen Arzneien etwa 15 bis 20 % echte Innovationen.
Die Geschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Birgit Fischer, sagte der dpa: "Jetzt haben wir es amtlich. Die Neueinführungen der forschenden Pharma-Unternehmen bringen in aller Regel einen Zusatznutzen für Patienten." Die anderen Mittel würden aber aus formalen Gründen aus dem Markt gedrängt - und sollten noch eine Chance bekommen.
Patienten profitieren von stärkeren Prüfungen
Eine Reihe neuer Mittel sind nach Heckens Worten von den Firmen nicht zur Prüfung angemeldet worden, weil diese wohl selbst Probleme erwartet hätten. "In anderen Fällen werden Mittel auf Patienten beschränkt, die wirklich davon profitieren." Hersteller strebten dagegen eine breite Anwendung an. "Den Patienten wird auf verschiedene Weise geholfen", meinte der Ausschuss-Chef. "Übertriebene Hoffnungen in ein Präparat werden verhindert, das Risiko zu großer Nebenwirkungen minimiert."
Bereinigung im Bestandsmarkt steht an
In Kürze beginne der Ausschuss mit der Bewertung des Bestandsmarktes - also der bereits breit und oft mit Riesenumsätzen verkauften Mittel. Hecken: "Voraussichtlich werden zahlreiche Entscheidungen des G-BA zum Bestandsmarkt bis zum Bundessozialgericht überprüft." Gefordert sei daher absolute rechtliche Präzision. "Das ist eine gigantische Arbeit."
Hintergrund zu AMNOG
Früher stellte sich aus Sicht von Pharmakritikern zu häufig heraus, dass die neuen Mittel nicht viel besser wirken als alte – und nur viel teurer sind. Die Anfang 2011 in Kraft getretene schwarz-gelbe Pharmareform AMNOG legt fest: Die G-BA-Bewertung ist Basis für Preisverhandlungen zwischen Hersteller und Kassenverband. Nur was mehr bringt, soll auch mehr kosten. Zuvor hatten die Firmen die Preise frei festlegen können.
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