Doppelte AfA bei bebautem Ehegattengrundstück
Hintergrund
Der Sohn (S) erhielt zum 31.12.1993 von seinem Vater (V) im Wege vorweggenommener Erbfolge ein Einzelunternehmen unentgeltlich übertragen. In diesem Zusammenhang übertrugen V sowie die Mutter (M) dem S ferner zwei Grundstücke, deren Miteigentümer sie zur Hälfte waren. In 1960 bis 1970 hatte V auf den Grundstücken betrieblich genutzte Gebäude errichtet. V verständigte sich mit dem FA darauf, den hälftigen Grund und Boden erfolgsneutral auszubuchen sowie die zivilrechtlich auf den Miteigentumsanteil der M entfallenden Gebäudeherstellungskosten als immaterielle Wirtschaftsgüter anzusehen und die AfA insoweit nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren vorzunehmen (Restbuchwert dieser Bilanzposition zum 31.12.1993 200.000 EUR).
Im Rahmen der Übernahme legte S eine Einlage zum Teilwert zugrunde. Er bewertete die Anteile der M an den Gebäudewerten zum 1.1.1994 mit 1,3 Mio. EUR und nahm von diesen Teilwerten seit 1994 AfA vor. Das FA ging dagegen davon aus, S sei bei der Betriebsübernahme zum 1.1.1994 zur Buchwertfortführung verpflichtet gewesen. Daher sei die erste noch änderbare Bilanz zu berichtigen. Die Bilanzansätze wurden dahin geändert, dass die aus den ursprünglichen Herstellungskosten abgeleiteten Buchwerte auf den 1.1.1994 errechnet und unter Berücksichtigung der AfA auf den 1.1.1999 weiter entwickelt wurden. Zugleich mit dem ESt-Änderungsbescheid erging ein gesonderter Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.1999. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage des S unter Hinweis auf die Buchwertfortführung bei unentgeltlicher Betriebsübergabe ab.
Entscheidung
Auf die Revision des S hob der BFH das FG-Urteil auf und gab der Klage statt.
Wenn - wie hier - keine besonderen Vereinbarungen über die tatsächliche Herrschaft des Unternehmer-Ehegatten (V) über die Gebäude bestehen, steht diesem kein wirtschaftliches Eigentum an den zivilrechtlich im Eigentum des Nichtunternehmer-Ehegatten (M) stehenden Gebäudehälften zu. Der von V gebildete Bilanzposten dient allein der typisierten Verteilung seines betrieblichen Aufwands. Er ist jedoch nicht einem Wirtschaftsgut gleichzustellen. Daher können mittels dieses Aufwandsverteilungspostens Wertsteigerungen, die bei dem im Privatvermögen des Nichtunternehmer-Ehegatten befindlichen Wirtschaftsgut eintreten, dem Unternehmer nicht zugerechnet werden. Dementsprechend kann der Unternehmer-Ehegatte in dieser Bilanzposition keine stillen Reserven bilden.
Die im zivilrechtlichen Eigentum (Privatvermögen) der M stehenden Gebäudehälften sind - ebenso wie die Anteile am Grund und Boden - aufgrund ihrer betrieblichen Nutzung durch S im Wege der Einlage zum 31.12.1993 in dessen Betriebsvermögen gelangt. Diese Einlagen waren mit dem Teilwert zum Zeitpunkt der Überführung in das Betriebsvermögen zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG). Der Teilwert ist sodann Bemessungsgrundlage für die von S vorzunehmende AfA.
Den Einwand des BMF, dass es nicht dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspreche, wenn derselbe Aufwand doppelt abgeschrieben werden könne, hält der BFH zwar abstrakt gesehen für zutreffend. Es findet sich jedoch im Gesetz keine Rechtsgrundlage dafür, dass der Einlagewert (unstreitig der Teilwert) nicht auch als AfA-Bemessungsgrundlage anzusehen wäre.
Hinweis
Obwohl die Baukosten nur einmal angefallen sind, bestätigt der BFH, dass in solchen Fällen im Ergebnis eine doppelte Abschreibung zulässig ist. Da der Bilanzposten, der den eigenen Bauaufwand des Unternehmers verkörpert, nicht Sitz solcher stillen Reserven sein kann, die auf Wertsteigerungen beruhen, kann umgekehrt auch der Unternehmer-Ehegatte keine stillen Reserven in dieser Bilanzposition bilden. Der BFH stellt dazu klar, dass Steuersubventionen, die nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gewährt werden, für den Aufwandsverteilungsposten nicht beansprucht werden können. Anders ist es nur bei Subventionsvorschriften, die unterschiedslos sowohl für Gebäude des Betriebsvermögens als auch für Gebäude im Privatvermögen gelten. In der Praxis wurde dies bisher abweichend dahin verstanden, dass in beiden Fällen die Buchwerte dieser Bilanzposition zusätzlich gemindert werden konnten. Die in der Ablehnung stiller Reserven für den Aufwandsverteilungsposten liegende Neuorientierung des BFH würde allerdings dazu führen, dass sich die stillen Reserven bei Beendigung der betrieblichen Nutzung des zum Privatvermögen des Nichtunternehmer-Ehegatten gehörenden Wirtschaftsguts steuerneutral verflüchtigen. Das wäre mit der Konzeption des Gesetzgebers, die Vergünstigungen nur zu gewähren, wenn die dadurch gebildeten stillen Reserven steuerverstrickt bleiben, nicht vereinbar. Der BFH regt daher insoweit eine gesetzliche Übergangsregelung an.
Dass der BFH das Argument des BMF, die doppelte Inanspruchnahme der AfA werde dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht gerecht, mit dem schlichten Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage für diese Beurteilung bzw. auf die gesetzliche Regelung zur Bewertung von Einlagen mit dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG) zurückweist, überrascht. Denn eigentlich geht das Leistungsfähigkeitsprinzip als Leitmaxime des Einkommensteuerrechts den einzelgesetzlichen Regelungen vor.
BFH, Urteil v. 9.3.2016, X R 46/14, veröffentlicht am 4.5.2016
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