Bilanzierung von Versorgungsleistungen und vererblichen Versorgungsanwartschaften
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können Versorgungszusagen ihren Charakter als betriebliche Altersversorgung bewahren, selbst wenn die Leistungen nicht vom Ausscheiden des Begünstigten aus dem Dienstverhältnis abhängen (BFH-Urteile vom 5.3.2008, I R 12/07, Haufe Index 1986676 und v. 23.10.2013, I R 60/12, Haufe Index 6589099). Allerdings stellt der BFH zugleich klar, dass Pensionsleistungen in erster Linie dazu dienen, den Versorgungsbedarf zu decken und sie somit regelmäßig erst bei Wegfall der Bezüge aus der betrieblichen Tätigkeit gezahlt werden.
Das BMF hat sich mit Schreiben vom 18.9.2017 ausführlich mit der bilanzsteuerrechtlichen Behandlung von vererblichen Versorgungsanwartschaften und Versorgungsleistungen beschäftigt, deren Gewährung nicht vom Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis abhängen. Danach gilt:
Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG können grundsätzlich nur auf Basis der Leistungen angesetzt und bewertet werden, die nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis zu gewähren sind.
Versorgungszusagen ohne "Ausstiegsaussage"
Sofern eine Pensionszusage im Sinne des § 6a EStG keine Aussage dazu enthält, ob das Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis eine Voraussetzung dafür ist, dass die Versorgungsleistungen nach dem Eintritt des Versorgungsfalles gewährt werden, ist davon auszugehen, dass mit dem Leistungsbezug zeitgleich auch das Arbeitsverhältnis endet. Das BMF weist darauf hin, dass die Möglichkeit zur Ausübung des sog. "zweiten Wahlrechts" davon unberührt bleibt.
Hinweis: Das "zweite Wahlrecht" (geregelt in R 6a Abs. 11 Satz 3 ff EStR) besagt, dass bei der Ermittlung des Teilwerts der Pensionsanwartschaft nach § 6a Abs. 3 EStG anstelle des vertraglichen Pensionsalters für alle oder für einzelne Pensionsverpflichtungen als Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles der Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angenommen werden kann.
Weiter weist das BMF darauf hin, dass die Versorgungsverpflichtung in der Anwartschaftsphase nach den Grundsätzen zur Teilwertermittlung nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG bewertet werden muss.
Werden die schriftlich zugesagte Versorgungsleistungen bei Eintritt der Invalidität oder Erreichen der vereinbarten Altersgrenze gewährt, ist auch dann vom Eintritt des Versorgungsfalls auszugehen, wenn das Arbeitsverhältnis weiter bestehen bleibt. Ab diesem Zeitpunkt ist die Pensionsrückstellung dann nach den Grundsätzen des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG (Ansatz des Barwerts) zu berechnen.
Hinweis: Das BMF erklärt, dass die Aussagen in Rz. 2 des Schreibens vom 11.11.1999 (BStBl 1999 I S. 959) nicht weiter anzuwenden ist, nach denen
- eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 1 Betriebsrentengesetz nur vorliegt, wenn das Dienstverhältnis im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls formal beendet ist und
- eine Zusage, nach denen Leistungen ohne formale Beendigung des Dienstverhältnisses fällig werden, nicht als Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung anzusehen ist und für eine derartige Verpflichtung insoweit keine Rückstellung nach § 6a EStG gebildet werden darf.
Das BMF weist weiter darauf hin, dass Beiträge an Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds (unter den Voraussetzung der §§ 4 Abs. 4, 4c und 4e EStG) als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen - unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis für den Leistungsbezug beendet werden muss. Zuwendungen an Unterstützungskassen sind unter den Voraussetzungen des § 4d EStG als Betriebsausgaben abziehbar. Werden lebenslänglich laufende Leistungen zugesagt, ist das Deckungskapital (nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 Buchstabe a EStG) aber erst dann maßgebend, wenn der Leistungsberechtigte aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist. Der Grund: Nur ehemalige Arbeitnehmer können Leistungsempfänger im Sinne der vorgenannten Regelung sein.
Versorgungszusagen mit Aussicht auf "Parallelzahlung"
Sehen Pensionszusagen vor, dass die späteren Versorgungsleistungen neben dem laufenden Arbeitslohn bezogen werden können und steht der Ausscheidezeitpunkt noch nicht fest, muss dieser sachgerecht geschätzt und der Bewertung der Pensionsrückstellung nach § 6a EStG zugrunde gelegt werden. Anhaltspunkt für die schätzweise Ermittlung kann die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung oder das Ende des Anstellungsvertrags sein.
Teilweiser Bezug von Versorgungsleistungen "im Dienst"
Nimmt die leistungsberechtigte Person die zugesagte Versorgungsleistung bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze oder Eintritt der Invalidität nur teilweise in Anspruch (und wird der Beschäftigungsumfang und der Arbeitslohn entsprechend herabgesetzt), gilt der Versorgungsfall insoweit (= teilweise) als eingetreten. Für Bilanzstichtage, die zwischen der erstmaligen teilweisen Inanspruchnahme der Versorgungsleistungen und dem Erreichen des zulässigerweise gewählten Finanzierungsendalters (sog. rechnerisches Pensionsalter) liegen, muss für die Bewertung der Pensionsverpflichtung eine bilanzsteuerliche Zweitteilung erfolgen:
- Soweit Leistungen bereits gewährt werden, hat eine Bewertung nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG zu erfolgen (Ansatz des Barwerts).
- Für die noch nicht laufenden Leistungen muss bis zum Erreichen des maßgebenden rechnerischen Pensionsalters eine Bewertung nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG erfolgen.
Für Bilanzstichtage, die nach dem Erreichen des rechnerischen Pensionsalters liegen, bedarf es dieser Zweiteilung nicht, da in diesen Fällen die Bewertung von noch nicht laufenden Leistungen nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG dem Barwert nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EStG entspricht.
Hinweis: Die alten Regelungen zu Pensionsrückstellungen für betriebliche Teilrenten im Schreiben vom 25.4.1995 (BStBl. I, S. 250) werden vom BMF aufgehoben.
Blick auf die Körperschaftsteuer
Das BMF weist darauf hin, dass die körperschaftsteuerlichen Regeln für Gesellschafter- Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften unverändert bleiben. Eine Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer, die zwar die Vollendung des vereinbarten Pensionsalters voraussetzt, nicht aber dessen Ausscheiden aus dem Betrieb oder die Beendigung des Dienstverhältnisses, ist in der Anwartschaftsphase körperschaftsteuerrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sie führt nicht von vornherein zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (wegen Unüblichkeit oder fehlender Ernsthaftigkeit).
In der Auszahlungsphase der Pension führt die parallele Zahlung von Geschäftsführergehalt und Pension an Gesellschafter-Geschäftsführer jedoch insoweit zu einer verdeckten Gewinnausschüttung, wie das Aktivgehalt nicht auf die Pensionsleistung angerechnet wird. Die Auflösung der Pensionsrückstellung steht der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht entgegen.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist auch anzunehmen, wenn das Aktivgehalt und die Arbeitszeit nach Eintritt des Versorgungsfalls deutlich reduziert werden, weil eine Teilzeittätigkeit mit dem Aufgabenbild eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht vereinbar ist.
Vererbliche Versorgungsanwartschaften und Versorgungsleistungen
Eine Pensionsverpflichtung ist im Wege des § 6a EStG zu bewerten, wenn die Pensionszusage
- die Vererblichkeit von Versorgungsanwartschaften oder -leistungen vorsieht und
- nach der Zusage vorrangig die Witwe, der Witwer, steuerlich anerkannte Kinder, Pflegekinder, Stiefkinder oder frühere Ehegatten bzw. Lebensgefährten (= Hinterbliebene i. S. der Rz. 287 des BMF-Schreibens vom 24.7.2017, BStBl I, S. 1022) als Erben eingesetzt sind.
Soweit Leistungen im Vererbungsfall nicht an Hinterbliebene im vorgenannten Sinne erbracht werden, muss eine Bewertung der Leistungen nach den allgemeinen Regeln des § 6 EStG erfolgen.
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