BFH Kommentierung: Personalrabatt durch ein Vertriebsunternehmen

Derjenige, der eine Ware oder Dienstleistung nach den Vorgaben seines Auftraggebers vertreibt, kann vertreibender Arbeitgeber i.S. des § 8 Abs. 3 EStG sein.

Hintergrund: Abgabe von Waren durch ein Vertriebsunternehmen an Arbeitnehmer

Die Entscheidung enthält ausnahmsweise aus Gründen des Steuergeheimnisses keinen Tatbestand und auch keine Angaben, um welche Art von Gegenstand es sich handeln könnte, der den Arbeitnehmern überlassen wurde. Vorstellen könnte man sich z.B. ein Handy. Auch das FG-Urteil wurde nicht veröffentlicht. Aus den Entscheidungsgründen des BFH lässt sich in etwa folgender Sachverhalt vermuten:

Der Arbeitgeber (A) übernahm für die Y-KG den Vertrieb des Gegenstands als eigene Leistung. Streitig war, ob A im Rahmen des Lohnsteuerabzugs bei der Abgabe des Gegenstands an seine Arbeitnehmer von der Begünstigung der Belegschaftsrabatte (§ 8 Abs. 3 EStG) Gebrauch machen konnte. Bei der Verteilung des Gegenstands wurde die Y-KG im Auftrag des A tätig. Das FA verneinte die Anwendung der Rabattregelung und nahm A für nicht einbehaltene und abgeführte LSt nach § 4d Abs. 1 EStG in Haftung. Ebenso entschied das FG und wies die Klage ab. Dagegen richtete sich die Revision des A.    

Entscheidung: Vertriebsunternehmen kann begünstigter Arbeitgeber sein

Die Vergünstigung des § 8 Abs. 3 EStG gilt nur für Waren oder Dienstleistungen, die der Arbeitgeber als eigene herstellt, vertreibt oder erbringt. Er muss dabei selbst am Markt in Erscheinung treten, wobei ein Angebot an den Letztverbraucher nicht erforderlich ist. Die Ware oder Dienstleistung muss zur Produktpalette des Arbeitgebers am Markt gehören. Die Regelung gilt nach dem eindeutigen Wortlaut nicht nur, wenn der Arbeitgeber die Ware herstellt oder die Dienstleistung erbringt, sondern auch, wenn er sie (lediglich) vertreibt. Der Vertrieb ist ein selbständiges, neben der Herstellung und Erbringung stehendes Tatbestandsmerkmal.

Der Vertrieb im Auftrag und nach den Vorgaben eines Dritten ist begünstigt

Zum Begriff des Herstellers einer Ware hat der BFH entschieden, dass darunter sowohl der Arbeitgeber fällt, der den Gegenstand selbst produziert, als auch derjenige, der sie von einem anderen produzieren lässt. In Fall der Auftragsproduktion kann auch derjenige Hersteller sein, der die Ware nach den Vorgaben seines Auftraggebers produziert. Dazu reicht es aber nicht aus, dass er lediglich an der Herstellung beteiligt ist. Sein Beitrag muss vielmehr derart gewichtig sein, dass bei wertender Betrachtung die Annahme der Herstellereigenschaft gerechtfertigt erscheint (BFH v. 28.8.2002, VI R 88/99, BStBl II 2003, 154, und v. 1.10.2009, VI R 22/07, BStBl II 2010, 204). Das Gleiche gilt für die Erbringung einer Dienstleistung.

Der Vertriebsbeitrag muss gewichtig sein

Entsprechendes muss auch für den Vertrieb gelten, der in § 8 Abs. 3 EStG als gleichwertige Alternative neben der Herstellung oder einer Dienstleistung genannt ist. Daher vertreibt nicht nur derjenige eine Ware oder Dienstleistung, der sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gegenüber Letztverbrauchern anbietet, sondern auch derjenige, der Waren und Dienstleistungen für einen Dritten entgeltlich auf dessen Rechnung und Vorgaben am Markt vertreibt. Diesem (Auftragnehmer) ist – neben dem Auftraggeber – der Vertriebsprozess (vergleichbar mit der Herstellung einer Ware oder der Erbringung einer Dienstleistung) aber nur zuzurechnen, wenn sein Beitrag am Vertrieb derart gewichtig ist, dass die Annahme der Vertreibereigenschaft gerechtfertigt ist.

Sachverhaltsermittlung bei arbeitsteiligen Wertschöpfungs- und Vertriebsprozessen

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Zum einen ging das FG unzutreffend davon aus, der Gegenstand sei den Arbeitnehmern nicht von A, sondern von der Y-KG zugewandt worden. Denn A hatte sich lediglich der Y-KG bei der Abwicklung bedient, sodass allein A als Zuwendender in Betracht kommt. Zum anderen hatte das FG keine Feststellungen dazu getroffen, ob A tatsächlich in ausreichend gewichtigem Umfang den Vertrieb durchgeführt hat. Das könnte bei Akquise, Betreuung und Beratung der Kunden aber wohl der Fall gewesen sein. Außerdem könnte A auch als Hersteller und aufgrund technischer Dienstleistungen auch als Dienstleistungserbringer anzusehen sein. Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.           

Hinweis: Das Vertriebsunternehmen muss als Marktteilnehmer eine eigene gewichtige Leistung erbringen

Der BFH bestätigt die Rechtsprechung, dass als Hersteller nicht nur derjenige in Betracht kommt, der die Ware produzieren lässt (Auftraggeber), sondern auch derjenige, der die Ware selbst produziert (Produzent, Auftragnehmer). Es kann somit zwei Hersteller – möglicherweise auch mehrere – geben. Der Beitrag eines jeden muss allerdings so gewichtig sein, dass bei wertender Betrachtung die Annahme der Herstellereigenschaft gerechtfertigt ist (BFH v. 28.8.2002, VI R 88/99, BStBl II 2003, 154, und v. 1.10.2009, VI R 22/07, BStBl II 2010, 204). Entsprechendes gilt für den Vertrieb. Dem Auftragnehmer ist der Vertriebsprozess – neben dem Vertriebsunternehmen (Auftraggeber) – daher ebenfalls nur zuzurechnen, wenn sein Beitrag zum Vertrieb derart gewichtig ist, dass die Annahme der Vertreibereigenschaft gerechtfertigt erscheint.

Der BFH hält daran fest, dass § 8 Ab. 3 EStG, da die Regelung – trotz Diskussion im Gesetzgebungsverfahren – keine Konzernklausel enthält, nicht extensiv ausgelegt werden kann. Weder Arbeitnehmer von Konzerngesellschaften noch ein überbetrieblicher Belegschaftshandel sollten begünstigt werden. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass Arbeitgeber i.S.v. § 8 Abs. 3 EStG nur derjenige sein kann, zu dem eine bestimmte Person (Arbeitnehmer) in einem Arbeitsverhältnis steht. Die Auslegung des BFH, als Hersteller sowohl den Auftraggeber als auch den Produzenten anzusehen und die entsprechende Anwendung auf den Vertrieb trägt der wirtschaftlichen Realität arbeitsteiliger Produktionsprozesse und Wertschöpfung Rechnung und begrenzt durch das Erfordernis eines gewichtigen Beitrags die Steuerbegünstigung sachgerecht.

BFH, Urteil v. 26.4.2018, VI R 39/16; veröffentlicht am 5.9.2018.


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