Schätzung von Betriebseinnahmen bei ungeklärtem Geldzuwachs

Schätzung von Umsätzen und Gewinnen
Der Steuerpflichtige betrieb nach den Feststellungen der Steuerfahndung in den Jahren 2001 bis 2010 eine gewerbliche Tätigkeit als Stuckateur und Gerüstverleiher und hatte hieraus bisher nicht erklärte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Da der Steuerpflichtige keine Betriebseinnahmen und -ausgaben aufgezeichnet und er während der Prüfung nicht mitgewirkt hatte, wurden die Umsätze und Gewinne anhand der Ausgabenüberhänge einer Bargeldverkehrsrechnung geschätzt. Dabei wurden die Lebenshaltungskosten in Anlehnung an Hartz IV-Regelsätze berechnet und tatsächlich bar bezahlte diverse Kosten (einschließlich Baukosten) anhand von Rechnungen und Quittungen zusammengestellt. Die Reingewinne wurden im oberen Rahmen der Richtsatzsammlung für Stuckateurgewerbe, Gipserei und Verputzerei vom wirtschaftlichen Umsatz (netto) berechnet, da die Auftraggeber/Bauherren das Material direkt beim Baustoffhändler bezahlt und keine Löhne für angestellte Arbeiter angefallen waren. Betriebsausgaben wurden als Differenz zwischen Bruttoumsatz und Reingewinn in der Schätzung berücksichtigt.
Gewinnschätzung ist zulässig
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hielt das Finanzgericht die vom Finanzamt durchgeführte Gewinnschätzung in Form der Bargeldverkehrsrechnung dem Grunde nach für zulässig. Die sogenannte Bargeldverkehrsrechnung als Variante der privaten Geldverkehrsrechnung ist eine Ausgaben-Deckungsrechnung, in der die bekannten Barmittel den Barausgaben gegenübergestellt werden. Es wird beleuchtet, welche Barmittel dem Steuerpflichtigen zur Verfügung standen, um seine Lebenshaltungskosten in Form der privaten Geldanlage und des privaten Konsums zu bestreiten. Tätigt der Steuerpflichtige höhere Barausgaben, als ihm aus den bekannten und vorhandenen Mitteln möglich ist, muss er den Unterdeckungsbetrag aus anderen steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Quellen bezogen haben.
Bargeldverkehrsrechnung
Bei der Bargeldverkehrsrechnung handelt es sich um eine vereinfachte Geldverkehrsrechnung, die auf die Differenz zwischen getätigten Ausgaben und den zu ihrer Bezahlung zur Verfügung stehenden Mitteln abstellt. Die Geldflüsse können indes nur sachgerecht ermittelt werden, wenn das zu Beginn der Vergleichsrechnung zur Verfügung stehende Barvermögen in die Berechnung einbezogen wird. In gleicher Weise ist der zum Ende der Vergleichsrechnung bestehende Endbestand an Barvermögen zu berücksichtigen, wobei die Nichterfassung dieser Position sich nur zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt und somit nicht dessen Rechte beeinträchtigt.
Ungeklärte Geldzuwächse
Das Finanzgericht entschied, dass ein ungeklärter Geldzuwachs im Privatvermögen oder eine ungeklärte Einlage in das Betriebsvermögen unter weiteren Voraussetzungen auch bei einer formell ordnungsmäßigen Buchführung die Annahme rechtfertigt, dass höhere Betriebseinnahmen erzielt und höhere Privatentnahmen getätigt als gebucht wurden. Zeigt sich, dass höhere Einkünfte erzielt worden sind, ist die Buchführung sachlich unrichtig, sodass ein eigenständiger Schätzungsgrund und ein ausreichend sicherer Anhaltspunkt für die Höhe der Zuschätzung gegeben sind. Dabei kann die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen auch durch einen Zuschlag zu den Betriebseinnahmen oder einen Abschlag von den Betriebsausgaben erfolgen, um dadurch den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die punktuelle Feststellung von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Steuerpflichtigen eingetreten sind (sogenannter (Un-)Sicherheitszuschlag).
Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen
Einzahlungen auf betriebliche Bankkonten aus dem Privatvermögen, die als Einlagen verbucht werden, führen zu einer verstärkten Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen, weil dieser durch die Mittelzuführung selbst eine Verbindung zwischen seinem Privat- und Betriebsvermögen herstellt. Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten, bleibt die Mittelherkunft ungeklärt und kann das Finanzamt höhere Betriebseinnahmen nicht nachweisen, führt dies nicht zwangsläufig dazu, nach Beweislastgrundsätzen zu Lasten des Finanzamtes zu entscheiden. Vielmehr wird im finanzgerichtlichen Verfahren dann, wenn der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden kann, weil der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht verletzt hat, nach den Umständen des Einzelfalls die Sachaufklärungspflicht begrenzt und das Beweismaß für die vom Finanzamt nachzuweisenden steuerbegründenden Tatsachen gemindert. Der Sachverhalt kann dann dahingehend gewürdigt werden, dass unklare Einlagen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen, ohne dass es weiterer Verprobungsmethoden wie einer Geldverkehrsrechnung bedarf.
FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 9.5.2018, 2 K 2160/17, Haufe Index 13030183
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