Keine erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils
Hintergrund
Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die (u.a.) ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten, anstelle der Kürzung nach Satz 1 (= 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Im Streitfall war zu entscheiden, ob die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch für Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe von Mitunternehmeranteilen durch Kapitalgesellschaften gilt.
Die A-KG hatte ein Erbbaurecht inne, dessen wesentlicher Bestandteil eine Immobilie zur Durchführung von Veranstaltungen war. Im Dezember 2002 stellte die A-KG einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft im Hinblick auf ein geplantes Leasing-Fondskonzept. Danach sollten zwei ihrer bisherigen Kommanditistinnen (AG1 und AG2) ihre Kommanditanteile veräußern und bei der A-KG solle es sich nur noch um eine reine Immobilienbesitzgesellschaft handeln. Die Beteiligung natürlicher Personen mit dem Ziel der Vermeidung einer gewerblichen Prägung war nicht vorgesehen. Das FA erteilte eine verbindliche Auskunft dahingehend, dass die A-KG als gewerblich geprägte Gesellschaft die erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen könne.
Zum 1.1.2003 veräußerten die AG1 und AG2 ihre Kommanditanteile an der A-KG und erzielten einen Veräußerungsgewinn, für den das FA jedoch bei der Festsetzung des GewSt-Messbetrags 2003 die erweiterte Kürzung nicht berücksichtigte. Der Gewinn aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen an grundstücksverwaltenden Personengesellschaften durch Kapitalgesellschaften gehöre nicht zur begünstigten grundstücksverwaltenden Tätigkeit. Das stelle der durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz (EURLUmsG) v. 8.12.2004 (BGBl 1 2004, 3310) in § 9 Nr. 1 eingefügte Satz 6 der Vorschrift klar.
Dem folgte das FG und lehnte auch eine Bindung an die erteilte verbindliche Auskunft ab.
Entscheidung
Auch der BFH ist der Auffassung, dass bereits in 2003 der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils i.S. des § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG (Anteile nicht natürlicher Personen) nicht in die erweiterte Kürzung einzubeziehen ist. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Der Neuregelung (§ 9 Nr. 1 Satz 6 GewStG i.d. Fassung des EURLUmsG) kommt nur klarstellende Bedeutung zu.
Zweck des § 7 Satz 2 GewStG ist es, zu verhindern, dass Kapitalgesellschaften einzelne Wirtschaftsgüter, deren Veräußerung bei ihnen der GewSt unterliegt, steuerneutral auf eine Personengesellschaft zu übertragen und anschließend die Beteiligung an der Personengesellschaft ohne Belastung mit GewSt veräußern. Dieser Gesetzeszweck würde unterlaufen, wenn die Einbeziehung von Gewinnen aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, der von einer Kapitalgesellschaft als Mitunternehmerin der Personengesellschaft gehalten wird, in den Gewerbeertrag der Personengesellschaft durch eine entsprechende Kürzung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GewStG wieder rückgängig gemacht würde.
Mit dem FG lehnt der BFH auch eine Bindung des FA an die erteilte verbindliche Auskunft ab. Bei der Auslegung einer verbindlichen Auskunft als öffentlich-rechtliche Willenserklärung einer Behörde ist nicht der buchstäbliche Ausdruck, sondern der objektive Erklärungswert bzw. die Sicht eines objektiven Betrachters maßgebend. Danach erschöpfte sich der objektive Erklärungswert der erteilten Auskunft darin, dass die A-KG als gewerblich geprägte Gesellschaft die erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen könne. Die entscheidende Frage, ob davon auch Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen erfasst seien, war jedoch nicht Gegenstand der Fragestellung und der Antwort des FA.
Hinweis
Der BFH beantwortet die Frage der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen beim Verkauf von Mitunternehmeranteilen im Sinne der überwiegenden Literaturmeinung. Er folgt nicht der Gegenmeinung, die davon ausgeht, die Einfügung der Neuregelung in § 9 Nr. 1 Satz 6 GewStG wäre nicht notwendig gewesen, wenn die Veräußerungsgewinne schon bisher nicht zu berücksichtigen gewesen seien.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass bei der Beantragung einer verbindlichen Auskunft größte Sorgfalt auf die Fragestellung zu legen ist. Die Frage sollte möglichst konkret gestellt werden, damit sich nicht hernach ein Streit darüber entzünden kann, ob der verwirklichte Sachverhalt von der Fragestellung umfasst wird.
BFH, Urteil v. 18.12.2014, IV R 22/12, veröffentlicht am 22.4.2015
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