Geänderte Anforderungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen
Innergemeinschaftliche Lieferungen
Lieferungen an Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat, die dort der Erwerbsbesteuerung unterliegen, sind im Ausgangsmitgliedstaat als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Dazu müssen bestimmte, unionsrechtlich einheitlich vorgeschriebene, Voraussetzungen erfüllt und auch buch- und belegmäßig nachgewiesen sein. Nachdem der EuGH in seiner Rechtsprechung insbesondere die Notwendigkeit des Nachweises der USt-IdNr. des Leistungsempfängers als zwingende Voraussetzung für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung infrage gestellt hatte, wurden durch die sog. "Quick Fixes" unionseinheitlich die Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zum 1.1.2020 nachjustiert. Durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität wurden diese Vorgaben in das nationale Recht übernommen. Die Veränderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Voraussetzung für die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung ist die zutreffende Angabe der jeweiligen Lieferung in der Zusammenfassenden Meldung nach § 18a UStG. Die Möglichkeiten einer Berichtigung der Zusammenfassenden Meldung nach § 18a Abs. 10 UStG bleiben unberührt.
- Der Leistungsempfänger (Unternehmer oder juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt) muss in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst sein.
- Der Leistungsempfänger hat gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige USt-IdNr. verwendet.
Darüber hinaus waren unionsrechtlich zum 1.1.2020 erstmalig Vermutungsregelungen aufgenommen worden, die für den Nachweis des Gelangens des Gegenstands in den anderen Mitgliedstaat gelten.
Wichtig: Diese Regelungen waren in Art. 45a MwStSystRL-DVO aufgenommen worden und gelten damit ab dem 1.1.2020 automatisch in allen Mitgliedstaaten. In Deutschland sind diese Regelungen – verbal leicht angepasst – in § 17a UStDV aufgenommen worden. Die bisherigen Nachweise für das Gelangen des Gegenstands in einen anderen Mitgliedstaat (bisher § 17a ff. UStDV a. F.) gelten aber weiterhin und sind jetzt in § 17b ff. UStDV erfasst.
Zusammenfassende Meldung als Voraussetzung für Steuerbefreiung
Die Finanzverwaltung hat jetzt erstmalig in Abschn. 4.1.2 UStAE Hinweise zur Zusammenfassenden Meldung als Voraussetzung für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung aufgenommen. Seit dem 1.1.2020 ist Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG, dass die Lieferung richtig, vollständig und fristgerecht in der Zusammenfassenden Meldung nach § 18a UStG aufgenommen worden ist. Da die Zusammenfassende Meldung erst nach der Umsatzsteuer-Voranmeldung abgegeben wird (soweit keine Dauerfrist-Verlängerung vorliegt), stellt die Finanzverwaltung fest, dass die Feststellung, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, immer erst nachträglich getroffen werden kann.
Berichtigung der Zusammenfassenden Meldung
Ist eine Lieferung nicht zutreffend in der Zusammenfassenden Meldung erfasst worden, kann der Unternehmer die Zusammenfassende Meldung berichtigen. Die Berichtigung ist nach § 18a Abs. 10 UStG innerhalb eines Monats vorzunehmen, nachdem der Unternehmer festgestellt hat, dass die Meldung unrichtig erfolgt ist.
Die Berichtigung muss für den Meldezeitraum erfolgen, in dem die Lieferung erfolgt ist. Die Finanzverwaltung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Lieferung nicht steuerfrei ist, wenn die Berichtigung für den Meldezeitraum vorgenommen wird, in dem der Fehler festgestellt wird. Dies gilt insbesondere, wenn versehentlich ein falscher Betrag in der zutreffenden Zusammenfassenden Meldung erfasst worden ist und dies später festgestellt wird. In diesem Fall muss die ursprüngliche Meldung berichtigt werden.
Weiterhin soll sich danach keine Steuerfreiheit ergeben, wenn der Fehler nicht binnen eines Monats berichtigt wird, nachdem der Fehler festgestellt worden ist.
Verwendung der USt-IdNr.
Ausführlich nimmt die Finanzverwaltung auch zu den erweiterten Voraussetzungen für die innergemeinschaftliche Lieferung Stellung. Insbesondere wird in einem neuen Abschn. 6a.1 Abs. 19 UStAE zu der Verpflichtung Stellung genommen, dass der Leistungsempfänger eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. verwenden muss. Die Verwendung setzt danach ein positives Tun voraus.
Wichtig: Die Finanzverwaltung verweist in diesem Zusammenhang auf die von ihr schon früher vorgenommenen Feststellungen zur Verwendung einer USt-IdNr. bei der Ausführung von sonstigen Leistungen i. S. d. § 3a Abs. 2 UStG (Abschn. 3a.2 Abs. 10 UStAE). In diesem Zusammenhang erweitert die Finanzverwaltung die Möglichkeiten, die Verwendung der USt-IdNr. nachzuweisen. Neben der schriftlichen Verwendung der USt-IdNr. bei Vertragsabschluss, der Aufzeichnung bei mündlicher Erteilung oder der Verwendung in einem Grundlagenvertrag liegt nach der jetzt erfolgten Ergänzung ein positives Tun auch dann vor, wenn der Leistungsempfänger die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat und der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist, der leistende Unternehmer seinen Meldepflichten nach § 18a UStG nachgekommen ist und die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die USt-IdNr., die nach § 18a Abs. 7 UStG in der Zusammenfassenden Meldung angegeben wurde, enthält.
Eine besondere Feststellung wird von der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit Organschaften vorgenommen: Erteilt die Steuerverwaltung eines anderen Mitgliedstaats einem Organkreis nur eine USt-IdNr., ist diese bei der Verwendung durch die Organgesellschaft gegenüber einem inländischen Unternehmer anzuerkennen.
Wichtig: Eine wichtige Modifizierung nimmt die Finanzverwaltung im Zusammenhang mit der Verwendung der USt-IdNr. vor. Die nachträgliche Verwendung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer entfaltet danach für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung (Abschn. 6a.1 Abs. 19 Satz 3 UStAE).
Die Notwendigkeit der Angabe der zutreffenden USt-IdNr. in der Zusammenfassenden Meldung gilt nach der ausdrücklichen Feststellung der Finanzverwaltung auch in den Fällen des innergemeinschaftlichen Verbringens nach § 6a Abs. 2 UStG (Abschn. 6a.1 Abs. 21 Satz 3 UStAE).
Vermutungsregelung hat kaum praktische Bedeutung
Im Übrigen gibt die Finanzverwaltung Hinweise zu der neu in § 17a UStDV aufgenommenen Vermutungsregelung für das Gelangen eines Gegenstands in den anderen Mitgliedstaat gem. Art. 45a MwStSystRL-DVO. Ausdrücklich wird festgestellt, dass die unionsrechtlichen Vorgaben eine Alternative zu den bisherigen nationalen Nachweismöglichkeiten darstellen. Da die (bisherigen) nationalen Vorschriften nur einen Beleg erfordern, die unionsrechtliche Vermutungsregelung aber mindestens 2 Belege erfordert, die von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die zudem vom Unternehmer und Abnehmer unabhängig sind, kommt diesen neuen Möglichkeiten in der Praxis kaum eine Bedeutung zu.
Konsequenzen für die Praxis
Die neuen Regelungen zu den Voraussetzungen und den Nachweisen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung sind zwar formal Verschärfungen. Unternehmer, die bisher rechtssicher steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen ausführen wollten, haben diese Voraussetzungen i. d. R. auch schon vor dem 1.1.2020 erfüllt.
Zu beachten ist aber insbesondere der Hinweis der Finanzverwaltung zur Berichtigung einer unzutreffend in einer Zusammenfassenden Meldung erfassten innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Steuerfreiheit soll danach für die Lieferung nur dann aufleben, wenn die Korrektur innerhalb eines Monats nach Erkennen des Fehlers erfolgt und die ursprüngliche Zusammenfassende Meldung innerhalb dieser Zeit korrigiert wurde.
Innergemeinschaftliches Verbringen: Konsignationslager-Fälle können problematisch werden
Ein großes Problem kann sich aus dem kurzen Hinweis der Finanzverwaltung ergeben, dass für ein steuerfreies innergemeinschaftliches Verbringen i. S. d. § 6a Abs. 2 UStG ebenfalls erforderlich ist, dass dieses in der Zusammenfassenden Meldung angegeben wurde. Die zutreffende Meldung in der Zusammenfassenden Meldung setzt voraus, dass der verbringende Unternehmer eine USt-IdNr. aus dem Bestimmungsland haben muss. Dies sollte dann kein Problem darstellen, wenn der Unternehmer in dem anderen Mitgliedstaat über eine feste Einrichtung verfügt. Seit dem 1.1.2020 müssen aber in diesem Zusammenhang auch die Regelungen zum Konsignationslager nach § 6b UStG beachtet werden. Liegen bei dem Transport von Gegenständen in einen anderen Mitgliedstaat die Voraussetzungen für die Konsignationslagerregelung zwar vor, entfallen dann aber diese Voraussetzungen – z. B. weil die Waren nicht an den vorbestimmten Abnehmer geliefert werden oder weil sie zerstört oder gestohlen werden – ist in diesem Moment ein innergemeinschaftliches Verbringen anzunehmen. Im Regelfall wird in diesen Fällen der Unternehmer keine USt-IdNr. aus dem Bestimmungsland haben.
Nachträgliche Verwendung der USt-IdNr. birgt Risiken
Positiv ist festzustellen, dass sich die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auch ergeben kann, wenn eine im Zeitpunkt der Lieferung gültige USt-IdNr. nachträglich verwendet wird. Allerdings muss in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass für den leistenden Unternehmer dabei ein erhebliches Risiko besteht. Wird die USt-IdNr. nachträglich von dem Leistungsempfänger verwendet, wird der leistende Unternehmer kaum nachprüfen können, ob diese USt-IdNr. schon im Zeitpunkt der Lieferung gültig war. Bei den Bestätigungsabfragen beim BZSt wird einem Unternehmer nur bestätigt, dass die USt-IdNr. in diesem Zeitpunkt gültig ist – seit wann diese USt-IdNr. gültig ist, kann zumindest derzeit nicht vom leistenden Unternehmer abgefragt werden.
Offene Frage: Qualifizierte Bestätigung
Leider hat die Finanzverwaltung keine Hinweise zu einer Frage gegeben, die derzeit die Praktiker verunsichert. Die innergemeinschaftliche Lieferung setzt (seit dem 1.1.2020) ausdrücklich voraus, dass die vom Leistungsempfänger verwendete USt-IdNr. ihm erteilt worden ist und im Zeitpunkt der Lieferung gültig ist. Dies ist regelmäßig durch die qualifizierte Bestätigung beim BZSt nachzuweisen. Liefert ein Unternehmer regelmäßig an denselben Abnehmer, stellt sich die Frage, ob jedes Mal eine qualifizierte Abfrage vorgenommen werden muss. Grundsätzlich kann dies eigentlich nicht dem Sinn und Zweck der Regelung entsprechen. In der Praxis kann es aber sinnvoll sein, mindestens einmal im Jahr eine solche qualifizierte Bestätigungsabfrage vorzunehmen und zusätzlich, wenn außergewöhnliche Geschäfte ausgeführt werden.
Zeitliche Anwendung
Die Grundsätze gelten für alle nach dem 31.12.2019 ausgeführten Lieferungen.
BMF, Schreiben v. 9.10.2020, III C 3 - S 7140/19/10002 :007
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