Mitunternehmer einer Freiberuflerpraxis
Hintergrund
Die Ärzte A und B betrieben eine Gemeinschaftspraxis. Mit Vertrag aus 1998 nahmen sie die Ärztin C in die Gemeinschaft auf. Nach dem Vertrag sollte die Geschäftsführung gemeinschaftlich ausgeübt werden. Entscheidungen waren mehrheitlich zu treffen. Für die aus der Gemeinschaft entstehenden Verbindlichkeiten sollten die Vertragspartner als Gesamtschuldner haften, wobei intern ein Verlustausgleich entsprechend dem Verschuldensgrad vereinbart war. Bis zum 31.3.2001 war C jedoch nicht an den materiellen Werten der Gemeinschaft beteiligt. Ihr wurde eine Option zum Erwerb eines Drittels der Praxis eingeräumt. Nach der Gewinnverteilungsabrede sollte C bis 31.3.2001 jährlich einen Prozentsatz des eigenen Honorarumsatzes erhalten (37 % für die ersten 200.000 EUR bzw. 42 % für die darüber liegende Summe), "sofern ein entsprechender Gewinn erzielt wird". Nach Ausübung der Option sollte C einen Gewinn- oder Verlustanteil entsprechend ihrer Beteiligung erhalten. Bis zum 31.3.2001 waren Reparaturen und Wartungen auf Kosten von A und B durchzuführen. Die Verfügungsmacht über Konten und die Barkasse lag bei A und B. Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters sah der Vertrag keine Regelungen über Abfindungszahlungen vor. C machte von der Erwerbsoption keinen Gebrauch. Der Gesellschaftsvertrag aus 1998 wurde daher unverändert fortgeführt.
Das FA vertrat für das Streitjahr 2007 die Auffassung, C sei nicht Mitunternehmerin der GbR geworden. Es lehnte daher (mit einem negativen Feststellungsbescheid) die Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung für die dreigliedrige GbR (A,B,C) ab und erließ einen Feststellungsbescheid, mit dem es die Besteuerungsgrundlagen für die zweigliedrige GbR (A,B) feststellte und den Gesellschaftern hälftig zurechnete.
Die von A und B gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage wies das FG mit der Begründung ab, C sei wegen fehlender Gewinnbeteiligung nicht Mitunternehmerin der GbR gewesen.
Entscheidung
Der BFH bestätigt das Urteil des FG und wies die Revision der A und B zurück. Die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos als Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. So kann ein geringes Initiativrecht durch ein besonders ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko (und umgekehrt) ausgeglichen werden. Allerdings müssen beide Merkmale vorliegen. Ob das zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen. Mitunternehmerrisiko bedeutet Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens, also Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an den unternehmerischen Entscheidungen, mindestens Ausübung von Gesellschaftsrechten die den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten eines Kommanditisten angenähert sind.
Gegen ein ausreichendes Mitunternehmerrisiko der C spricht vor allem:
- Sie war nicht am Gewinn der GbR beteiligt. Sie erhielt lediglich eine umsatzabhängige Vergütung. Denn ihre Vergütung bemaß sich wesentlich nach dem von ihr selbst erwirtschafteten Umsatz. Dagegen spricht nicht, dass die Vergütung vom Vorhandensein eines entsprechend hohen Gewinns der GbR abhängig war. Denn daraus folgt lediglich eine Begrenzung des Vergütungsanspruchs. Dieser sollte entfallen, wenn die GbR keinen Gewinn erzielt. Auch wenn der Vergütungsanspruch von einem entsprechend hohen Gewinn der GbR abhängig war, nahm C am Verlust der GbR nur begrenzt teil. Ihr Vergütungsanspruch war mit dem wirtschaftlichen Erfolg der GbR verknüpft, vermittelte indes keine umfassende Teilhabe am Verlust.
- Da die "materiellen Werte" unverändert den bisherigen Gesellschaftern (A und B) zugerechnet blieben und eine Beteiligung an den immateriellen Werten nicht geregelt war, fehlte auch eine Beteiligung der C an den stillen Reserven. Da sie ein Entgelt für ihre Beteiligung erst mit der Optionsausübung hätte entrichten müssen, handelt es sich bei der Vertragsabrede um eine "echte Nullbeteiligung". Dass C weder an den immateriellen Wirtschaftsgütern noch an den darin liegenden stillen Reserven beteiligt war, wird auch durch das Fehlen einer Abfindungsregelung bestätigt.
- Der Einwand, C habe ein - im Außenverhältnis unbeschränktes und im Innenverhältnis beschränktes - Haftungsrisiko getragen, greift nicht durch. Das schwach ausgeprägte Risiko wird nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen. Denn von der gemeinschaftlichen Geschäftsführung der GbR waren wesentliche Bereiche ausgenommen (Neuinvestitionen, Verfügung über die Praxiskonten). C hatte somit nicht die Möglichkeit, wie ein Unternehmer das Schicksal der GbR maßgeblich zu beeinflussen.
Hinweis
Die Einkünfte der C sind daher nicht zusammen mit den Einkünften der A und B festzustellen, sondern im Rahmen ihrer ESt-Veranlagung zu berücksichtigen. Der BFH bestätigt die allgemeinen Voraussetzungen einer Mitunternehmerstellung. Der Gesellschafter ist nur dann Mitunternehmer, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen (oder einer wirtschaftlich vergleichbaren) Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt. Das gilt auch für eine freiberufliche Mitunternehmerschaft (z.B. BFH v. 10.10.2012, VIII R 42/10, BStBl II 2013, 79, und v. 8.4.208, VIII R 73/05, BStBl II 2008, 681). Der Begriff des Mitunternehmers ist ein Typusbegriff, der nur durch eine unbestimmte Zahl austauschbarer Merkmale beschrieben werden kann. Entscheidend ist die Gesamtwürdigung der Einzelumstände. Diese obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz. Sie ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar. Die Rüge, das FG habe einen bestimmten Gesichtspunkt nicht oder falsch beurteilt, greift daher nicht durch, wenn die Würdigung unter Einbeziehung der Gesamtumstände zutreffend ist.
In dem Parallelverfahren (Urteil v. 3.11.2015, VIII R 62/13) entschied der BFH, dass die Einkünfte der GbR (A,B) als gewerblich zu qualifizieren sind. Denn C behandelte ihre Patienten im Namen der GbR eigenverantwortlich und somit ohne Überwachung oder persönliche Mitwirkung durch A und B. Mangels leitender und eigenverantwortlicher Tätigkeit der Mitunternehmer (A,B) lagen insoweit keine freiberuflichen, sondern gewerbliche Einkünfte der GbR vor. Erbringen die Gesellschafter einer Personengesellschaft ihre Leistungen teilweise freiberuflich und teilweise gewerblich, ist ihre Tätigkeit insgesamt als gewerblich zu qualifizieren (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, sog. "Abfärbewirkung").
BFH, Urteil v. 3.11.2015, VIII R 63/13, veröffentlicht am 30.3.2016
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