Entfernungspauschale bei Einfachfahrten
Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob nur die halbe Entfernungspauschale (0,15 EUR) gewährt werden kann, wenn das Kraftfahrzeug lediglich für eine Hin- oder Rückfahrt benutzt wird.
Beispiel zur Hin- und Rückfahrt an verschiedenen Tagen
A war in 2016 an 220 Arbeitstagen dienstlich tätig. An 180 Tagen arbeitete er ausschließlich in der Betriebseinrichtung seines Arbeitgebers (Entfernung 20 km). Hin- und Rückweg wurden mit dem eigenen PKW zurückgelegt. An weiteren 20 Tagen schloss sich der Fahrt zur ersten Tätigkeitsstätte eine Dienstreise an, welche jeweils am darauffolgenden Tag endete. Dabei endete sie an 10 Tagen am Betriebssitz des Arbeitgebers (mit anschließender Heimfahrt) und an 10 Tagen an der Wohnung von A.
Auffassung der Finanzverwaltung
Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass die Anwendung der Entfernungspauschale mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer voraussetzt, dass der Steuerpflichtige auch tatsächlich eine Hin- und Rückfahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte absolviert hat (H 9.10 LStH). Wird das Kraftfahrzeug lediglich für eine Hin- oder Rückfahrt benutzt, z. B. wenn sich an die Hinfahrt eine Auswärtstätigkeit anschließt, die an der Wohnung des Arbeitnehmers endet, so ist die Entfernungspauschale nur zur Hälfte anzusetzen.
Zurückzuführen ist diese Auffassung wohl auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 26.7.1978, VI R 16/76, Haufe Index 72866), welcher für die bis zum 31.12.2000 geltende Formulierung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (Kilometerpauschale) "Werbungskosten sind auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" entschieden hatte, dass die volle Kilometerpauschale eine Hinfahrt und eine Rückfahrt abgilt. Dies würde hier zu folgendem Ergebnis führen:
180 Tage x 20 km x 0,30 EUR = | 1.080 EUR |
10 Tage x 20 km x 0,15 EUR x 2 (unterschiedliche Tage) = | 60 EUR |
10 Tage x 20 km x 0,15 EUR = | 30 EUR |
Gesamt | 1.170 EUR |
Das sagen die Finanzgerichte
Die Auffassung der Finanzverwaltung vertritt auch das FG Baden-Württemberg (Urteil v. 20.6.2012, 7 K 4440/10, Haufe Index 3404788 und 24.6.2014, 4 K 3997/11, Haufe Index 7650591).
Das FG Münster ist dagegen der Auffassung (Urteil v. 19.12.2012, 11 K 1785/11 F, Haufe Index 3657806), dass die Gewährung einer hälftigen Entfernungspauschale für den Fall, dass keine Hin- und Rückfahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte vorgenommen wird, keine Stütze im Gesetz findet. Dies ergäbe sich auch aus der o. a. BFH-Entscheidung. Hier wurde entschieden, dass bei Eheleuten, die gemeinsam zu ihren Arbeitsstätten fahren, die Pauschbeträge nur einmal gewährt werden können, da den Ehegatten auch nur einmal Kosten anfallen. Angesichts der Einführung der Entfernungspauschale sei ein solches Verständnis der Vorschrift aber nicht mehr geboten.
Neue Entscheidung des FG Münster
Aktuell geht das FG Münster davon aus (Urteil v. 14.7.2017, 6 K 3009/15 E), dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG so zu verstehen ist, dass der Gesetzgeber die Richtung des für die Entfernungspauschale zurück zu legenden Weges festgelegt hat, nämlich von der Wohnung zur ersten Tätigkeitsstätte. Dies geschieht von der Wohnung aus nur auf dem Hinweg zur ersten Tätigkeitsstätte, nicht jedoch auf dem Rückweg zur Wohnung. Die Bemessung des Werbungskostenabzugs sei ohne Abweichungs- oder Auslegungsmöglichkeit dahingehend geregelt, dass für den Fall, dass eine Entfernungspauschale anzusetzen ist, diese mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer ermittelt wird. Eine Aufteilung oder Ermäßigung sehe das Gesetz nicht vor. Diese Auslegung führt zu folgendem Ergebnis:
180 Tage x 20 km x 0,30 EUR = | 1.080 EUR |
20 Tage x 20 km x 0,30 EUR (Tage mit anschließender Dienstreise) = | 120 EUR |
Gesamt | 1.200 EUR |
Revisionsverfahren anhängig
Bei ablehnender Haltung durch ein Finanzamt sollte auf das anhängige Revisionsverfahren (Az. des BFH: VI R 42/17) gegen die Entscheidung des FG Münster hingewiesen und das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragt werden. Allerdings ist hierzu anzumerken, dass die Revision u. a. wegen der Frage zugelassen wurde, ob die (volle) Entfernungspauschale auch für die Tage anzusetzen ist, an denen der Steuerpflichtige nur eine Strecke zwischen erster Tätigkeitsstätte und Wohnung zurücklegt.
Im Urteilsfall war es nämlich so, dass der Kläger sowohl für die Hinfahrt, als auch für die Rückfahrt (am nächsten Tag) eine Entfernungspauschale von 0,30 EUR ansetzen wollte (hier dann noch mal zusätzlich 10 Tage x 20 km x 0,30 EUR = 60 EUR). Dies hat das FG aber m. E. zurecht abgelehnt, weil der Kläger ansonsten gegenüber anderen Arbeitnehmern ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes dadurch bevorteilt würde, dass seine Fahrten zum Beschäftigungsort nicht nach Maßgabe von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG, sondern nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten berücksichtigt würden.
M. E. ist es aber durchaus im Bereich des Möglichen, dass auch die hier angesprochene Problematik durch die BFH-Entscheidung gelöst werden kann.
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