Grenzüberschreitende Anrechnung von Körperschaftsteuer

Die Finanzverwaltung hat die Entwicklung der Rechtsprechung zu den sog. Meilicke-Fällen zusammengestellt. Es geht darin um die Voraussetzungen für eine Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer. Erörtert werden auch eventuelle Änderungsmöglichkeiten für bestandskräftige Bescheide.

Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer 

Der Steuerpflichtige Heinz Meilicke hatte für Jahre bis 2000 die Anrechnung dänischer und niederländischer Körperschaftsteuer auf seine Einkommensteuer beantragt (entgegen § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG a. F.). Nachdem dies vom Finanzamt abgelehnt worden war, entbrannte ein langer Finanzrechtsstreit; sogar der EuGH war 2x mit dem Fall befasst (EuGH, Urteil v. 6.3.2007, Rs. C-292/04 – Meilicke I und Urteil v. 30.6.2011, Rs. C 262/09 – Meilicke II), gefolgt von einem Schlussurteil des BFH (BFH, Urteil vom 15.1.2015, I R 69/12) und einer nicht angenommenen Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Beschluss v. 29.3.2016, 2 BvR 1452/15).
Das Resultat: Grundsätzlich kann auch EU-ausländische Körperschaftsteuer auf die deutsche Steuerschuld (ESt oder KSt) angerechnet werden; sonst läge ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vor. § 36 Abs. 2 EStG wurde entsprechend geändert.

Problem des Nachweises

Allerdings wird für eine Anrechnung eine ordnungsgemäße KSt-Bescheinigung der ausschüttenden ausländischen Gesellschaft oder ein vergleichbarer anderer Nachweis gefordert. Nicht ausreichend ist jedenfalls eine aus dem KStG abgeleitete Bescheinigung einer Bank. In der Praxis werden die Nachweisanforderungen in vielen Fällen eine nahezu unüberwindbare Hürde darstellen. Doch im Detail herrscht nach wie vor Unklarheit, welche konkreten materiell-rechtlichen Anforderungen an den Nachweis der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der empfangenen ausländischen Dividende zu stellen sind. Dies wird derzeit auf Bundesebene erörtert.

Fallgruppen

Lediglich Anträge auf Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer, die ggf. bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt werden können, werden entsprechend den folgenden 3 Fallgruppen entschieden.

  • Fallgruppe 1 - Anträge in bestandskräftigen und nicht bestandskräftigen Fällen bis einschließlich VZ 1995: Wurde der Antrag nach Eintritt der Zahlungsverjährung gestellt, ist der Antrag abzulehnen. Im Übrigen erfolgt eine Ablehnung, wenn nur solche Umstände vorgetragen werden, die im Rechtsmittelverfahren hätten geltend gemacht werden können. Ist beides nicht gegeben, käme grundsätzlich eine Anrechnung in Betracht; jedoch werden solche Anträge momentan nicht entschieden. Es wird die weitere Erörterung zur Frage der konkreten materiell-rechtlichen Anforderungen an den Nachweis der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung abgewartet.
  • Fallgruppe 2 - Anträge bei nicht bestandskräftiger Steuerfestsetzung ab VZ 1996: Diese Anträge werden derzeit generell zurückgestellt bis die Frage der materiell-rechtlichen Anforderungen an den Nachweis geklärt ist.
  • Fallgruppe 3 - Anträge bei bestandskräftiger Steuerfestsetzung ab VZ 1996: Ist bereits Festsetzungsverjährung eingetreten, wird der Antrag als unbegründet abgelehnt. Ein Antrag auf schlichte Änderung (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO) wird ebenfalls abgelehnt unter Hinweis auf das Urteil des BFH v. 27.7.1982, VII R 30/80. Dem soll die Rechtsprechung des EuGH Rs. Kühne & Heitz NV, C-453/00 nicht entgegenstehen. Ist noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, ist § 173 AO zu prüfen. Dabei scheitert eine Änderung einer Steuerfestsetzung vor dem 6.3.2007 an der Rechtserheblichkeit der Tatsachen oder Beweismittel. Diese lag für die Nachweise für ausländische Körperschaftsteuer erst mit Ergehen des EuGH-Urteils v. 6.3.2007 (Meilicke I) vor. Käme eine Änderung nach § 173 AO in Betracht, ist über den Antrag momentan nicht zu entscheiden bis die Nachweisfrage geklärt ist.

Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

Diese Norm ist nicht einschlägig; es wird auf das BFH-Urteil v. 9.11.2011, VIII R 18/08 verwiesen. Da der Anrechnungsbetrag im Ausland gezahlter Körperschaftsteuer „unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Beweismittel” belegt werden kann, ist dazu keine gesetzlich geregelte Bescheinigung, z.B. in Form einer Steuerbescheinigung i.S.d. § 44 KStG a. F. erforderlich (so BFH, Urteil v. 15.1.2015, I R 69/12, Rz. 41).

Korrektur nach § 173 AO 

Eine Bescheinigung bzw. sonstige Nachweise über ausländische Körperschaftsteuer stellt ein Beweismittel i.S.d. § 173 AO dar. Eine Änderung kommt aber nur in Betracht, wenn die neue Tatsache bzw. das Beweismittel für die ursprüngliche Steuerfestsetzung rechtserheblich gewesen wären. Dies bedeutet, das Finanzamt hätte bei rechtzeitiger Kenntnis die Tatsache bzw. das Beweismittel schon bei früherer Kenntnis bei der Besteuerung berücksichtigt. Die Rechtserheblichkeit der Nachweise ist dem EuGH-Urteil am 6.3.2007 Rs. Meilicke I eingetreten. Daraus folgt, dass für Steuerfestsetzungen vor dem 6.3.2007 eine Korrektur nach § 173 AO mangels Rechtserheblichkeit der Tatsachen oder Beweismittel ausscheidet.

Korrektur nach § 172 AO 

Wie zu § 173 AO ist auch bei § 172 AO keine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung zwischen Steuerbescheid und Anrechnungsverfügung vorzunehmen. Bei einem Antrag auf schlichte Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO steht dem Finanzamt ein Ermessen zu. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass es dem Steuerpflichtigen zumutbar gewesen wäre, in einem Einspruchsverfahren eine Änderung der Steuerfestsetzung zu seinen Ungunsten herbeizuführen, um die Änderung der Anrechnungsverfügung zu seinen Gunsten zu ermöglichen. Bei einer vergleichbaren Fallkonstellation hat der BFH eine Änderung abgelehnt (BFH, Urteil v. 27.7.1982, VII R 30/80).

Keine Anrechnung bei Zahlungsverjährung 

Eine Anrechnung von Steuerbeträgen unterbleibt, wenn für die betreffenden Jahre bereits Zahlungsverjährung (§§ 228 ff. AO) eingetreten ist. Die Frist beginnt mit Bekanntgabe der betreffenden Steuerfestsetzungen, egal ob sich daraus eine Nachzahlung oder Erstattung ergibt. Die Frist dauert grundsätzlich 5 Jahre. Zwar kann der Fristablauf auch durch den Steuerpflichtigen unterbrochen werden. Dazu ist aber ein Einspruch gegen den ESt- oder KSt-Bescheid oder eine Zahlung nur unter Vorbehalt nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es einer schriftlichen Aufforderung zur Festsetzung und Erfüllung eines nach Art und Umfang bezeichneten Erstattungsanspruchs. Insbesondere ohne Benennung eines konkreten Anrechnungsbetrag ist keine Unterbrechung der Zahlungsverjährung eingetreten.

FinMin Schleswig-Holstein, Körperschaftsteuer-Kurzinformation v. 25.2.2020, VI 314 - S 2810 - 011


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