Keine Pauschalsteuer mehr für "Aufmerksamkeiten" an Dritte
Es sind häufig die kleinen Nebensätze, die große Wirkung entfalten. Bestes Beispiel ist die Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 10.10.2012 zur Steuerpauschalierung bei Sachzuwendungen nach § 37b EStG. Scheinbar beiläufig erklärt die OFD darin, dass nicht nur Aufmerksamkeiten an Arbeitnehmer, die einen Wert von max. 40 EUR haben, von der Steuerpauschalierung des § 37b EStG auszunehmen sind, sondern auch Aufmerksamkeiten an Dritte. Diese Verlautbarung ist für die Praxis höchst relevant, da demnach Aufmerksamkeiten an Kunden mit einem Wert von max. 40 EUR (z. B. Pralinen, Blumensträuße) künftig nicht mehr in die Bemessungsgrundlage der Pauschalsteuer einzubeziehen sind. Die Kosten für die 30 %-ige Pauschalsteuer können Unternehmen somit einsparen.
Hinweis: Der DStV weist in einer aktuellen Pressemitteilung darauf hin, dass diese Neuregelung nach Rücksprache mit dem BMF bundesweit anwendbar ist (Abstimmung zwischen Bund und Ländern erfolgt). Ein entsprechend geändertes BMF-Schreiben zur Pauschalierung nach § 37b EStG soll noch ergehen.
Weitere Aspekte der Verfügung
Die OFD-Verfügung beinhaltet neben der vorgenannten Neuregelung noch andere Aspekte der Steuerpauschalierung:
Allgemeines
Nach § 37b EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer auf betrieblich veranlasste Sachzuwendungen an Arbeitnehmer und Nichtarbeitnehmer pauschal mit 30 % erheben (Wahlrecht).
Hinweis: Eine Besteuerung auf Seiten des Beschenkten entfällt im Fall der pauschalierten Besteuerung.
Steuerpauschalierung bei Kommunen
Die OFD weist darauf hin, dass die Steuerpauschalierung auch von Körperschaften des öffentlichen Rechts (z. B. Kommunen) gewählt werden kann. In diesem Fall gilt aber zu beachten, dass nur betrieblich veranlasste Zuwendungen an Arbeitnehmer und Nichtarbeitnehmer pauschal besteuert werden dürfen. Zuwendungen, die der „hoheitlichen Tätigkeit“ der Kommune zuzuordnen sind, unterliegen hingegen nicht dem § 37b EStG. Somit muss für jede Sachzuwendung nach dem jeweiligen Veranlassungs-, Verursachungs- und Motivationshintergrund gefragt werden. Eine Zuwendung an einen Arbeitnehmer der Kommune ist z. B. dann dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen und nicht pauschalierbar, wenn das Geschenk allen Bürgerinnen und Bürgern – unabhängig von der Arbeitnehmereigenschaft – zugewandt wird (z. B. aufgrund eines Jubiläums).
Wann das Wahlrecht ausgeübt werden darf
Die Wahl der Steuerpauschalierung muss für Zuwendungen an Nichtarbeitnehmer (§ 37b Abs. 1 EStG) spätestens in der letzten Lohnsteuer-Anmeldung des Wirtschaftsjahres der Zuwendung erfolgen.
Für Zuwendungen an Arbeitnehmer (§ 37b Abs. 2 EStG) kann das Wahlrecht zur Pauschalierung spätestens bis zum 28.2. des jeweiligen Folgejahres (= Termin zur Übermittlung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung) ausgeübt werden.
Die OFD weist jedoch auf folgende Besonderheiten bei abweichenden Wirtschaftsjahren hin:
Wird in diesen Fällen für Zuwendungen an Arbeitnehmer das Wahlrecht zur Steuerpauschalierung (bis zum 28.2.) eines Jahres ausgeübt, gilt eine kalenderjährliche Betrachtungsweise. Das heißt: Die Pauschalierung umfasst dann nicht das komplette Wirtschaftsjahr, sondern nur das vorangegangene Kalenderjahr.
Beispiel:
Ein Arbeitgeber mit abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1.8.2008 bis 31.7.2009 übt sein Wahlrecht zur Steuerpauschalierung am 28.2.2009 aus.
Lösung:
Die Steuerpauschalierung gilt nur für Sachzuwendungen des Kalenderjahres 2008. Für 2009 kann er das Wahlrecht erneut ausüben.
Für Zuwendungen an Dritte (z. B. Geschäftsfreunde) gilt hingegen eine wirtschaftsjährliche Betrachtungsweise, sodass ein ausgeübtes Wahlrecht das komplette Wirtschaftsjahr erfasst.
Spätere Ausübung des Wahlrechts
Aus § 37b EStG geht nicht hervor, bis zu welchem Zeitpunkt die pauschale Einkommensteuer spätestens anzumelden ist. Die OFD unterscheidet hierbei die zwei folgenden Fälle:
a) Zuwendungen an Dritte
Beantragt der Zuwendende die Anwendung der Steuerpauschalierung nicht in der letzten Lohnsteuer-Anmeldung eines Wirtschaftsjahres, so kann er dieses Wahlrecht dennoch wirksam ausüben, indem er eine geänderte Lohnsteuer-Anmeldung für diesen Zeitraum abgibt. Diese „allerletzte Möglichkeit der Wahlrechtsausübung“ besteht jedoch nur, wenn eine Änderung der Lohnsteuer-Anmeldung verfahrensrechtlich noch möglich ist.
b) Zuwendungen an eigene Arbeitnehmer
Ob für Zuwendungen, die erst im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung aufgedeckt werden, die Pauschalbesteuerung wahlweise oder zwingend anzuwenden ist, entscheidet sich nach dem bisherigen Vorgehen des geprüften Arbeitgebers:
Hat der Arbeitgeber bisher keinerlei Zuwendungen an die eigenen Arbeitnehmer pauschaliert besteuert, darf er das Wahlrecht für die aufgedeckten Zuwendungen noch erstmalig ausüben.
Hat der Arbeitgeber für andere Zuwendungen an seine Arbeitnehmer bereits die Steuerpauschalierung genutzt, müssen die neu aufgedeckten Zuwendungen ebenfalls zwingend pauschal besteuert werden.
Hat der Arbeitgeber andere Zuwendungen bisher individuell versteuert, dürfen die neu aufgedeckten Zuwendungen ebenfalls nicht mehr der Pauschalbesteuerung unterzogen werden.
Welche Zuwendungen pauschalierbar sind
Von der Steuerpauschalierung des § 37b EStG werden Sachzuwendungen erfasst, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung erbracht werden. Geldzuwendungen sind nicht pauschalierbar. Die OFD weist darauf hin, dass für die Abgrenzung zwischen Barlohn und Sachlohn die allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätze des BFH gelten. Demnach ist als Sachbezug anzusetzen:
jede nicht in Geld bestehende Einnahme
Zahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, die mit der Auflage verbunden sind, den empfangenden Geldbetrag in einer bestimmten Weise zu verwenden
das (dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eingeräumte) Recht, an bestimmten oder beliebigen Tankstellen zu tanken
ein Warengutschein mit einem in Euro ausgewiesenen Höchstbetrag
Kein Sachbezug liegt hingegen vor, wenn
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Sache zuwendet und der Arbeitnehmer auch beanspruchen könnte, dass ihm anstatt der Sache Barlohn zugewendet wird (in Höhe des Werts des Sachbezugs),
im Inland gültige gesetzliche Zahlungsmittel oder Zahlungen in einer gängigen, frei konvertiblen und im Inland handelbaren ausländischen Währung zugewandt werden.
Beispiele zu Sonderfällen
In mehreren Beispielen greift die OFD praxisrelevante Sonderfälle auf, u. a. Gewinnspiele und Bonusprogramme. Danach gilt:
Gewinnspiele: Wendet ein Unternehmen seinen Kunden im Rahmen von Tombolas, Preisausschreiben und Gewinnspielen Sachzuwendungen und Gutscheine zu, auf die der Kunde keinen Anspruch hat, können diese Zuwendungen nach § 37b EStG pauschal besteuert werden (= Leistungen werden „zusätzlich“ erbracht).
Bonusprogramme: Können Kunden durch ihre Einkäufe Treuepunkte sammeln und diese später in Prämien eintauschen, ist die Steuerpauschalierung hingegen nicht anwendbar. Denn die Ausgabe der Punkte wird zum Bestandteil der Leistung des leistenden Unternehmers, sobald sich der Kunde für die Teilnahme an dem Bonusprogramm entscheidet. Es liegt keine „zusätzliche“ Leistung vor.
Streuwerbeartikel
Sog. Streuwerbeartikel und geringwertige Warenproben, die nicht den gesetzlichen Geschenkbegriff (des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG) erfüllen, fallen nicht unter die Pauschalbesteuerung – unabhängig von der Höhe der Zuwendung. Als Streuwerbeartikel sind Werbemittel anzusehen, die durch ihre breite Streuung viele Menschen erreichen und den Bekanntheitsgrad des Unternehmens steigern sollen.
Die OFD weist darauf hin, dass als Streuwerbeartikel stets solche Sachzuwendungen gelten, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten max. 10 EUR betragen.
Umfang der Pauschalbesteuerung und Rechtsprechungsüberblick
Die OFD erklärt, dass in die Bemessungsgrundlage zur Steuerpauschalierung alle Zuwendungen einzubeziehen sind – unabhängig von der Frage, ob sie beim Empfänger im Rahmen einer Einkunftsart zufließen. Somit sind auch Zuwendungen an nicht im Inland steuerpflichtige Arbeitnehmer und Dritte pauschaliert zu besteuern. Daneben müssen auch sämtliche Geschenke i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG von der Pauschalierung erfasst werden – unabhängig von der Frage, ob der Schenker seinen Aufwand als Betriebsausgaben abziehen darf. Die OFD verweist in diesem Zusammenhang aber auf zwei anhängige Verfahren:
Das FG Düsseldorf hat entschieden, dass Zuwendungen von der Steuerpauschalierung auszunehmen sind, die an nicht der Besteuerung im Inland unterliegende Empfänger gerichtet sind (Urteil v. 6.10.2011, 8 K 4098/10 L). Der BFH wird sich im anhängigen Revisionsverfahren (Az. VI R 57/11) mit dieser Frage beschäftigen.
Das FG Hamburg hat entschieden, dass die Steuerpauschalierung auch für Sachzuwendungen und Geschenke an Nichtarbeitnehmer im Wert von 10 bis 35 EUR anzuwenden ist (Urteil v. 20.9.2011, 2 K 41/11). Es sei nicht danach zu differenzieren, ob dem Zuwendenden ein Betriebsausgabenabzug zusteht oder nicht. Denn auch soweit ein Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen ist, liegt nach Auffassung des FG ein Geschenk i. S. d. § 37b EStG als auch nach zivilrechtlichem Verständnis vor. Der BFH wird sich mit dieser Frage in einem anhängigen Revisionsverfahren befassen müssen (Az. VI R 52/11). Der DStV weist darauf hin, dass Geschenke i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG zunächst in der Lohnsteuer-Anmeldung der Pauschalsteuer unterworfen werden sollten. Der Verband rät aber dazu, Einspruch gegen die Lohnsteuer-Anmeldung einzulegen und sich ausdrücklich auf das anhängige Revisionsverfahren VI R 52/11 zu berufen. Durch dieses Vorgehen kann der Steuerpflichtige das Ruhen des Verfahrens (kraft Gesetzes) herbeiführen und später von einer günstigen BFH-Rechtsprechung profitieren.
Bewertung der Zuwendung
Als Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer gelten nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG die Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich der Umsatzsteuer. Wird hingegen ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens zugewandt bzw. eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung gewährt und hat der Zuwendende dadurch keine oder nur sehr geringe Aufwendungen, gilt als Bemessungsgrundlage für die Pauschalsteuer der gemeine Wert.
OFD Frankfurt am Main, Verfügung v. 10.10.2012, S 2297b A - 1 - St 222; Pressemitteilung des DStV v. 6.12.2012 und v. 18.12.2012
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