EuGH-Vorlage zu in Raten gezahlten Vermittlungsleistungen
Bei Verneinung der ersten Frage: Ist von der Nichtbezahlung i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auszugehen, wenn eine Vergütung in fünf Jahresraten vereinbart wird und das nationale Recht für den Fall der späteren Zahlung eine Berichtigung vorsieht?
Hintergrund: Ratenweise Bezahlung einer Vermittlungsleistung in den Folgejahren
Die T-GmbH (Auftraggeberin) hatte die X (Auftragnehmerin) beauftragt, im Rahmen eines Grundstückskaufs zu vermitteln. X war von Januar bis September 2012 tätig. Der Grundstückskaufvertrag wurde in 2012 abgeschlossen. Vereinbart war ein Honorar von netto 1 Mio. EUR, das in 5 Teilbeträgen von netto 200.000 EUR im Abstand von jeweils einem Jahr gezahlt werden sollte. Der erste Teilbetrag war am 30.6.2013 fällig. X erstellte jeweils Rechnungen über die Teilbeträge zum Fälligkeitszeitpunkt und versteuerte entsprechend der Vereinnahmung.
Das FA ging davon aus, X habe aufgrund der in 2012 erbrachten Vermittlungsleistung das gesamte Vermittlungshonorar bereits in 2012 zu versteuern.
Das FG gab der Klage überwiegend statt. In 2012 sei lediglich der im Folgejahr (Juni 2013) fällige erste Teilbetrag von 200.000 EUR zu erfassen. Im Übrigen sei von einer Uneinbringlichkeit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG auszugehen.
Entscheidung: Ungeklärte Problematik der ratenweisen Bezahlung einer Dienstleistung
Der BFH legt die Problematik dem EuGH zur grundsätzlichen Klärung vor.
1. Vorlagefrage: Auslegung des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL
Ausgehend vom Wortlaut könnten die Voraussetzungen des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL gegeben sein und die erste Rechtsfrage dementsprechend zu bejahen sein. Denn bei einer (im Streitfall vorliegenden) Befristung von Zahlungsansprüchen (wie bei einer Ratenzahlungsvereinbarung) gibt die Dienstleistung – entsprechend dem Wortlaut des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL – Anlass zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen.
Die wortlautgetreue Auslegung erscheint zweifelhaft
Gleichwohl hat der BFH Zweifel an dieser Auslegung. Denn nach dem Ausschlusstatbestand des Abs. 1 gilt die Regelung nicht für den Ratenverkauf. Ein vergleichbarer Ausschluss für Dienstleistungen besteht nicht. Möglicherweise hätte der Unionsgesetzgeber, wenn er die Ratenzahlung bei Dienstleistungen bedacht hätte, diesen Fall ebenso wie den Ratenverkauf von der Anwendung des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL ausgenommen und Lieferungen und Dienstleistungen gleich behandelt. Im Übrigen könnte eine wortlautgetreue Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL eine zu weit gehende Einschränkung der nach Art. 63 MwStSystRL (§ 13 UStG) grundsätzlich geltenden Sollbesteuerung begründen. Denn die wörtliche Anwendung würde für den Bereich der Dienstleistungen letztlich dazu führen, dass der Steueranspruch nicht, wie in Art. 63 MwStSystRL vorgesehen, mit der Leistungserbringung entsteht, sondern erst mit der jeweiligen Preisvereinnahmung.
2. Vorlagefrage: Der Steuerpflichtige als Steuereinnehmer
Nach Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL wird die Bemessungsgrundlage insbesondere im Fall der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung nach der Bewirkung des Umsatzes (unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen) entsprechend vermindert. Fraglich ist, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der EuGH-Rechtsprechung zukommt, nach der die Steuerpflichtigen bei der USt als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates" tätig werden, obwohl die USt als Verbrauchsteuer letztlich vom Endverbraucher getragen wird (EuGH, Urteil Netto Supermarkt v. 21.2.2008, C-271/06, EU:C:2008:105, Rz 21, HFR 2008, 408). Hier könnte über Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL verhindert werden, dass der Steuerpflichtige die von ihm bereits für den Zeitraum der Leistungserbringung geschuldete Steuer über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorfinanzieren muss.
Im Streitfall ist fraglich, ob es mit der Aufgabe des Steuereinnehmers vereinbar ist, dass bei der am 7.11.2012 erbrachten Leistung die USt für dieses Jahr (ohne Minderung der Bemessungsgrundlage) entsteht und daher vorzufinanzieren ist, obwohl die Leistung erst durch 5 jährliche Zahlungen mit erstmaliger Fälligkeit zum 30.6.2013 vergütet wird. Der BFH weist darauf hin, dass nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG im Anschluss an eine Minderung i.S. von Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL die Besteuerungsgrundlage wieder heraufzusetzen ist, wenn die Zahlung später erfolgt (EuGH, Urteil Di Maura v. 23.11.2017, C-246/16, EU:C:2017:887, HFR 2018, 79).
Hinweis: Unterschied zu dem EuGH-Fall baumgarten sports & more
Der BFH hat in dem Folgeurteil zu dem EuGH-Urteil baumgarten sports & more v. 29.11.2018, C-548/17 (EU:C:2018:970, HFR 2019, 61) entschieden, dass sich Unternehmer bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL berufen können, und dies für den dortigen Streitfall damit begründet, dass es nicht darauf ankommt, ob (wie bei einer Nutzungsüberlassung) eine zeitraumbezogene Leistungshandlung vorliegt. Es genüge vielmehr, dass eine Vermittlungsleistung nach der Dauerhaftigkeit des vermittelten Erfolgs (Verbleib des Spielers beim aufnehmenden Verein über die vereinbarte Vertragslaufzeit) vergütet werde (BFH v. 26.6.2019, V R 8/19 (V R 51/16), BFH/NV 2019, 1211). Der Streitfall unterscheidet sich von dieser Konstellation dadurch, dass es an einem entsprechenden "Zukunftsbezug" bzw. einer "Ausstrahlungswirkung" fehlt. Die Leistung war mit dem Erfolg der Vermittlung (Abschluss des Grundstückskaufvertrags in 2012) voll erbracht.
Die Einleitung des Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH beruht auf Art. 267 AEUV. Die Aussetzung des Revisionsverfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO.
BFH Beschluss vom 07.05.2020 - V R 16/19 (veröffentlicht am 23.07.2020)
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