Ermittlung des Gewinns eines Betriebs gewerblicher Art
Hintergrund: Dauerdefizitäre Sportanlage einer Gemeinde
Die Stadt ist alleinige Kommanditistin der Stadtwerke GmbH u. CO. KG (KG). Diese umfasste die Sparten Strom-, Wasser, Fernwärmeversorgung ... und Eisstadion. Die KG erstellte für die Streitjahre 2003 bis 2005 handelsrechtliche Abschlüsse, in die die Erträge und Aufwendungen aus sämtlichen Tätigkeiten eingingen. Teile des Gewinns ("Mindestgewinne") wurden den Rücklagen der KG zugeführt. Der verbleibende Betrag wurde von der Stadt entnommen.
Wegen des dauerhaft defizitären Betriebs des Eisstadions wandte das FA die Grundsätze der sog. Segmentierung an. Es sah das Stadion ertragsteuerlich als eigenständigen Betrieb gewerblicher Art (BgA) an und behandelte die übrigen Tätigkeitsfelder als einen weiteren BgA (BgA "KG-Beteiligung"). Die Verluste aus dem Eisstadion wurden in der körperschaftsteuerlichen Einkommensermittlung des BgA "KG-Beteiligung" nicht erfasst, sondern eigenständig im BgA "Eisstadion" veranlagt.
Die Stadt legte dem KapSt-Abzug den bei der KG beschlossenen entnahmefähigen Gewinn nach Abzug der Mindestgewinne des BgA "KG-Beteiligung" zugrunde. Das FA anerkannte die Minderung um die thesaurierten Mindestgewinne als Rücklagen, erhöhte jedoch die Bemessungsgrundlage um die abgezogenen Verluste des Eisstadions. Die hiergegen gerichtete Klage der Stadt wurde vom FG zurückgewiesen.
Entscheidung: Kein Querverbund zwischen dem defizitärem BgA "Eisstadion" und dem BGA "KG-Beteiligung"
Der BFH stellt zunächst klar, dass die kapitalertragsteuerliche Bemessungsgrundlage den "nicht den Rücklagen zugeführten Gewinn" i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst b EStG umfasst. Sie betrifft somit die entnahmefähigen und tatsächlich entnommenen Gewinnanteile aus der KG. Diese ergeben sich aus sämtlichen Tätigkeiten der KG nach Abzug der aufgrund der Gesellschafterbeschlüsse thesaurierten Mindestgewinne.
Segmentierung defizitärer Tätigkeiten
Bei der Ermittlung des "nicht den Rücklagen zugeführten Gewinns" sind jedoch neben dem tatsächlich entnommenen Gewinnanteil auch die Beträge einzubeziehen, die auf der Ebene der KG die Verluste aus dem Betrieb des Eisstadions gedeckt haben. Die Einnahmen und Ausgaben aus dem Betrieb des Eisstadions wurden aus der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der KG segmentiert. Der Betrieb des Eisstadions bildete körperschaftsteuerrechtlich einen eigenständigen BgA (Regiebetrieb).
Der BgA "KG-Beteiligung" und der BgA "Eisstadion" konnten auf Ebene der Trägerkörperschaft nicht (wieder) zu einem einheitlichen BgA zusammengefasst werden. Nach den vom BFH für die Zusammenfassung von BgA entwickelten Grundsätzen bestand die erforderliche enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung nicht (BFH Urteil vom 04.09.2002 - I R 42/01, BFH/NV 2003, 511). Diese Unzulässigkeit des steuerlichen Querverbunds kann bei der Ermittlung der kapitalertragsteuerlichen Bemessungsgrundlage nicht unberücksichtigt bleiben.
Modifizierter Gewinnbegriff
Der Begriff des Gewinns eines BgA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG ist zwar grundsätzlich handelsrechtlich auszulegen. Bei der Beteiligung einer Trägerkörperschaft an einer gewerblichen Personengesellschaft ist er jedoch modifizierend zu verstehen, um die kapitalertragsteuerliche Bemessungsgrundlage zutreffend zu ermitteln.
Eine modifizierende Auslegung ist auch im Streitfall geboten. Die ertragsteuerrechtliche Abgrenzung der verschiedenen BgA, die aufgrund der Tätigkeiten der KG vorhanden sind, ist zu berücksichtigen. Denn würde man in den verwendungs- und ausschüttungsfähigen Jahresüberschuss des BgA "KG-Beteiligung" nur den jeweils von der Stadt tatsächlich entnommenen Gewinnanteil aus der KG einbeziehen, bliebe für die Bemessungsgrundlage unberücksichtigt, dass die Gewinne aus den übrigen Tätigkeiten der KG die Verluste des BgA "Eisstadion" ausgeglichen haben. Allein aufgrund der handelsrechtlichen Zusammenfassung dieser Tätigkeiten entstände trotz deren ertragsteuerrechtlicher Abgrenzung ein ansonsten unzulässiger steuerlicher Querverbund. Wären auf Ebene der KG die Erträge aus den übrigen Sparten nicht mit dem Verlust des Eisstadions verrechnet worden, hätte die Stadt die zur Verlustdeckung verwendeten Beträge zusätzlich aus der KG entnommen und damit den kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinn erhöht. Sie sind daher in den Gewinn des BgA "KG-Beteiligung" i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG einzubeziehen.
Hinweis: Keine Bindung an die Vereinfachungsregelung der Verwaltung
Nach dem BMF-Schreiben v. 28.1.2019, BStBl I 2019, 97 Rz. 31, kann bei fehlender eigener Handelsbilanz eines BgA, der – wie im Streitfall der BgA "KG-Beteiligung" – aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft besteht, für die kapitalertragsteuerliche Bemessungsgrundlage aus Vereinfachungsgründen auf die tatsächlichen Einnahmen aus der Gesellschaft abgestellt werden. Auf diese Verwaltungsregelung kann sich die Stadt jedoch nicht berufen. Sie steht der modifizierten Ermittlung des Gewinns im BgA "KG-Beteiligung" nicht entgegen. Denn für die Auslegung einer Verwaltungsvorschrift ist nicht entscheidend, wie das Gericht sie versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden wissen will. Das Gericht darf eine solche Verwaltungsanweisung nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (BFH v. 25.4.2018, XI R 21/16, BStBl II 2018, 505). Die Auslegung des FA, nach der die Vereinfachungsregelung wegen der Besonderheiten des Streitfalls nicht anzuwenden ist und daher trotz fehlender Handelsbilanz des BgA "Beteiligung" nicht auf den tatsächlich aus der KG entnommenen Gewinnanteil abgestellt werden darf, ist daher nicht zu beanstanden.
BFH Urteil vom 26.06.2019 - VIII R 43 15 (veröffentlicht am 04.10.2019)
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