Einkommensteuerschulden-Schulden im Insolvenzplanverfahren
Hintergrund: ESt-Festsetzung nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens
Zu entscheiden war, ob das FA eine nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens festgesetzte ESt-Schuld vollumfänglich erheben darf, obwohl die ESt während des Insolvenzverfahrens entstanden ist, oder ob dem (früheren) Insolvenzschuldner die Haftungsbeschränkung auf die Gegenstände der (früheren) Insolvenzmasse zusteht.
Der Rechtsanwalt R war ursprünglich an einer Sozietät (GbR) beteiligt. Diese wurde zum 31.12.2010 aufgelöst und als Liquidationsgesellschaft fortgeführt. Im August 2011 wurde über das Vermögen des R das Insolvenzverfahren eröffnet. Den auf R entfallenden Teil am Liquidationserlös der Sozietät vereinnahmte der Insolvenzverwalter zugunsten der Insolvenzmasse. Im September 2013 erging ein ESt-Bescheid 2012, in dem die Einkünfte des R aus der aufgelösten Sozietät nicht erfasst waren. Im August 2013 bestätigte das Amtsgericht einen von R erstellten Insolvenzplan. Im März 2014 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens stellte das FA die Einkünfte der Sozietät für 2012 gesondert und einheitlich fest und erließ gegenüber R einen geänderten ESt-Bescheid 2012, mit dem es die für R gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte aus der ehemaligen Sozietät (20.000 EUR) berücksichtigte und eine entsprechende Nachzahlung auswies. R wandte ein, ihm seien in 2012 keine Einkünfte aus der Sozietät zugeflossen, da der Insolvenzverwalter diese für die Insolvenzmasse vereinnahmt habe. Die entsprechende Klage wies das FG mit der Begründung ab, R habe mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Massebestandteile zurückerhalten.
R zahlte daraufhin die festgesetzte Steuer (unter Protest) und beantragte einen Abrechnungsbescheid sowie die Erstattung der gezahlten Steuer. Das FA verweigerte die Erstattung. Die gegen diesen Abrechnungsbescheid gerichtete Klage blieb ebenfalls ohne Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, R hafte mit seinem ganzen Vermögen. Es bestehe keine Erhebungs- und Vollstreckungsbeschränkung, da die Einkünfte aus der Sozietät darauf beruhten, dass R vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Gesellschaftsverhältnis eingegangen sei. Eine einkünftebegründende Handlung des Insolvenzverwalters liege nicht vor. Er habe lediglich den zur Insolvenzmasse gehörenden Gesellschaftsanteil verwaltet.
Entscheidung: Keine Erfassung der (ehemaligen) Masseverbindlichkeiten im Insolvenzplan
Der BFH teilt die Auffassung des FA und des FG. Nach der formellen Bescheidlage (ESt-Änderungsbescheid 2012) bestand zum Zeitpunkt der von R geleisteten Zahlung ein Steueranspruch des FA aus ESt 2012 in entsprechender Höhe. Der Rechtsgrund für die Zahlung ist später nicht weggefallen. Die Bestätigung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens stehen der Steuererhebung nicht entgegen. Denn die streitigen ESt-Schulden waren Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO). Sie resultierten aus der Verwaltung des zur Masse gehörenden Anteils des R an der aufgelösten Sozietät und hätten, wären sie rechtzeitig erklärt und festgesetzt worden, gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden müssen (BFH Urteil vom 01.06.2016 - X R 26/14, BStBl II 2016, 848).
Massegläubiger sind am Insolvenzplanverfahren nicht beteiligt
Als (ehemalige) Masseverbindlichkeiten werden diese Einkommensteuerschulden von den Wirkungen des Insolvenzplans nicht erfasst. Denn die Wirkungen des Insolvenzplans treten grundsätzlich nur gegenüber den am Insolvenzplanverfahren beteiligten Personen ein (§§ 254, 254a InsO). Massegläubiger sind jedoch keine Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens). Daher ermöglicht die Aufstellung eines Insolvenzplans auch keine von den Vorschriften der Insolvenzordnung über Massegläubiger abweichenden Regelungen. Die Bestimmungen über die Befriedigung der Massegläubiger sind grundsätzlich "planfest". Deshalb gilt insbesondere auch die Befreiung von den Restverbindlichkeiten nach § 227 Abs. 1 InsO nur gegenüber Insolvenzgläubigern. Sie erstreckt sich nicht auf Masseverbindlichkeiten.
Lediglich für den - hier nicht einschlägigen - Fall der angezeigten Masseunzulänglichkeit (§ 210a InsO) können bestimmte Massegläubiger in das Insolvenzplanverfahren einbezogen werden (BGH Beschluss vom 16.02.2017 - IX ZB 103/15, BGHZ 214, 78, NJW 2017, 2280). Masseverbindlichkeiten werden damit von der Wirkung des Insolvenzplanverfahrens grundsätzlich ebenso wenig erfasst wie von einer nach § 301 InsO erteilten Restschuldbefreiung (BFH Urteil vom 28.11.2017 - VII R 1/16, BStBl II 2018, 457).
Hinweis: Unzulässige Klageerweiterung im Revisionsverfahren
R hatte (unter Bezug auf eine Schrifttumsmeinung) im Revisionsverfahren zusätzlich vorgebracht, die Erstattung stehe ihm auch aus sachlichen Billigkeitsgründen zu. Im Klageverfahren hatte er jedoch keinen entsprechenden Antrag gestellt. Dazu bemerkt der BFH, bei einem erst im Revisionsverfahren gestellten Erlassantrag handele es sich um eine unzulässige Klageerweiterung. Der BFH konnte daher zu Billigkeitserwägungen nicht Stellung nehmen. Im Übrigen hatte auch das FG keine Entscheidung über einen Erlass getroffen, sondern nur ergänzende Überlegungen angestellt.
BFH Urteil vom 23.10.2018 - VII R 13/17 (veröffentlicht am 02.01.2019)
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