Rz. 61
Die nunmehr ausdrücklich geregelte Frage der Pfändbarkeit von Geldleistungen für Kinder, für die ausdrücklich auf § 48 Abs. 1 Satz 2 verwiesen wird (vgl. dazu Komm. zu § 48), war früher weitgehend umstritten. Mit dem 1. SGBÄndG v. 20.7.1988 ist diese Frage mit der Regelung in (zunächst Abs. 4, jetzt) Abs. 5 klargestellt (vgl. dazu O.E. Krasney, NJW 1988 S. 2644). Danach sollen kinderbezogene Leistungen ihrem Zweck entsprechend dem davon wirtschaftlich begünstigten Kind zugute kommen und vor dem Zugriff anderer Gläubiger geschützt werden (so Begründung BT-Drs. 11/1004 S. 12). Im Ergebnis bedeutet dies, dass außerhalb der engen Voraussetzungen des Abs. 5 die Geldleistungen für Kinder unpfändbar sind, auch wenn diese dem Berechtigten als Sozialleistungsempfänger zustehen. Damit wird sichergestellt, dass diese Sozialleistung (idealerweise) auch den Kindern zugute kommt. Da bei Unterhaltsansprüchen die besonderen Pfändbarkeitsbestimmungen des § 850d ZPO gelten, hat die Ermittlung und Festsetzung des pfändbaren Betrages durch das Vollstreckungsgericht zu erfolgen. Dies hat daher die Voraussetzungen des Abs. 5 zu beachten.
Rz. 62
Zu den kinderbezogenen Leistungen gehört das Kindergeld nach dem BKGG und der Kinderzuschlag nach § 33b BVG, der allerdings nicht gezahlt wird, wenn Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG oder dem Einkommensteuerrecht besteht. Die Regelungen zum Kinderzuschlag nach § 270 SGB VI (vgl. Komm. dort) und § 217 Abs. 3 SGB VII (vgl. Komm. dort) sind nur noch als Übergangsregelungen vorgesehen und dürften heute kaum noch als kindbezogene Leistungen in Betracht kommen. Soweit § 149 SGB III den Leistungssatz auf 67 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt) bei Vorhandensein von Kindern erhöht, ist die Differenz gegenüber dem Leistungssatz von 60 % für kinderlose Personen nicht als eigenständige kindbezogene Leistung zu verstehen, sondern lediglich eine Berechnungsgröße für den Nettoentgeltersatz des Leistungsempfängers (Mrozynski, SGB I, 6. Aufl., § 54 Rz. 33; Lilge, in: Lilge/Gutzler, SGB I, 5. Aufl., § 54 Rz. 103). Für die Pfändbarkeit von Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG enthält § 76 EStG eine Abs. 5 entsprechende Regelung über die Begrenzung der Pfändbarkeit von Kindergeld und deren Aufteilung. Da allerdings das steuerrechtliche Kindergeld als Steuerfreibetrag ausgestaltet ist, erhöht dies das nach § 850c ZPO pfändbare Nettoeinkommen, was dazu führt, dass durch das Kindergeld als Steuerfreibetrag auch andere Gläubiger und nicht nur unterhaltsberechtigte Kinder auf ein höheres (Netto-)Arbeitseinkommen i. S. d. § 850c ZPO zugreifen können.
Rz. 63
Die Pfändung kinderbezogener Leistungen ist nur für den gesetzlichen Unterhaltsanspruch eines Kindes zugelassen, das bei der Festsetzung dieser Geldleistung berücksichtigt wurde. Dieses setzt voraus, dass das Kind gesetzliche Unterhaltsansprüche in Geld haben muss, die nicht erfüllt wurden; denn nur dann besteht überhaupt die Möglichkeit einer Pfändung. Ob ein Unterhaltsanspruch in Geld besteht, richtet sich nach dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht der §§ 1601 ff. BGB. Soweit Eltern für Kinder ihrer Unterhaltspflicht durch tatsächliche Pflege- und Betreuungsleistungen (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB) oder Naturalunterhalt (§ 1612 Abs. 2 BGB) nachkommen, besteht keine Unterhaltspflicht in Form einer Geldrente (§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch für Pflegekinder kommt, selbst wenn den Pflegeeltern Kindergeld gezahlt wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BKGG), eine Pfändung des Kindergelds mangels gesetzlicher Unterhaltsansprüche gegenüber den Pflegeeltern nicht in Betracht.
Rz. 64
Für den pfändbaren Betrag der kinderbezogenen Leistung in Form von Kindergeld wird in Abs. 5 Satz 2 nicht an den tatsächlichen Betrag des Kindergeldes, das für das die Pfändung betreibende Kind zu zahlen ist, angeknüpft, sondern für den pfändbaren Betrag besondere Regelungen getroffen. Diese laufen im Ergebnis auf eine gleichmäßige Verteilung der gesamten für Kinder zu erbringenden Leistung auf alle Kinder (Zahl und Zählkinder) auch für die Pfändbarkeit hinaus.
Rz. 65
Zu dem pfändbaren Betrag bestimmt Satz 2 Nr. 1. Satz 1 das Kindergeld, das dem Durchschnittsbetrag, der auf jedes Kind entfällt, entspricht. Das nach der Anzahl der Kinder gestaffelte Kindergeld [vgl. § 6 Abs. 1 BKGG; nach Art. 7, Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Familienentlastungsgesetz – FamEntlastG) v. 29.11.2018 (BGBl. I S. 2210) betrug das Kindergeld ab 1.7.2019 für das 1. und 2. Kind jeweils 204,00 EUR, für das 3. Kind 210,00 EUR und für das 4. und jedes weitere Kind jeweils 235,00 EUR], wird zusammengerechnet und dann durch die Zahl der Kinder geteilt. Bei 4 Kindern, die alle Zahlkinder sind, ergab sich daraus ab Juli 2019 je Kind ein pfändbarer Betrag von 213,25 EUR (853,00 EUR : 4). Nach Art. 5 Nr. 2, Art. 6 Abs. 1 des Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelung...