Wann Scheinrenditen aus Schneeballsystemen versteuert werden müssen
Ein neues Urteil des Niedersächsischen FG zeigt, dass es hierfür maßgeblich auf die Frage ankommt, ob der Systembetreiber hinsichtlich der Auszahlung leistungsbereit und leistungsfähig war.
Betrügerische Schneeballsysteme durch Geldanlagen
Die Klägerin legte ihr Geld bei einem Finanzdienstleister an, der ein betrügerisches Schneeballsystem betrieb. Statt die eingesammelten Anlegergelder vertragsgemäß anzulegen, zahlte er mit ihnen die Renditen der anderen Anleger oder Provisionen seiner Vermittler aus oder verwendete die Gelder gar für seinen eigenen Lebensunterhalt. Im Jahr 2010 beauftragte die Klägerin den Finanzdienstleister, Aktien im Gesamtwert von 26.400 EUR zu erwerben. Zwei Jahre später – im Juni 2012 – erteilte sie den Auftrag, das Aktienpaket zu veräußern und wies den Finanzdienstleister an, den Verkaufserlös bei sich für ein Folgeinvestment zu "parken" (keine Auszahlung). Der Dienstleister erteilte eine Abrechnung, aus der sich ein Kurswert der veräußerten Aktien von 54.400 EUR ergab. Einen Monat später – im Juli 2012 – erteilte die Klägerin den Auftrag, Aktien einer anderen Gesellschaft zu erwerben, sodass der Finanzdienstleister den "virtuellen" Veräußerungserlös aus dem vorherigen Aktienverkauf mit dem Kaufpreis der neuen Order verrechnete. Das Schneeballsystem flog im Juni 2013 auf, im Oktober 2013 wurde schließlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Systembetreibers eröffnet.
Das Finanzamt unterwarf die Erlöse aus dem ersten Aktieninvestment dem Abgeltungssteuersatz von 25 % (§ 32 EStG), wogegen die Anlegerin klagte. Sie argumentierte, dass sie ihr Geld letztendlich verloren hatte und dieser Umstand steuerlich zu berücksichtigen sei.
Besteuerung erfolgte zurecht
Das FG entschied, dass das Finanzamt die Aktiengewinne zu Recht besteuert hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs führen Renditen aus Schneeballsystemen zu Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn der Schuldner der Erträge leistungsbereit und leistungsfähig ist. Der steuerliche Zufluss von Einnahmen kann nicht nur durch Barzahlung oder Überweisung bewirkt werden, sondern auch durch eine sogenannte Novation. Dabei wird vereinbart, dass ein Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund als dem bisherigen geschuldet wird. Der Zufluss bei einer derartigen Schuldumschaffung setzt allerdings voraus, dass die Novation auf dem freien Entschluss des Anlegers beruhte und eine Folge daraus war, dass er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Altforderung ausübt. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, in wessen Interesse die Novation lag.
Der Anlegerin im Urteilsfall waren die Beträge aus dem Aktienverkauf steuerlich zugeflossen, denn die Wiederanlage des Geldes hatte in ihrem Interesse gelegen. Sie hatte diese Option aus freien Stücken gewählt, ohne dazu vom Finanzdienstleister gedrängt worden zu sein; dieser hatte die sofortige Auszahlung sogar ausdrücklich angeboten. Der Dienstleister war Mitte 2012 auch noch leistungsbereit und leistungsfähig gewesen. Für diese Annahme genügte der Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine generelle Zahlungsunfähigkeit bei ihm festgestellt werden konnte. Es bestanden darüber hinaus keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass der Dienstleister die Auszahlung gegenüber anderen Anlegern verweigert oder verschleppt oder auf die Wiederanlage der Gelder gedrängt hatte.
Welche Rolle spielen die Auszahlungswünschen anderer Anleger?
Für den steuerlichen Zufluss von Scheinrenditen ist nach der BFH-Rechtsprechung bedeutsam, ob und inwieweit der Systembetreiber den Auszahlungswünschen anderer Anleger unverzüglich, schleppend oder gar nicht mehr nachgekommen ist. Unbeachtlich ist hingegen, ob innerhalb des Schneeballsystems bereits eine Deckungslücke zwischen Anlegerforderungen und vorhandenen Geldmitteln des Betreibers bestand.
Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH anhängig (Rev. eingelegt, Az beim BFH VIII R 42/18).
Niedersächsisches FG, Urteil v. 23.5.2018, 10 K 190/16, Haufe Index 13145996
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