Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 Infektionsschutzgesetz

Die Finanzverwaltung hat zur lohnsteuerlichen Abrechnung behördlicher Erstattungsbeträge für Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) und damit verbundener Probleme Stellung genommen.

Arbeitnehmende, die sich - ohne krank zu sein - auf Anordnung des Gesundheitsamts als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige in Quarantäne begeben müssen oder einem Tätigkeitsverbot unterliegen, erhalten im Falle des Verdienstausfalls im Regelfall eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 Absatz 1 IfSG). Der früher eher seltene Ausnahmefall ist während der Corona-Pandemie flächendeckend aufgetreten.

Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern bis zum 12. Lebensjahr oder Kindern mit Behinderung diese selbst betreuen, erhalten sie ebenfalls eine Entschädigung für den dadurch bedingten Verdienstausfall (§ 56 Abs. 1a IfSG).

Auszahlung der Verdienstausfallentschädigung

Die Verdienstausfallentschädigungen werden zunächst vom Arbeitgeber ausgezahlt und anschließend auf Antrag von der Entschädigungsbehörde erstattet. Bei der Rückerstattung treten aber immer wieder lohnsteuerliche Differenzen und Schwierigkeiten auf. Mit etwas Verspätung hat die Finanzverwaltung nun dazu ausführlich Stellung genommen und eine Bagatellregelung für die Jahre 2020-2023 getroffen.

Steuerliche Behandlung der Entschädigungen

Die Verdienstausfallentschädigungen sind steuerfrei (§ 3 Nr. 25 EStG). Das gilt sowohl beim Lohnsteuerabzug als auch bei der anschließenden Steuererklärung. Die Zahlungen unterliegen aber dem steuererhöhenden Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. Buchst. e EStG). Die Betroffenen müssen deshalb eine Einkommensteuererklärung abgeben. Die Lohnersatzleistungen werden dabei dem zu versteuernden Einkommen fiktiv zugerechnet und dafür der maßgebende Steuersatz berechnet. Mit diesem Steuersatz wird die Einkommensteuer für das tatsächliche zu versteuernde Einkommen multipliziert. Es bleibt also bei der Steuerfreiheit, dafür gilt aber für das restliche Einkommen ein höherer Steuersatz. Dadurch kann es zu Steuernachzahlungen kommen.

Arbeitgeberpflichten bei der Behandlung der Entschädigungen

Vom Arbeitgeber sind die steuerfrei gezahlten Entschädigungen im Lohnkonto aufzuzeichnen und unter Nummer 15 der Lohnsteuerbescheinigung zu bescheinigen. Ob und in welcher Höhe eine steuerfreie Verdienstausfallentschädigung vorliegt, wird aber letztlich erst durch die zuständige Entschädigungsbehörde bestimmt. Abweichungen sind also wahrscheinlich.

Stellt der Arbeitgeber im Nachhinein fest, dass seine ursprüngliche Behandlung der Lohnzahlung/Verdienstausfallentschädigung (Lohnversteuerung bzw. Steuerfreistellung) unzutreffend war, ist er verpflichtet, zu viel erhobene Lohnsteuer bei der nächsten Lohnzahlung zu erstatten bzw. noch nicht erhobene Lohnsteuer bei der nächsten Lohnzahlung einzubehalten (§ 41c Abs.1 EStG).

Eine Änderung des Lohnsteuerabzugs ist aber nur bis zur Übermittlung bzw. bis zum Ausstellen der Lohnsteuerbescheinigung zulässig (§ 41c Abs. 3 EStG), also spätestens bis Ende Februar des Folgejahres. Oft ist im Zeitpunkt der Erstattung eine Änderung nicht mehr möglich. Für die Frage, welcher Handlungsbedarf besteht und welche Folgen dann drohen, sind nach dem BMF-Schreiben folgende Fälle zu unterscheiden:

Mehr steuerfreie Entschädigungen: Zu hoher Lohnsteuerabzug

Hat der Arbeitgeber zu viel Lohnsteuer einbehalten und ist der Lohnsteuerabzug nicht mehr änderbar (im Verwaltungserlass wird dieser Fall als unzutreffende Lohnversteuerung bezeichnet), ergibt sich kein Handlungsbedarf für den Arbeitgeber.

Die Betroffenen müssen aber ihren Anspruch auf Erstattung der Lohnsteuer im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung geltend machen (H 41c.1 (Erstattungsantrag) LStH).

Keine/weniger steuerfreie Entschädigungen: Zu geringer Lohnsteuerabzug

Geht der Arbeitgeber zunächst davon aus, dass eine Zahlung nach dem IfSG steuerfrei ist (§ 3 Nr. 25 EStG) und wird der Erstattungsantrag später von der Entschädigungsbehörde abgelehnt oder ein niedrigerer Betrag als beantragt erstattet (unzutreffende Steuerfreistellung), beschränkt sich der Umfang der Steuerfreiheit auf den von der Entschädigungsbehörde ermittelten Betrag. Dann ergeben sich folgende Handlungsoptionen:

Möglichkeit a) Rückforderung durch Arbeitgeber

Fordert der Arbeitgeber eine zu viel gezahlte Verdienstausfallentschädigung zurück, mindert der Rückforderungsbetrag im Jahr der Rückzahlung die für das Kalenderjahr zu bescheinigenden Leistungen. Übersteigt der Rückforderungsbetrag im Jahr der Rückzahlung die entsprechenden Leistungen, so ist der Negativbetrag mit Minuszeichen unter Nummer 15 der Lohnsteuerbescheinigung zu bescheinigen.

Möglichkeit b) Keine Rückforderung aber Anzeige des Arbeitgebers

Verzichtet der Arbeitgeber auf die Rückforderung so hat der Arbeitgeber seinem Betriebsstättenfinanzamt die betroffenen Fälle unter Angabe der persönlichen Daten der Beschäftigten sowie der zutreffenden Werte unverzüglich schriftlich anzuzeigen (§ 41c Abs. 4 EStG, R 41c.2 LStR). Hierfür kann der unter http://www.formulare-bfinv.de eingestellte Vordruck "Anzeige über nicht durchgeführten Lohnsteuerabzug" genutzt werden. Die Richtigstellung erfolgt dann regelmäßig im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Das Finanzamt wird die fehlende Steuer also als Nachzahlung oder als Minderung einer evtl. Einkommensteuererstattung einfordern. Ausnahmsweise kommt auch ein Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid in Betracht.

Möglichkeit c) Bei Abweichungen bis 200 EUR: Neue Bagatellregelung

Sofern die Differenz zwischen der dem/der Beschäftigten gezahlten Verdienstausfall­entschädigung und der dem Arbeitgeber bewilligten Erstattung 200 EUR pro Quarantänefall nicht übersteigt, hat die Finanzverwaltung nun eine Bagatellregelung erlassen. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber von seiner Anzeigepflicht absehen. Insoweit haftet er auch nicht für die nicht einbehaltene Lohnsteuer. Auch eine Korrektur der unzutreffenden Steuerfreistellung im Rahmen der Einkommensteuer­veranlagung der Beschäftigten unterbleibt. Nachforderungsbescheide werden ebenfalls nicht verschickt.

Tipp: Die Finanzverwaltung regt in ihrem Erlass in größeren Überzahlungsfällen eine Prüfung an, ob alternativ eine Steuerbefreiung der Verdienstausfallentschädigung als Corona-Prämie (bis 31.3.2022, bis zu 1.500 EUR), als Pflegebonus (im Kranken- und Pflegebereich, grds. bis 31.12.2022, bis zu 4.500 EUR) oder als Inflationsausgleichsprämie (bis 31.12.2024, bis zu 3.000 EUR) möglich ist (§ 3 Nr 11a, Nr. 11b oder Nr. 11c EStG).

Achtung: Ähnliche Regeln beim Kurzarbeitergeld – aber keine Bagatellregelung

Auch die Steuerfreiheit von Kurzarbeitergeld ist nur gegeben, soweit eine Erstattung an den Arbeitgeber durch die die Bundesagentur für Arbeit erfolgt. Vielfach entspricht auch hier der Erstattungsbetrag nicht dem ausgezahlten Betrag. Die vorstehenden Ausführungen zum Lohnsteuerabzug und zur Behandlung in der Einkommensteuererklärung gelten entsprechend. Eine Bagatellregelung zum Kurzarbeitergeld hat die Finanzverwaltung für das Kurzarbeitergeld aber nicht getroffen. Auch kleinere Abweichungen werden also beim Lohnsteuerabzug oder spätestens bei der Einkommensteuererklärung korrigiert.

BMF, Schreiben v. 25.1.2023, IV C 5 - S 2342/20/10008 :003


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