Steuer-Mehrheitsentscheide in der EU

In Zeiten zunehmender EU-Skepsis wagte die EU-Kommission einen Vorstoß für mehr europäische Integration: Steuer-Entscheide sollen künftig mehrheitlich beschlossen werden können.

Im Kreis der EU-Finanzminister gibt es erhebliche Bedenken gegen einfachere Entscheidungsfindungen in Steuerfragen. Etliche Ressortchefs sprachen sich bei ihrem Treffen am Dienstag in Brüssel gegen die Einführung von Mehrheitsbeschlüssen in der Steuerpolitik aus. Deutschland und Frankreich standen in der Diskussion mit wenig Rückhalt da.

Staaten geben ihr bisheriges Vetorecht nur ungern aus der Hand

Die EU-Steuerpolitik ist ein politisches Minenfeld, einzelne Staaten können hier unliebsame Beschlüsse im Alleingang blockieren. Neben der Außenpolitik ist sie einer der wenigen Bereiche, in denen in der EU einstimmige Entscheidungen notwendig sind. Das Europaparlament hat nur beratende Funktion. Die EU-Kommission hatte jüngst vorgeschlagen, bis 2025 schrittweise Steuer-Mehrheitsbeschlüsse einzuführen.

"Das ist keine kleine Sache, Besteuerungsrechte gehören zu den Kernelementen staatlicher Souveränität", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Aber die Debatte gehöre zum weiteren Zusammenwachsen der EU dazu. "Ich denke, es gibt das Bedürfnis nach verbesserten Entscheidungsprozessen."

Qualifizierter Mehrheit in anderen Bereichen

In den meisten anderen Bereichen - vom Arbeitsrecht bis zur Verkehrspolitik - entscheiden die Staaten schon jetzt mit qualifizierter Mehrheit. Entscheidungen müssen hier von mindestens 55 Prozent der EU-Staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, mitgetragen werden. Einzelne Länder können also überstimmt werden. Das Europaparlament ist gleichberechtigt und muss ebenfalls mehrheitlich zustimmen.

"Es wäre interessant, mehr Mehrheitsbeschlüsse für Steuerbeschlüsse zu haben, wenn wir effizient sein wollen", sagte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire.

Widerstand gab es hingegen vor allem von kleineren EU-Staaten

"Die Einstimmigkeit bei Steuerfragen ist extrem wichtig", sagte Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna. "Es geht hier um die Souveränität der Länder."

Maltas Ressortchef Edward Scicluna sagte: "Es ist nicht nur eine Frage der Souveränität, sondern auch des Machtgebrauchs, wenn es an Überzeugungskraft mangelt." Große Länder könnten Entscheidungen dann "mit Gewalt" durchdrücken. Auch die schwedische Finanzministerin Magdalena Andersson äußerte sich kritisch.

Steuervorschläge der EU-Kommission scheiterten häufig

In den vergangenen Jahren versandeten einige Steuervorschläge der EU-Kommission wegen des Zwangs zum Konsens. Zuletzt war etwa die Diskussion für eine EU-Digitalsteuer vertagt worden. Die Brüsseler Behörde hatte vorgeschlagen, Internetriesen wie Google und Facebook, die deutlich niedrigere Steuern als klassische Industriebetriebe zahlen, stärker zu besteuern. Vor allem Irland, das etwa Facebook in Europa beherbergt, stellte sich jedoch entschieden dagegen.

EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis verwies darauf, dass etwa Steuerbetrug und -vermeidung grenzübergreifende Probleme seien, effizientere Entscheidungsmöglichkeiten seien da hilfreich. Für diesen ersten Schritt habe es unter den Ministern mehr Offenheit gegeben, sagte er.


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