Erschütterung des Anscheinsbeweises für eine private Kfz-Nutzung
Hintergrund
Es ging wieder einmal um einen "Neun-Elfer", den Kultrenner Porsche 911. Zu entscheiden war für das Streitjahr 1999, ob dafür ein privater Nutzungsanteil anzusetzen ist.
Der Rechtsanwalt B war an einer Sozietät beteiligt. Bei der Gewinnfeststellung setzte das FA für einen Porsche 911 des B einen privaten Nutzungsanteil von rund 20.000 DM an. Der Porsche 911 war nur von 22.4. bis 4.11.1999 auf B zugelassen. Daneben war auf ihn für das gesamte Streitjahr ein Porsche 928 S4 (ein von 1987 - 1991 gebauter Sportwagen-Klassiker) und ab 22.7.1999 ein Volvo V70 (geräumiger Kombi) zugelassen. Der Porsche 928 und der Volvo befanden sich im Privatvermögen.
Das FA hatte den privaten Nutzungsanteil für den Porsche 911 für das gesamte Streitjahr nach der 1 %-Regelung berücksichtigt. Das FG gab der Klage zum Teil statt. Zum einen sei der Porsche 911 bis zum 21.4. und nach dem 4.11. nicht auf B zugelassen gewesen. Zum anderen hätten B jedenfalls ab dem 22.7. weitere gleichwertige Privat-PKW zur Verfügung gestanden.
Entscheidung
Der BFH bestätigt das FG-Urteil. Die Revision des FA wurde zurückgewiesen.
Die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, ist mit 1 % des Listenpreises (zuzüglich Kosten der Sonderausstattung) anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Nach der Lebenserfahrung werden betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, tatsächlich auch privat genutzt. Dieser Beweis des ersten Anscheins kann durch den Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Dazu ist ein Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Es genügt, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehens ergibt. Dazu reicht allerdings die bloße Behauptung, es hätten private Fahrzeuge für Privatfahrten zur Verfügung gestanden, nicht aus.
Für den Streitfall sieht der BFH - mit dem FG - den Anscheinsbeweis als erschüttert an. Zum einen war der Porsche 911 vom 1.1. bis 21.4. und nach dem 4.11. gar nicht auf B zugelassen. Zum anderen stand B mit dem Porsche 928 für das ganze Jahr ein in Ausstattung, Fahrleistung und Prestige mit dem Porsche 911 vergleichbarer PKW zur Verfügung. Die Folgerung, bei Gleichwertigkeit der Fahrzeuge bestehe keine Veranlassung, das betriebliche Fahrzeug auch für Privatfahrten zu benutzen, wird vom BFH nicht beanstandet. Außerdem verfügte die Familie ab Juli noch über den Volvo Kombi. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass in der Familie des B mit vier kleinen Kindern eher dieser geräumige Kombi als der sportliche Porsche 911 genutzt wurde.
Hinweis
Der Anscheinsbeweis für die private Nutzung des Porsche 911 ist damit erschüttert. Den Beweis für die private Nutzung hat das FG indes nicht erbracht.
Das FA hatte noch vorgetragen, bei Luxusgütern sei die Anschaffung stets unwirtschaftlich. Wer Luxusautos fahre, tue das aus Neigung. Es spiele daher keine Rolle, ob das Halten eines vergleichbaren privaten PKW bei möglicher privater Nutzung des betrieblichen PKW sinnlos sei. Dieser Argumentation folgt der BFH zu recht nicht.
Der BFH vertieft auch nicht den Gesichtspunkt, dass - auch bei vorhandenem gleichwertigem Privatfahrzeug - erfahrungsgemäß gleichwohl mit dem Betriebsfahrzeug auch Privatfahrten unternommen werden, z.B. wenn im Anschluss an eine betriebliche Fahrt noch eine Privatfahrt erforderlich wird. Man kann wohl nicht davon ausgehen, dass das Fahrzeug stets gewechselt wird. Damit zeigt die Entscheidung zumindest die Tendenz, die Dinge nicht zu engstirnig zu betrachten.
Als entscheidend für die Erschütterung des Anscheinsbeweises stellt der BFH auf das Vorhandensein der gleichwertigen Betriebs- und Privatfahrzeuge (Porsche 911 und Porsche 928) ab. Lediglich ergänzend verweist die Entscheidung darauf, dass ab Juli noch der für die Familie geeignetere Volvo Kombi zur Verfügung stand.
Urteil v. 4.12.2012, VIII R 42/09, veröffentlicht am 30.1.2013
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