Überarbeitetes Schreiben zur Abgeltungsteuer
Wie die Finanzverwaltung Einzelfragen zur Abgeltungsteuer beantwortet, war bereits ausführlich im BMF-Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl 2010 I S. 94) nachzulesen. Nachdem das BMF die Anweisung ein Jahr später punktuell geändert bzw. ergänzt hat (BMF-Schreiben 16.11.2010, BStBl 2010 I S. 1305), hat es nun mit Schreiben vom 9.10.2012 eine überarbeitete Komplettfassung veröffentlicht, die in weiten Teilen dem bisherigen Verwaltungsstandpunkt entspricht. Dennoch ergeben sich einige Neuerungen, die im Folgenden (unter Angabe der entsprechenden Randziffer) auszugsweise vorgestellt werden:
Veräußerung (Rz. 59)
Als Veräußerung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt neben der entgeltlichen Übertragung des (zumindest wirtschaftlichen) Eigentums auch die Abtretung einer Forderung, die vorzeitige oder vertragsmäßige Rückzahlung einer Kapitalforderung oder die Endeinlösung einer Forderung oder eines Wertpapiers. Das BMF weist darauf hin, dass eine Veräußerung nicht anzunehmen ist, wenn der Veräußerungspreis nicht höher als die tatsächlichen Transaktionskosten ist.
Tausch von Wertpapieren (Rz. 65, 66)
Als Veräußerungserlös für die hingegebenen Wertpapiere ist der Börsenkurs der erlangten Wertpapiere am Tag der Depoteinbuchung anzusetzen. Ist dieser Börsenkurs nicht zeitnah ermittelbar, beanstandet das BMF es nicht, wenn stattdessen auf den Börsenkurs der hingegebenen Wertpapiere abgestellt wird. Spiegelbildlich gilt dies auch für den Ansatz der Anschaffungskosten für die erlangten Wertpapiere.
Umqualifizierung von Einkünften beim Gesellschafter (Rz. 72)
Kapitalerträge i.S.d. § 20 EStG, die von einer Personengesellschaft erzielt werden, müssen gesondert und einheitlich festgestellt werden. Veräußerungsvorgänge einer vermögensverwaltenden Gesellschaft (die den Tatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllen) müssen als Gewinn bzw. Verlust gesondert und einheitlich festgestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn ein oder mehrere Gesellschafter mit der Veräußerung den Tatbestand des § 17 EStG verwirklicht haben. Erst auf Ebene der Gesellschafter erfolgt dann bei der Veranlagung zur Einkommensteuer eine (Um-)Qualifizierung als Vorgang nach § 17 EStG.
Eintritt eines Gesellschafters (Rz. 75)
Beim Neueintritt eines Gesellschafters in eine Gesellschaft veräußern zugleich die Altgesellschafter einen Anteil der Wirtschaftsgüter an den neuen Gesellschafter. Als Gewinn aus der Veräußerung der einzelnen Wirtschaftsgüter muss der dem Altgesellschafter zuzurechnende Anteil der Einlage oder des Verkaufspreises, der nach dem Verhältnis der Verkehrswerte der veräußerten Wirtschaftsgüter zueinander auf das entsprechende Wirtschaftsgut entfällt, angesetzt werden (abzüglich des Anteils der Anschaffungskosten der an den Neugesellschafter veräußerten Wirtschaftsgüter). Das BMF veranschaulicht die steuerlichen Konsequenzen eines Neueintritts in einem ausführlichen Beispiel.
Schadenersatz als Kapitaleinkünfte (Rz. 83)
Sofern Anleger eine Entschädigungszahlung für einen Beratungsfehler bei der Kapitalanlage erhalten, gehören diese Zahlungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 3 i.V.m. § 20 Abs. 1 oder 2 EStG). Voraussetzung ist allerdings, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer konkreten einzelnen Transaktion besteht und dass dabei ein konkreter Verlust entstanden ist oder ein steuerpflichtiger Gewinn vermindert wurde. Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des BMF auch bei Entschädigungszahlungen für künftig zu erwartende Schäden.
Aktiensplit und Reverse-Split (Rz. 87)
Wird eine Aktie in eine oder mehrere Aktien aufgeteilt, spricht man von einem sog. Aktiensplit. Bei einem solchen Vorgang bleiben der Gesellschaftsanteil des Aktionärs und das Grundkapital der Gesellschaft unverändert. Die bei einem Aktiensplit zugeteilten Aktien werden durch diesen Vorgang nicht angeschafft und die gesplittete Aktie nicht veräußert. Als Tag der Anschaffung des Aktienbestands gilt weiterhin der Tag, an dem die jetzt gesplitteten Aktien angeschafft wurden. Die Anschaffungskosten der Aktien sind nach dem Split-Verhältnis auf die neue Anzahl an Aktien aufzuteilen. Das BMF weist darauf hin, dass diese Grundsätze auch dann gelten, wenn mehrere Aktien zu einem Wertpapier zusammengefasst werden (sog. Reverse-Split).
All-in-fee (Rz. 93)
Während Depot- und Vermögensverwaltungsgebühren im System der Abgeltungsteuer nicht mehr als Werbungskosten abziehbar sind, dürfen Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Veräußerungsgeschäft stehen, steuermindernd abgezogen werden. Anteilig abziehbar ist auch ein pauschales Entgelt, das vom Kreditinstitut erhoben wird und Transaktionskosten mit abdeckt (sog. all-in-fee). Aus Vereinfachungsgründen lässt es das BMF zu, einen Anteil von bis zu 50 % der gesamten Gebühr zu berücksichtigen. Voraussetzung ist allerdings, dass die in der all-in-fee enthaltene (abziehbare) Transaktionskostenpauschale auf einer sachgerechten und nachprüfbaren Berechnung beruht.
Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG (Rz. 119a, 119b)
Verluste aus Kapitaleinkünften, die dem besonderen Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, dürfen nach Auffassung des BMF nicht mit positiven Erträgen aus Kapitaleinkünften verrechnet werden, die der tariflichen Steuer nach § 32d Abs. 2 EStG unterliegen. Es ist zu beachten, dass eine Verlustverrechnung vorrangig vor der Gewährung des Sparer-Pauschbetrags durchzuführen ist. D.h. der Sparer-Pauschbetrag ist nur dann zu berücksichtigen, wenn nach Verrechnung sämtlicher positiver und negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen noch positive Einkünfte verbleiben.
Keine Ermäßigung der Abgeltungsteuer (Rz. 132)
Das BMF erklärt, dass die pauschale Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG nicht um Steuerermäßigungen gemindert werden kann, die für die „reguläre“ tarifliche Einkommensteuer gelten (z.B. Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG oder bei der Belastung mit Erbschaftsteuer nach § 35b EStG).
Option zur Regelbesteuerung bei unternehmerischer Beteiligung (Rz. 139)
Wer an einer Kapitalgesellschaft unternehmerisch beteiligt ist, kann die Regelbesteuerung beantragen und die 25 %-ige Abgeltungsteuer sozusagen „abwählen“ (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG). Von einer unternehmerischen Beteiligung geht das Gesetz aus, wenn der Steuerpflichtige zu mindestens 25 % an der Gesellschaft beteiligt ist – oder er für die Gesellschaft beruflich tätig ist und mindestens 1 % der Anteile hält. Das BMF weist darauf hin, dass die notwendige Beteiligungsquote im Veranlagungszeitraum, für das der Antrag gestellt wird, nur zu irgendeinem Zeitpunkt bestehen muss. Wird die Beteiligungsquote in einem späteren Jahr nicht mehr erreicht, entfaltet die vorher ausgeübte Option keine Wirkung mehr.
Ausübung des Veranlagungswahlrechts (Rz. 145)
Das BMF weist darauf hin, dass das Veranlagungswahlrecht nach § 32d Abs. 4 EStG noch bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids ausgeübt werden kann.
Antrag auf Günstigerprüfung (Rz. 149)
Auch der Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG kann noch bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids gestellt werden.
Depotübertragung mit Gläubigerwechsel (Rz. 165)
Wird bei einem Erbfall ein Depot auf die Erben übertragen, ist nach Auffassung des BMF von einer unentgeltlichen Depotübertragung auszugehen, wenn ein Erbschein oder eine Erblegitimation vorgelegt werden kann. Da die Kreditinstitute beim Tod eines Kunden bereits eine Mitteilung an das Erbschaftsteuerfinanzamt abgeben müssen (§ 33 ErbStG), ist eine zusätzliche Meldung nach § 43 Abs. 1 Satz 6 EStG nicht erforderlich. Das BMF lässt diese Grundsätze auch in Fällen gelten, in denen ein Bevollmächtigter (aufgrund einer Vollmacht über den Tod hinaus oder aufgrund einer Vollmacht für den Todesfall) unentgeltliche Depotüberträge von Nachlassdepots an sich selbst vornimmt, ohne dass der Nachlass durch Erbschein oder andere Erblegitimation geklärt werden muss. Gleiches gilt bei einem Oder-Depot, wenn der Übertrag auf den überlebenden Berechtigten erfolgt ist. In den Fällen, in denen sowohl der Treuhänder als auch der Treugeber bekannt sind (offene Treuhand) und eine Übertragung zwischen Treugeber und Treuhänder erfolgt, ist keine Meldung erforderlich.
Übernahme der Kapitalertragsteuer (Rz. 183a)
Das BMF erklärt anhand eines neu eingefügten Beispiels, wie sich die Abgeltungsteuer berechnet, wenn der Schuldner der Kapitalerträge die Kapitalertragsteuer für den Gläubiger übernimmt.
Anrechnung ausländischer Quellensteuer (Rz. 207a)
In einer neu eingefügten Randziffer erklärt das BMF, wie ausländische Steuern bei einem Erstattungsanspruch im ausländischen Staat anzurechnen sind.
Korrektur des Steuerabzug (Rz. 241 ff.)
Das BMF erklärt, wie Korrekturen beim Steuerabzug (§ 43a Abs. 3 Satz 7 EStG) vorzunehmen sind und bildet zur Veranschaulichung zahlreiche Fallbeispiele.
Widerruf eines Freistellungsauftrags (Rz. 259)
Sofern ein Freistellungsauftrag im laufenden Jahr noch nicht genutzt wurde, lässt es das BMF neuerdings zu, dass er (rückwirkend) zum 1.1. des laufenden Jahres widerrufen wird. Bereits gedruckte Muster der Freistellungsaufträge, die diese neue Möglichkeit noch nicht beinhalten, können noch bis zum 30.6.2013 weiterverwendet werden.
NV-Bescheinigung und Freistellungsaufträge bei nicht steuerbefreiten Körperschaften (Rz. 280)
Auch Körperschaften, die Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen, können den Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR nutzen. Ebenso wie natürliche Personen können sie (nach gleichem Muster) einen Freistellungsauftrag erteilen. Das BMF erklärt, dass auf dem Formular keine Identifikationsnummer eingetragen sein muss.
Erstattung der Abgeltungsteuer in besonderen Fällen (Rz. 300a, 300b)
Das BMF erklärt, wann bei steuerbefreiten Körperschaften und inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts eine Erstattung der Kapitalertragsteuer in besonderen Fällen in Betracht kommt.
BMF, Schreiben v. 9.10.2012, IV C 1 - S 2252/10/10013
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