Organschaft: Eingliederung über Erbengemeinschaft

Für die Beurteilung der finanziellen Eingliederung bei mittelbarer Beteiligung über eine Erbengemeinschaft können keine Stimmrechte kraft wirtschaftlichen Eigentums zugerechnet werden.

Gestritten wurde darüber, ob in den Kalenderjahren 2012 und 2013 eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen dem Kläger als Organträger und der A-GmbH als Organgesellschaft bestand. Der Kläger war mit seiner Mutter zu jeweils 50% an einer GbR beteiligt, die ein Grundstück an die A-GmbH verpachtete. Auch an der A-GmbH waren der Kläger und seine Mutter zu je 50% beteiligt. Die am 1.12.2012 verstorbene Mutter hatte mit notariellem Testament ihre drei Kinder (den Kläger und seine beiden Schwestern) zu je einem Drittel als Erben eingesetzt. Außerdem hatte sie in dem Testament als Vorausvermächtnis angeordnet, dass der Kläger die gesamte Beteiligung an der GbR und ihren Geschäftsanteil bei der GmbH erhält. Mit notariellem Vertrag vom 15.7.2013 wurde der Anteil der verstorbenen Mutter an der A-GmbH von der Erbengemeinschaft auf den Kläger übertragen. Nachdem mit Beschluss vom 4.10.2013 ein vorläufiger Insolvenzverwalter für die GmbH bestellt worden war, vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass bereits in der Zeit vom 1.12.2012 (Tod der Mutter) bis zum 14.7.2013 (Tag vor der Anteilsübertragung auf den Kläger) eine umsatzsteuerliche Organschaft mit dem Kläger als Organträger und der A-GmbH als Organgesellschaft bestanden hat.

Finanzielle Eingliederung 

Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts Baden-Württemberg lag in der Zeit vom 1.12.2012 bis zum 14.7.2013 mangels finanzieller Eingliederung keine umsatzsteuerliche Organschaft vor. Eine finanzielle Eingliederung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen kann. Erforderlich ist die Stimmenmehrheit, also mehr als 50% der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft erforderlich ist. Ein bloßes Vetorecht in Form einer Sperrminorität von 50% der Stimmrechte ist nicht ausreichend.

In dem streitbefangenen Zeitraum konnte der Kläger bei der A-GmbH seinen Willen nicht durch Mehrheitsbeschlüsse durchsetzen, da ihm in dieser Zeit nicht mehr als 50% der Stimmen an der A-GmbH zustanden. Bis zum 14.7.2013 konnte das frühere Stimmrecht der Mutter nur von der Erbengemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss ausgeübt werden. Der Kläger hätte sich somit bei einer notwendigen Beschlussfassung gegen den Willen der beiden Miterbinnen nicht durchsetzen können. Auch stand ihm allein aufgrund des Vorausvermächtnisses hinsichtlich des Anteils kein Stimmrecht zu. Entscheidend ist letztlich die rechtliche Durchsetzungsmöglichkeit der Willensbildung, auf das wirtschaftliche Eigentum und damit auf die wirtschaftliche Durchsetzungsmöglichkeit kommt es insoweit nicht an.

Voraussetzung der Organschaft muss gegeben sein 

Würde man den Anteil des Klägers an der Erbengemeinschaft zu seinem 50%igen direkten Anteil an der A-GmbH hinzuaddieren, hätte er bereits vor dem 15.7.2013 die Stimmenmehrheit gehabt. Dies ist aber nicht möglich, weil der Kläger an der Erbengemeinschaft nur zu einem Drittel beteiligt war und diese somit nicht beherrschen konnte. Das Gericht verweist darauf, dass die mit der Organschaft verbundene Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger für diesen finanziell belastend wirkt und deshalb die Voraussetzungen der Organschaft einfach und rechtssicher bestimmbar sein müssen. Es wäre mit dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, wenn – wie vom Finanzamt vertreten – auf das wirtschaftliche Eigentum und damit auf die wirtschaftliche Durchsetzungsmöglichkeit abgestellt würde. Aus demselben Grund folgte das Gericht auch nicht der Auffassung, dass dann, wenn die Eingliederung einer GmbH in eine Einzelfirma auf wirtschaftlichem und organisatorischem Gebiet völlig eindeutig ist, die Annahme einer Organschaft nicht daran scheitert, dass die finanzielle Eingliederung nicht vollkommen sei. Die Voraussetzungen einer Organschaft müssen stets vollständig gegeben sein. 

Weil, unter Berücksichtigung der Übergangsregelung der Finanzverwaltung, spätestens ab dem 1.1.2019 Personengesellschaften Organgesellschaften sein können, ist bei der Beurteilung der finanziellen Eingliederung ganz besonders auf die Stimmenmehrheit zu achten, auf die finanzielle Beteiligung kommt es im Zweifel nicht an (vgl. Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE).

FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid v. 31.1.2018, 1 K 2444/16, Haufe Index 11635658


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