Mehraktige einheitliche Erstausbildung trotz Vollzeittätigkeit
Dies zeigt sich auch in dem neu beim BFH anhängigen Verfahren III R 22/21 (Vorinstanz: FG Düsseldorf, Urteil v. 14.6.2021, 9 K 370/21 Kg).
Strenge Kriterien für die Annahme einer einheitlichen Ausbildung
Der BFH hat schon in seinem dem Urteil v. 19.2.2020, III R 28/19, Rz. 20, darauf hingewiesen, dass er an seinen Urteilen v. 3.7.2014, III R 52/13, und v. 8.9.2016, III R 27/15 nicht festhält. In diesen Urteilen hatte der BFH eine einheitliche Ausbildung nach weniger strengen Kriterien unter Berücksichtigung des angestrebten Berufsziels angenommen.
Aktuell hat der BFH mit Urteil vom 14.4.2021, III R 50/20, die Auffassung vertreten, dass der "Gesamtplan" des Kindes nicht das alleinige Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung sein muss. Entscheidend sei auch, ob die neben der Ausbildung/Studium ausgeübte Berufstätigkeit oder die Ausbildung im Vordergrund stehe.
Weiterbildung einer Diplom-Finanzwirtin zur Volljuristin
Das FG Düsseldorf hat in dem o. g. Urteil entschieden, dass es sich bei der Weiterbildung einer Diplom-Finanzwirtin zur Volljuristin mit Schwerpunkt Steuerrecht im Rahmen eines zum nächstmöglichen Zeitpunkt parallel zu der Teilzeiterwerbstätigkeit (70 %) im erlernten Beruf begonnenen berufsbegleitenden Studiums nicht um einen Teil einer einheitlichen mehraktigen Erstausbildung handelt, weil die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin keine typische Zwischenstufe zur Erreichung eines weiterführenden Abschlusses, sondern eine eigenständige Basis für eine qualifizierte Berufsausübung darstelle.
Unter Anwendung der bisher vom BFH aufgestellten Abgrenzungskriterien ist das FG in dem Streitfall zu dem Ergebnis gekommen, dass trotz des engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen der dualen Ausbildung in der Finanzverwaltung und dem anschließenden Jurastudium keine einheitliche Erstausbildung anzunehmen ist.
An einer einheitlichen Erstausbildung könne es auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses eine Berufstätigkeit aufnehme und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, sei dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden.
Kriterien zur Entscheidungsfindung
In dem Streitfall hatte das zuletzt vom BFH geforderte Abgrenzungskriterium "Hauptsache oder Nebensache" zu keinem Ergebnis geführt, da Berufstätigkeit und Ausbildung als "gleichgewichtig" zu werten waren. Das FG hat daher folgende andere Kriterien zur Entscheidungsfindung herangezogen:
- Wesentliches Kriterium sei die Nutzung der durch den ersten Abschluss als Dipl.-Finanzwirtin erlangten abgeschlossenen Qualifikation als eigenständiges "Sprungbrett", das für den künftigen Werdegang eine finanzielle Absicherung und die Basis für eine berufliche bzw. wissenschaftliche Weiterentwicklung darstelle.
- Die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin sei kein integrativer Teil einer weitergehenden einheitlichen Ausbildung, und stelle keine typische Zwischenstufe dar, sondern beinhalte eine abgeschlossene Qualifikation. Diese biete die Basis für eine qualifizierte Berufsausübung.
- Die Berufstätigkeit ermögliche Berufserfahrung und habe im Lebenslauf auch ein eigenes Gewicht.
Diese Umstände reichen nach Auffassung des FG aus, um die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin als erstmalige Berufsausbildung zu qualifizieren.
In dem Verfahren III R 22/21 muss der BFH die Frage klären, ob die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin eine abgeschlossene Erstausbildung darstellt, oder ob ein darauffolgendes Jurastudium zusammen mit der vorangegangenen Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin als einheitliche Erstausbildung anzusehen ist. Außerdem muss der BFH klären, ob es an einer trennscharfen Rechtsprechung zwischen einheitlicher Erstausbildung und berufsbegleitender Weiterbildung fehlt, um zu einem sachgerechten Ergebnis zu kommen.
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