Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung eines Darlehens durch einstweiligen Rechtsschutz zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen als Voraussetzung für die Anmietung einer Wohnung. Genossenschaftsanteile. Wohnungsbeschaffungskosten. Mietkaution. Zusicherung. Zuständigkeit. Darlehen. Einstweilige Anordnung
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen für Genossenschaftsanteile, die dem Leistungsberechtigten bei Anmietung einer Wohnung entstehen, gehören zu den Wohnungsbeschaffungskosten i.S.v. § 22 Abs. 6 SGB II. Sie sind nicht als Mietkaution anzusehen.
Orientierungssatz
1. Umzugskosten, Wohnungsbeschaffungskosten sowie die Mietkaution können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Hierzu zählen auch Aufwendungen für den Erwerb von Anteilen an einer Wohnungsbaugenossenschaft, weil die mit dem Anteilserwerb einhergehende Mitgliedschaft dem Hilfeempfänger die Möglichkeit eröffnet, eine Genossenschaftswohnung zu mieten.
2. Solche Aufwendungen stellen Wohnungsbeschaffungskosten i. S. von § 22 Abs. 6 S. 1 SGB 2, und nicht eine Mietkaution dar, weil es sich bei Genossenschaftsanteilen um keine Sicherheitsleistung handelt, sondern um Aufwendungen zur Begründung einer gesellschaftsrechtlichen Stellung, nämlich derjenigen eines Genossenschaftsmitglieds.
3. Verweigert der Vermieter die Herausgabe der Schlüssel zur angemieteten Wohnung bis zur Zahlung der ersten Rate zum Erwerb der Genossenschaftsanteile, so besteht der zur Bewilligung eines Darlehens für den Erwerb der Genossenschaftsanteile erforderliche Anordnungsgrund, wenn angesichts drohender Wohnungslosigkeit das Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zumutbar erscheint.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 6, § 42a; BGB § 551; SGG § 86b Abs. 2
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.05.2011 geändert. Der Beigeladene wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen an der Gemeinnützigen Wohnungs-Genossenschaft X in Höhe von insgesamt 1.326,00 EUR, einschließlich Aufnahmegebühr, ein Darlehen in Höhe von 546,00 EUR, zahlbar innerhalb von drei Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses und ein Darlehen von 78,00 EUR, zahlbar am 01.07.2011 zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Beigeladene trägt die Kosten der Antragsteller in beiden Rechtszügen.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Kostenbeteiligung bewilligt und Rechtsanwältin B, L beigeordnet.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen die Verpflichtung die Aufwendungen zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen vorläufig darlehensweise zu übernehmen.
Die Antragsteller, eine Mutter mit ihrem minderjährigen Sohn, halten sich in einem Frauenhaus im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen auf. Der Beigeladene gewährte den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach §§ 19, 20 , 21 SGB II für die Zeit vom vom 01.04. bis 31.05.2011 und übernahm die anfallenden Unterkunftskosten im Frauenhaus.
Am 11.04.2011 erteilte der Beigeladene die Zustimmung zum Umzug in die Wohnung X-Straße 00, L. Am 26.04.2011 beantragte die Antragstellerin zu 1) die Übernahme der Kosten für den Erwerb der Genossenschaftsanteile für diese Wohnung. Sie legte ein Wohnungsangebot der Gemeinnützigen Wohnungs-Genossenschaft X vom 11.04.2011 über eine 62,61 qm große Wohnung X-Straße 00, L vor, deren Gesamtmiete 524,35 EUR beträgt. Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 26.04.2011 der Antragstellerin zu 1) mit, dass die Mietobergrenze um 10,35 EUR mtl. und die Heizkostenobergrenze um 22,00 EUR mtl. überschritten werde. Falls eine Anmietung der Wohnung erfolge, könne nur eine angemessene Miete in Höhe von 414,00 EUR zzgl. der Heizkosten von 78,00 EUR berücksichtigt werden. Der unangemessene Anteil von 32,35 EUR sei durch die Regelleistung bzw. den Mehrbedarf für Alleinerziehende zu decken.
Den Antrag auf Übernahme der Kosten zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen in Höhe von 1.300,00 EUR lehnte der Antragsgegner mündlich ab. Er vertrat die Auffassung, dass für die Übernahme der Kosten für den Erwerb der Genossenschaftsanteile der Beigeladene zuständig sei. Bei den Genossenschaftsanteilen handele es sich nicht um eine Mietkaution, die erst am Tag des Bezuges fällig sei und deren Höhe und Fälligkeit das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regele, sondern um eine Wohnungsbeschaffungsbeihilfe, über deren Bewilligung im Vorfeld zu entscheiden sei und deren Höhe sich nach der jeweiligen Satzung der Genossenschaft richte. Erst mit der Hinterlegung der Genossenschaftsanteile werde die Möglichkeit eröffnet, eine Genossenschaftswohnung anzumieten. Hiergegen legte die Antragstellerin zu 1) Widerspruch ein. Sie begehrte, die Erteilung einer Zustimmung zum Umzug sowie einer Zusicherung der darlehensweise Übernahme der Kosten für den Erwerb von Pf...