Sonderbetriebseinnahmen bei Stipendiengewährung an die Mitunternehmer einer GbR
Hintergrund: Stipendien zur Entwicklung einer Software
A und B waren jeweils zur Hälfte an einer GbR, die sich mit Softwareentwicklung beschäftigte, beteiligt. In 2010 (Streitjahr) hatten sie mit der Universität C jeweils Stipendiatenverträge geschlossen, nach denen sie als Teil des Programms "Existenzgründungen aus der Wissenschaft (EXIST)" für 2010/2011 ein Stipendium erhielten. Die Stipendien sollten der Entwicklung einer Software dienen. Dazu sollte von A und B ein Forschungsprototyp der Universität zu einem marktreifen Produkt ausgearbeitet werden.
Die Stipendien sollten den Existenzgründern ermöglichen, sich ganz der Verfolgung und Realisierung der Gründungsidee zu widmen. Die Stipendien stellten (so die Stipendiatenverträge) weder Vergütungen i.S. des § 611 BGB noch Arbeitsentgelt i.S. des § 14 des SGB IV dar, sondern dienten lediglich der Sicherung des Lebensunterhalts und des finanziellen Risikos wegen Krankheit während der Weiterverfolgung der Gründungsidee.
Die Stipendien wurden teils im Streitjahr 2010, teils im Folgejahr an A und B ausgezahlt.
Das FA ging davon aus, die Stipendien seien als Sonderbetriebseinnahmen zu erfassen, und änderte den Feststellungsbescheid 2010 entsprechend.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Es fehle an einer Veranlassung der Stipendienzahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis. Denn Grundlage der Zahlungen seien die Stipendiatenverträge, die A und B unabhängig von ihrer Gesellschafterstellung abgeschlossen hätten.
Entscheidung: Die Stipendienzahlungen können Sonderbetriebseinnahmen sein
Der BFH folgt dem FG zwar darin, dass die Stipendienzahlungen keine Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellen, weil die Universität als Stipendiengeberin nicht in einen Leistungsaustausch zwischen A und B einerseits und der GbR andererseits eingeschaltet war. Das FG hat jedoch unzutreffend angenommen, die Stipendienzahlungen könnten mangels Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch keine (sonstigen) Sonderbetriebseinnahmen i.S. des § 18 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein.
Begriff der Sonderbetriebseinnahmen
Zu den mitunternehmerischen Einkünften des Gesellschafters einer Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehören alle Einnahmen und Betriebsausgaben, die ihre Veranlassung in der Beteiligung des Steuerpflichtigen an der unternehmerisch tätigen Personengesellschaft haben. Als Sonderbetriebseinnahmen in diesem Sinne sind auch Einnahmen zu qualifizieren, die ein Mitunternehmer zwar im eigenen Namen, aber mit Unterstützung der Mitunternehmerschaft erzielt.
Stipendium als Sonderbetriebseinnahme
Dementsprechend ist auch das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird. Stipendien dienen regelmäßig dazu, den Geförderten bei der Umsetzung eines bestimmten Vorhabens finanziell zu unterstützen. Sie steigern (auch soweit hiervon der Lebensunterhalt bestritten wird) die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Stipendiaten. Bedient sich der so Geförderte als Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft, um das geförderte Vorhaben voranzutreiben, ist die Stipendienzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.
Sonderbetriebseinnahmen für den Fall der Entwicklung des Projekts mit Mitteln der GbR
Hiervon abweichend hat das FG unzutreffend darauf abgestellt, dass die Zahlungen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst seien, weil die GbR nicht selbst Partei der Stipendiatenverträge war und sich A und B nicht als Mitunternehmer der GbR verpflichtet hatten, das Projekt in der bestehenden GbR weiterzuentwickeln. Daraus folgt indes nicht, dass keine Sonderbetriebseinnahmen gegeben sein könnten. Denn die Stipendienzahlungen wären dann als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizieren, wenn A und B die Entwicklung des Projektes zwar in eigenem Namen, jedoch mit Mitteln (insbesondere der technischen Ausstattung) der GbR betrieben hätten.
Zurückverweisung an das FG
Dass A und B ihr Vorhaben mit Mitteln der GbR betrieben haben, kann nicht ausgeschlossen werden. Die GbR war bereits erfolgreich im Bereich der Softwareentwicklung tätig. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass sie das geförderte Projekt in der GbR weiterentwickelt und sich hierzu der Ressourcen der GbR bedient haben. Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Dieses hat die tatsächlichen Umstände der Umsetzung des geförderten Gründungsvorhabens durch A und B näher aufzuklären.
Hinweis: Inanspruchnahme der Mittel der Mitunternehmerschaft
Der BFH stellt klar, dass Sonderbetriebseinnahmen nicht nur vorliegen, wenn der Mitunternehmer die Einnahmen mit Unterstützung der Mitunternehmerschaft erzielt, sondern auch dann, wenn er die Tätigkeit, die zu den Einnahmen führt, mit den Mitteln der Mitunternehmerschaft betreibt.
Kein Vertrauensschutz aus Treu und Glauben
Das FA hatte zunächst im Feststellungsbescheid die Zahlungen nicht berücksichtigt und sie in den anschließenden ESt-Bescheiden (fälschlich) als steuerfreie Einnahmen behandelt. Später änderte es den Feststellungsbescheid dahin, dass die Stipendien als Sonderbetriebseinnahmen erfasst wurden. Der BFH bekräftigt, dass das FA an dem Erlass dieses geänderten Feststellungsbescheids (gestützt auf neue Tatsachen i.S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) nicht nach Treu und Glauben gehindert war. Die Behandlung der Zahlungen im Rahmen ihrer ESt-Veranlagungen als steuerfrei begründet kein schützenswertes Vertrauen, die Zahlungen auch im Rahmen der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der GbR außer Acht zu lassen.
BFH Urteil vom 25.03.2021 - VIII R 47/18 (veröffentlicht am 24.06.2021)
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