Bewertungsrechtlicher Abschlag wegen Abbruchverpflichtung für Gebäude
Hintergrund: Grundstückspacht mit Abbruchverpflichtung für das Gebäude bei Pachtende
X pachtete in 2004 eine Parzelle in einer Siedlung mit Wohnbebauung, die aus einer früheren Kleingartenkolonie entstanden ist. Das Pachtverhältnis wurde bis 2018 abgeschlossen. Die Vorpächterin hatte auf der Parzelle ein Haus errichtet, das X in 2011 übernahm. Das Gebäude wurde in dem Pachtvertrag geduldet und sollte bei Beendigung des Pachtverhältnisses auf Wunsch der Verpächter entfernt werden.
Das FG sah den Gebäudeabriss als nicht voraussehbar an
In 2012 stellte das FA den Einheitswert für die wirtschaftliche Einheit "Gebäude auf fremdem Grund und Boden" auf den 1.1.2007 im Ertragswertverfahren auf 68.500 DM (35.023 EUR) fest. Die dagegen gerichtete Klage, mit der X einen Abschlag für die Abbruchverpflichtung geltend machte, wurde vom FG mit der Begründung abgewiesen, zum Feststellungszeitpunkt 1.1.2007 sei vorauszusehen gewesen, dass das Gebäude trotz Verpflichtung nicht abgebrochen werde.
Entscheidung: Trotz Abbruchverpflichtung kein Abschlag bei Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs
Der Abbruchabschlag ist zu berücksichtigen, wenn der Abbruch des Gebäudes nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit vereinbart ist. Der Abschlag unterbleibt jedoch, wenn vorauszusehen ist, dass das Gebäude trotz der Verpflichtung nicht abgebrochen werden wird (§ 94 Abs. 3 Satz 3 BewG). Im Streitfall bestand jedenfalls eine vertragliche Abbruchverpflichtung. Denn X konnte diese Verpflichtung nicht einseitig abwenden. Die am Bewertungsstichtag bestehende tatsächliche Unsicherheit darüber, ob der Verpächter von seinem Wahlrecht, das Gebäude zu übernehmen, Gebrauch macht, beseitigt die rechtlich bestehende Abbruchverpflichtung nicht.
Anhaltspunkte für den Nichtabbruch
Trotz bestehender Abbruchverpflichtung ist der Abschlag zu versagen, wenn der Nichtabbruch voraussehbar ist (§ 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 BewG). Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es nicht zum Abbruch kommen wird. Der BFH stellt die folgenden Aspekte heraus:
- Für die Prognose ist in erster Linie das Verhalten der Vertragsbeteiligten entscheidend. Aber auch das Verhalten der Rechtsvorgänger oder der Beteiligten vergleichbarer Pachtverhältnisse kann berücksichtigt werden.
- Wird ein Pachtvertrag trotz wiederholter Kündigungsmöglichkeit stillschweigend oder ausdrücklich ohne grundsätzliche Änderung über 25 Jahre verlängert, spricht dies dafür, dass die Abbruchverpflichtung nicht oder nicht innerhalb der Lebensdauer der errichteten Anlagen realisiert wird.
- Wesentliche Änderungen der Verhältnisse hinsichtlich des Grundstücks oder Gebäudes im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sind in die Abwägung einzubeziehen. Für einen Gebäudeabbruch kann z.B. eine vorgesehene Nutzungsänderung oder die nicht mehr gegebene technische Nutzbarkeit des Gebäudes sprechen.
- Die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die Abbruchverpflichtung werde nicht realisiert, rechtfertigt allerdings nicht bereits die Versagung des Abschlags. Allgemeine Erwägungen über die Behandlung ähnlicher Fälle reichen nicht aus.
Objektive Beweislast für die Vorhersehbarkeit/Nichtvorhersehbarkeit des Abbruchs
Die Voraussetzungen für die Vorhersehbarkeit des Nichtabbruchs sind von Amts wegen festzustellen. Lässt sich der Sachverhalt nicht aufklären, ist nach den Regeln über die Feststellungslast (objektive Beweislast) zu entscheiden. Der Mieter/Pächter trägt die Feststellungslast für die Tatsachen zur Annahme einer Abbruchverpflichtung, das FA für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs. Lassen sich konkrete Tatsachen für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs nicht hinreichend sicher feststellen, bleibt es bei dem in § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BewG vorgesehenen Grundsatz, dass der Abschlag zu gewähren ist.
Absichten der Vertragsbeteiligten im Feststellungszeitpunkt
Der BFH verwies den Fall an das FG zur Nachholung weiterer Tatsachenfeststellungen zurück. Das FG hatte für den Nichtabbruch des Gebäudes im Wesentlichen auf die langjährige tatsächliche Nutzung der Gebäude in der Siedlung zu Wohnzwecken abgestellt. Das genügt nicht für die Annahme, das Gebäude werde trotz der Abbruchverpflichtung bei Pachtablauf voraussichtlich nicht abgerissen. Das FG wird insbesondere ermitteln müssen, ob die Vertragsbeteiligten ausgehend von dem Pachtvertrag aus 2004 im Feststellungszeitpunkt 1.1.2007 "ins Auge gefasst" haben, den Pachtvertrag über 2018 hinaus zu verlängern. Das könnte für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs sprechen. Außerdem fehlen Feststellungen dazu, ob die Pachtverträge mit den anderen Pächtern in der Siedlung jeweils stillschweigend oder ausdrücklich verlängert bzw. von vornherein auf eine lange Laufzeit abgeschlossen wurden.
Hinweis: Vorstellungen der Pächter und Verpächter in gleichgelagerten Fällen
Der BFH bekräftigt den Grundsatz, dass bei einer Abbruchverpflichtung der Abschlag zu gewähren ist und nur dann nicht zusteht, wenn der Nichtabbruch aufgrund konkreter Anhaltspunkte vorauszusehen ist. Dazu ist in erster Linie auf das Verhalten der jeweiligen Vertragsbeteiligten abzustellen. Soweit der BFH darüber hinaus auch das Verhalten der Rechtsvorgänger und der Partner vergleichbarer Vertragsbeziehungen, also von unbeteiligten Dritten, berücksichtigt, kann das nur in einem Ausnahmefall gelten, wie er hier wohl gegeben ist. Das Grundstück ist eine von rund 50 Parzellen, die vom früheren Eigentümer und später von dessen Erben zunächst im Rahmen einer Kleingartenkolonie und sodann als Hausgrundstücke verpachtet wurden, wobei die Interessenlage der jeweiligen Vertragsbeteiligten im Wesentlichen gleichgelagert sein dürfte. Mit dem Urteil v. 30.1.2018, II R 26/17, hat der BFH teilweise inhaltsgleich zum Einheitswert für Betriebsgebäude auf einem Hafengrundstück entschieden.
BFH Urteil vom 16.01.2019 - II R 19/16 (veröffentlicht am 06.06.2019)
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