Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding
Hintergrund
Streitig war die Höhe des Vorsteuerabzugs einer Holding aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit der Kapitalbeschaffung aus einer Aktienemission, wenn das dadurch eingeworbene Kapital zum Erwerb von Anteilen an Tochtergesellschaften dient und die Holding diesen gegenüber später steuerpflichtige Geschäftsführungsleistungen erbringt.
Die A-AG ist als Führungsholding an mehreren GmbH & Co. KG beteiligt, die jeweils ein Seeschiff halten und verchartern. Sie übernimmt als Kommanditistin gemeinsam mit den Komplementären gegen ein geringes Entgelt die Geschäftsführung der KG. Die durch die Aktienemission eingeworbenen Mittel setzte die A-AG ein, um die Beteiligungen an den Schiffs-KGs zu erwerben. Im Streitjahr 2006 gründete sie als Konzernobergesellschaft und geschäftsführende Holdinggesellschaft vier solche Schiffs-KG. Neben dem Entgelt für die Geschäftsführung erzielte die A-AG Zins- und Beteiligungserträge.
Die A-AG erklärte für 2006 steuerpflichtige Leistungen aus der Geschäftsführertätigkeit und machte u.a. den Abzug der im Zusammenhang mit der Aktienemission angefallenen Vorsteuerbeträge geltend. Das FA versagte den Vorsteuerabzug. Das FG gab der Klage statt und ließ den Vorsteuerabzug in voller Höhe zu. Mit der Revision machte das FA geltend, die A-AG sei zwar Unternehmerin, die Vorsteuerbeträge seien jedoch wegen der nicht wirtschaftlichen Tätigkeit des Erwerbs und Haltens von Beteiligungen aufzuteilen und daher nicht abziehbar, soweit sie auf die für die Aktienemission bezogenen Leistungen entfielen.
Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte dem EuGH die Frage nach der Berechnungsmethode des anteiligen Vorsteuerabzugs vor. Außerdem problematisierte er, ob eine Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) Organgesellschaft sein kann bzw. ob die Beschränkung auf juristische Personen als Organgesellschaften mit dem Unionsrecht vereinbar ist (BFH v. 11.12.2013, XI R 38/12, BStBl II 2014, 428).
Nach der Entscheidung des EuGH sind der bloße Erwerb und das reine Halten von Beteiligungen mit der Absicht, Beteiligungserträge zu erzielen, keine wirtschaftliche Tätigkeit. Dagegen wird durch das entgeltliche Eingreifen in die Verwaltung der Beteiligungsgesellschaften eine wirtschaftliche Tätigkeit begründet. Eine geschäftsleitende Holding ist damit grundsätzlich in voller Höhe vorsteuerabzugsberechtigt. Eine Aufteilung kommt nur in Betracht, wenn auch Beteiligungen gehalten werden, an die keine Dienstleistungen erbracht werden. Ferner entschied der BFH, eine Organschaft sei nicht auf juristische Personen beschränkt. Eine Begrenzung könne lediglich zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken gerechtfertigt sein (EuGH v. 16.7.2015, C-108/14 und C-109/14, DStR 2015, 1673). Mit dem Ergehen des EuGH-Urteils war die die Aussetzung des Revisionsverfahrens beendet. Der BFH konnte über die Revision entscheiden.
Entscheidung
Der A-AG steht als geschäftsführender Holding der Vorsteuerabzug für die Beträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften stehen, grundsätzlich in vollem Umfang zu. Die A-AG ist Unternehmerin, soweit sie an ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt Geschäftsführungsleistungen erbringt. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Praxis sind nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung des FG stellen allerdings die Anlagen der A-AG bei ihren Tochtergesellschaften (Darlehen) und bei Kreditinstituten (Einlagen) keine - der Vorsteueraufteilung entgegenstehende und damit voll dem Vorsteuerabzug zugängliche - Hilfsumsätze dar. Denn Unternehmensgegenstand der A-AG sind u.a. auch der Erwerb und die Verwaltung von in- und ausländischen Finanzanlagen. Dazu zählen auch die genannten Umsätze. Auf die Frage, ob diese Umsätze von Anfang an beabsichtigt oder Folge einer Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit der A-AG waren, kommt es nicht an. Das FG wird daher noch zu prüfen haben, ob die insoweit erklärte Option der A-AG zur Steuerpflicht der an sich steuerfreien Umsätze (§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG - Kreditgeschäfte) wirksam ist.
Im Anschluss an die EuGH-Entscheidung ist auch der BFH der Auffassung, dass eine GmbH &. Co. KG Organgesellschaft sein kann. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist insoweit unionsrechtswidrig, als die Regelung in Satz 1 vorsieht, dass nur eine juristische Person Organgesellschaft sein kann. Der Ausschluss einer GmbH & Co. KG allein aufgrund ihrer Rechtsform stellt für die Organschaft Voraussetzungen auf, die über das Unionsrecht hinausgehen. Diese Anforderungen sind weder zur Verhinderung von Missbräuchen noch zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung erforderlich und angemessen. Die nationale Regelung ist daher richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der Begriff "juristische Person" auch eine GmbH & Co. KG umfasst.
Ob das weitere Erfordernis des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, dass die Organgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein muss, mit Unionsrecht vereinbar ist, ließ der BFH offen, da das FG dazu keine Feststellungen getroffen hatte. In dem Urteil v. 2.12.2013 V R 15/14 (DStR 2016, 226) hat der BFH dazu die Auffassung vertreten, der Organträger müsse über die Mehrheit der Stimmrechte bei der Organgesellschaft verfügen und es müsse zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Organgesellschaft bestehen.
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dieses muss die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholen (Wirksamkeit der Option zur USt, finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen zwischen der A-AG und den Tochtergesellschaften).
Hinweis
Einer Führungsholding (Managementholding, Funktionsholding) steht damit - im Gegensatz zu einer "Finanzholding" - grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu. In besonderen Fällen könnte allerdings bei Vereinbarung nur verhältnismäßig geringer Entgelte die Grenze des Rechtsmissbrauchs überschritten sein. Das FG hat den Sachverhalt dahin gewürdigt, es liege keine missbräuchliche Praxis vor. Diese Würdigung ist für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend. Denn sie ist nach den getroffenen Feststellungen möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungsätze.
Die Befugnis zur richtlinienkonformen Auslegung des Tatbestandsmerkmals "juristische Person" in § 2 Abs. 2 Satz 1 UStG in dem Sinne, dass es auch eine GmbH & Co. KG umfasst, stützt der BFH insbesondere auf den Grundsatz der Rechtsformneutralität. Er weicht damit in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem BFH-Urteil v. 2.12.2015, V R 25/13 (DStR 2016, 219) ab. In diesem Urteil geht der V. Senat davon aus, eine Personengesellschaft könne nur dann in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Der V. Senat geht aber ebenfalls davon aus, dass eine GmbH & Co. KG Organgesellschaft sein kann.
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