Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. keine Hilfe zur Pflege. nicht getrennt lebende Ehegatten aufgrund stationärer Unterbringung eines an Alzheimer erkrankten Ehepartners. Fortbestehen der Einstandspflicht gem § 19 SGB 12. Einkommens- und Vermögenseinsatz
Orientierungssatz
1. Ein Hilfebedürftiger hat keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen (hier: Hilfe zur Pflege gem § 61 SGB 12) unter Außerachtlassung des (Einkommens und) Vermögens des Ehegatten.
2. Ein die Einstandspflicht ausschließendes Getrenntleben von Ehegatten iS des § 19 Abs 1 bis 3 SGB 12 verlangt insbesondere, wenn äußere Umstände die Trennung erzwingen, einen darüber hinausgehenden Willen zur Aufgabe der Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft (Fortführung von LSG Darmstadt vom 29.7.2008 - L 7 SO 133/07 ER = FEVS 60, 212). Nicht bereits die (krankheitsbedingte) dauerhafte Unfähigkeit, einen Willen zur Fortführung der Gemeinschaft zu fassen und zu realisieren, sondern erst der aktive Wille, die eheliche Gemeinschaft aufzugeben, führt zu einem Getrenntleben. Allein die Unterbringung in einem Pflegeheim führt nicht zum Getrenntleben.
3. Zu einer Trennung kommt es nur dann, wenn der Ehegatte des Hilfebedürftigen die Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft mit ihm aufgibt und diesen entsprechenden Willen nach außen dokumentiert.
4. Ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege besteht nur, wenn das Vermögen des Hilfebedürftigen und dessen Ehegatten unter den sich aus § 19 Abs 3 iVm §§ 88 ff SGB 12 ergebenden Freigrenzen liegt.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. September 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsrechtszug Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege geltend, wobei insbesondere streitig ist, ob der Beklagte bei der Entscheidung hierüber das (Einkommen und) Vermögen ihres Ehemanns berücksichtigen durfte.
Die Klägerin ist 1941 geboren, leidet an Morbus Alzheimer sowie einem Korsakow-Syndrom und lebt seit 1. Juni 2007 im Alten- und Pflegeheim “D.„, A-Stadt (Heimvertrag vom xx. xxx. 2007). Vor dem Einzug in das Pflegeheim stellte ihr Ehemann und Betreuer am 22. Mai 2007 einen Antrag auf Übernahme der Heimpflegekosten bei dem Beklagten. Auf dessen Bitte reichte er verschiedene Unterlagen zur Einkommens- und Vermögenssituation beider Eheleute zu den Akten. Hinsichtlich des Vermögens gab er Bankguthaben in Höhe von 10.086,74 Euro und 20.782,39 Euro und Wertpapiere im Wert von 17.613,29 Euro an, denen er verschiedene Belastungen (u.a. einen Eigenanteil an den bisher angefallenen Pflegekosten) und Rücklagen (für ein neues Auto, einen neuen Computer und neue Möbel) gegenüberstellte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Leistungsakte Bl. 46 und die zugehörigen Unterlagen Bl. 31-54 verwiesen.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. August 2007 ab, da auf Grund des Vermögens Hilfebedürftigkeit nicht bestehe. Die Klägerin legte durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30. August 2007 Widerspruch ein. Die Eheleute bildeten auf Grund der sehr schweren Erkrankung und Behinderung der Klägerin keine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr. Sie lebten vielmehr getrennt. Das Vermögen ihres Ehemannes könne daher ihre Bedürftigkeit nicht ausschließen. Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2008 zurück. Der räumlich getrennte Aufenthalt eines Ehegatten in einem Heim und auch die Auflösung der Wirtschaftsgemeinschaft seien nur dann geeignet, ein Getrenntleben zu begründen, wenn sich aus den Umständen ergebe, dass mindestens einem der Ehegatten der Wille zur Fortsetzung der Lebensgemeinschaft fehle und er vielmehr den Willen habe, sich von dem anderen Ehegatten auf Dauer zu trennen. Das sei hier nicht zu erkennen.
Die Klägerin hat - nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 11. Juni 2008 - mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 1. Juli 2008, eingegangen bei Gericht am 2. Juli 2008, Klage zum Sozialgericht Darmstadt (SG) erhoben. In ihrem Namen ist geltend gemacht, sie sei nicht mehr in der Lage, sich mit ihrem Ehemann zu verständigen und etwas zu besprechen oder zu entscheiden. Es bestehe daher keine räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Eheleute mehr. Es gebe auch keine Wirtschaftsgemeinschaft, da eine gemeinsame Erledigung der die Ehegatten berührenden Fragen des Zusammenlebens nicht mehr möglich sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. September 2009 hat der Ehemann der Klägerin u.a. erläutert, er sei bereits seit dem Jahre 2003 Betreuer seiner an Alzheimer erkrankten Ehefrau. Bereits als sie noch in seinem Haushalt gelebt habe, sei sie völlig orientierungslos gewesen. Als er dann selbst erkrankt sei, sei er gezwungen gewesen, sie in Pflege zu geben, was er eigentlich nicht vorgehabt habe. Im Grunde könne man sagen, dass das Einzige, was sie derzeit noch tun könne...